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Vereinspräsident und Steuerhinterzieher

Es ist eigentlich wie immer: Wenn Uli Hoeneß etwas macht oder sagt, dann hat er entweder Freunde oder Feinde. Während die einen den Steuerhinterzieher und Angeklagten Hoeneß sehen, bleibt er für die anderen die Lichtgestalt des FC Bayern.

Von Wolfram Schrag | 05.11.2013
    "Ein' Uli Hoeneß, es gibt nur ein' Uli Hoeneß, ein' Uli Hooooeneß…"

    Fans des FC Bayern München im Frühjahr 2013.

    "Uli Hoeneß, der gehört einfach zum FC Bayern. Der muss dabei sein. Ich wünsch‘ ihm alles Gute und ich denke, dass er das alles überwindet. Ohne Uli Hoeneß wäre es kein FC Bayern."

    Uli Hoeneß. Fußballer. Vereinsvorsitzender. Legende. Und seit dem Frühjahr dieses Jahres Deutschlands bekanntester Steuerhinterzieher. Die halbe Republik hat sich mit dem Fall des FC Bayern Präsidenten beschäftigt. Selbst Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung, bezog kurz nach Bekanntwerden Stellung:

    "Ja, viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß. Die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen. Die Enttäuschung ist natürlich bei jemandem, der auch so für viel Positives steht, umso größer."

    Nun ist klar: Uli Hoeneß kommt nicht um einen Prozess herum. Ab dem 10. März kommenden Jahres wird er sich wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht München II verantworten müssen. Gerichtssprecherin Andrea Titz:

    "Die Anklage legt dem Angeklagten Steuerhinterziehung zur Last, es geht um Einkommensteuerhinterziehung. Die genaue Höhe und Einzelheiten zur Anklage können aufgrund der besonderen Geheimhaltungspflichten in Steuerstrafsachen hier jetzt nicht ausgebreitet werden."

    Uli Hoeneß hatte wohl geahnt, dass er auf die Anklagebank muss. Wahrhaben wollte er es dennoch nicht. So sagte er gestern bei der Ankunft der Bayern-Elf zum Champions-League-Spiel in Pilsen zu Journalisten:

    "Zunächst ist mal dazu zu sagen, dass ich … dass man damit rechnen musste, ob mir das passt oder nicht. Ich bin überrascht, dass unsere Selbstanzeige von den Behörden bis heute nicht als wirksam erachtet wird. Wir werden bis zum Prozess im März alles tun, um das Gericht von unseren Argumenten zu überzeugen."

    Vier Verhandlungstage sind angesetzt, und es sollen dabei vier Zeugen gehört werden. Es wird also ein kurzer Prozess. Doch ist der Ausgang offen. Richter und Staatsanwalt kennen sich in der Materie aus und nehmen den Fall sehr ernst. Mit einem Prominentenbonus oder -malus ist nicht zu rechnen. Und beide sind seriös und vor allem verschwiegen.

    Shakehands beim Champions-League-Endspiel: Bundeskanzlerin Merkel und FCB-Präsident Hoeneß
    Shakehands beim Champions-League-Endspiel im Mai 2013: Kanzlerin Merkel (CDU) und FCB-Präsident Hoeneß (dpa / Andreas Gebert)
    Der Richter
    Rupert Heindl, Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II. Heindl wurde einmal in der Presse als knallhart bezeichnet, weil er eine 75-jährige Angeklagte zu drei Jahren Haft verurteilte, obwohl die Staatsanwaltschaft nur zweieinhalb Jahre gefordert hatte. Heindl gilt als akribischer Arbeiter, der alles genau wissen will. Die Beweisaufnahme, sprich die Vernehmung von Zeugen, wird in dem Verfahren daher wohl eine wichtige Rolle spielen. Rupert Heindl mag keine Übereinkünfte zwischen Staatsanwalt und Verteidigung. Den sogenannten Deal lehnt er ab.

    Der Staatsanwalt
    Achim von Engel, zuständig für Wirtschafts- und Steuerstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II, gilt als versierter Fachmann zu allen Fragen der Steuerhinterziehung. Bislang prominentester Fall war 2011 das Steuerverfahren gegen den ehemaligen Auto-Manager Bernd Pischetsrieder. Der Fall wurde wegen geringer Schuld des Angeklagten gegen ein hohes Bußgeld eingestellt.

    Die Hoeneß-Anwälte
    Uli Hoeneß hat zwei seriöse Strafverteidiger engagiert, die sich die Arbeit teilen. Es gibt einen Steuerexperten: Markus Gotzens ist Steuerstrafverteidiger aus der renommierten Kanzlei Wannemacher und Partner in München. Bekannt wurde er vor allem, als er den Angeklagten Pischetsrieder im bereits erwähnten Verfahren verteidigte.

    Und einen Strafrechtler: Werner Leitner ist der Anwalt des Vertrauens beim FC Bayern. Leitner hat unter anderem den ehemaligen brasilianischen Profispieler Breno verteidigt. Der hatte 2011 aus Frust und unter Alkoholeinfluss seine Grünwalder Villa in Brand gesetzt und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Werner Leitner hat immer ein Kontingent an Dauerkarten für die Heimspiele des FC Bayern und wurde schon früh im Fall Hoeneß eingeschaltet.

    Der Fall
    Der Fall Hoeneß ist voller Ungereimtheiten. Es gibt jede Menge Gerüchte, ein Gewirr an Spekulationen und Falschinformationen. Nur wenige Dinge sind sicher. Die wichtigste Tatsache ist die, dass Uli Hoeneß ein Steuerhinterzieher ist. Das hat er selbst eingeräumt. Hans Leyendecker, der Journalist der Süddeutschen Zeitung, brachte dies kurz nach der Veröffentlichung der Vorwürfe auf den Punkt:

    "Wir haben hier ein Geständnis vorliegen. Wir haben hier den besonderen Fall, dass nicht die Unschuldsvermutung gilt, sondern es hat jemand gestanden, Steuerbetrüger zu sein. Das hat er quasi durch seine Selbstanzeige gemacht und hat selbst den Schaden mit 3,2 Millionen, also einen massiven Schaden, hat den beziffert. Von daher sind all die üblichen Diskussionen Unschuldsvermutung, Vorverurteilung gelten hier nicht. Er hat ja selbst eingeräumt, das zu machen."


    Hans Leyendecker, Journalist von der "Süddeutschen Zeitung"
    Hans Leyendecker, Journalist von der "Süddeutschen Zeitung" (AP Archiv)
    Der Verein
    Das schmeckt vielen Anhängern des FC Bayern-Präsidenten überhaupt nicht. Da ist dann schnell von einer Hetzkampagne gegen Uli Hoeneß die Rede. Die Solidarität ist groß. Der Verein hatte sogar zwei Umfragen unter den Mitgliedern in Auftrag gegeben. Diese hätten eine überwältigende Zustimmung zur Arbeit von Uli Hoeneß ergeben, schrieb er gestern. Und deshalb soll Hoeneß auch bis auf Weiteres Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern AG bleiben.

    Gerade einmal 30 Minuten, nachdem die Anklage zugelassen worden war, bekundeten die Aufsichtsräte gestern noch einmal ihre Solidarität. Das ist ein recht ungewöhnlicher Vorgang. Denn der FC Bayern ist ja nicht nur ein Verein, sondern auch ein Wirtschaftsunternehmen, eine Aktiengesellschaft. Und diese wird von einem Aufsichtsrat überwacht, der die Zukunft des Unternehmens im Blick haben sollte, sagt der Wirtschaftsprofessor Manuel Theisen von der Universität München:

    "Was müssen wir heute tun, damit wir zum Beispiel im nächsten Jahr keine Sponsoren verlieren, damit wir keine Gefährdung des Vereins und seiner Finanzierung haben. Falls Herr Hoeneß verurteilt wird und deswegen zurücktritt, ein Steuersünder sozusagen auf der Aufsichtsratsbank sitzt, ob dann nicht die Gesellschaft sehr schnell drehen muss, möglicherweise einige Sponsoren ausfallen, möglicherweise ein neues Konzept entwickelt werden muss. Das sind die Aufgaben, die der Aufsichtsrat lösen müsste, wenn er nach vorne schaut."

    Während die einen also den Steuerhinterzieher und Angeklagten Hoeneß sehen, bleibt er für die anderen die Lichtgestalt des FC Bayern. Es ist eigentlich wie immer. Wenn Uli Hoeneß etwas macht oder sagt, dann hat er entweder Freunde oder Feinde. Er polarisiert. Und deshalb wird der Fall Hoeneß in den Großbuchstabenblättern und Boulevardmagazinen auch als "großes Kino" präsentiert. Die erfolgreichen Vertreter des Profi-Fußballs sind eben auch Prominente. Nicht umsonst heißt der FC Bayern auch abschätzig FC Hollywood.

    Der Angeklagte
    Uli Hoeneß, am 5. Januar 1952 als Sohn eines Metzgerehepaars in Ulm geboren, wird 1970 Fußballspieler beim FC Bayern München und später dann auch in der Nationalmannschaft. Die Krönung seiner an Titeln reichen Fußballerkarriere ist 1974 der Gewinn der Weltmeisterschaft.

    1979 beginnt Hoeneß seine zweite Karriere als damals jüngster Manager des FC Bayern. Inspiriert durch US-amerikanische Sportligen führt er gezieltes Merchandising beim Fußballclub ein und macht ihn zu einem der reichsten und erfolgreichsten Fußballvereine Europas. Von 2002 bis 2009 ist Hoeneß außerdem stellvertretender Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, zuständig unter anderem für Lizenzspielerangelegenheiten und Sponsoring. Ende 2009 gibt er den Managerposten ab. Er wird Vereinspräsident und Aufsichtsrat der FC Bayern AG. 2010 übernimmt er den Vorsitz des Kontrollgremiums.

    Uli Hoeneß ist darüber hinaus ein erfolgreicher und schwerreicher Geschäftsmann, der in den 1980er-Jahren mit einem Kompagnon die HoWe-Wurstwarenfabrik in Nürnberg gründet. Diese produziert unter anderem für den Discounter Aldi. Uli Hoeneß‘ Geschäftssinn ist ausgeprägt. Daneben zeigt er soziales Interesse und inszeniert dies, wie alle Prominenten, imagepflegend. Der FC-Präsident spendet Millionen für benachteiligte Kinder oder engagiert sich in der Dominik-Brunner-Stiftung, die sich gegen Gewalt und für Zivilcourage einsetzt.

    Hoeneß unterstützt auch mal klamme Fußballklubs, ob den Lokalrivalen 1860 München oder den FC St. Pauli. Er ist ein beliebter Gast in Talkshows, isst mit der Bundeskanzlerin oder dem bayerischen Ministerpräsidenten. Er kennt alle, alle kennen ihn. Man schmückt sich mit Uli Hoeneß und sucht seinen Rat.

    1974 war die Fußballwelt noch in Ordnung...
    Fußball-Weltmeisterschaft 1974 mit Uli Hoeneß. (AP Archiv)
    Die Selbstanzeige
    Doch es gibt auch noch den anderen Uli Hoeneß - den Spekulanten, den Zocker, den Finanzjongleur, der mit Aktien und Derivaten handelt. Und dies ist auch der Uli Hoeneß, der Steuern hinterzieht. Am Sonntag, den 21. April dieses Jahres, veröffentlichte das Magazin "Focus" vorab die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft in München gegen Bayern-Präsident Hoeneß ermittle. Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich bestätigt dies einen Tag später:

    "Die Staatsanwaltschaft München II führt ein Ermittlungsverfahren gegen Uli Hoeneß wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund einer Selbstanzeige im Januar 2013. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist die Prüfung der Wirksamkeit und Vollständigkeit der Selbstanzeige."

    Uli Hoeneß hat eine Selbstanzeige erstellt und darin eingeräumt, Steuern in Höhe von rund 3,2 Millionen Euro hinterzogen zu haben. Eine Selbstanzeige führt zur Straffreiheit, wenn sie korrekt erstellt wurde und die hinterzogene Summe richtig festgestellt wurde. Zusätzliche Bedingung: Die Tat darf den Behörden noch nicht bekannt sein. Beides steht im Fall von Hoeneß offensichtlich in Zweifel. Steuerfahnder durchsuchten im März Hoeneß‘ Anwesen in Bad Wiessee und erteilten ihm sogar einen Haftbefehl. Mithilfe des Verteidigers Leitner konnte dieser gegen Zahlung einer hohen Kaution ausgesetzt werden.

    Offensichtlich stand schon der Beginn der Aktion "Selbstanzeige" unter keinem guten Stern. Anfang Januar hatte das Nachrichtenmagazin "Stern" aus Hamburg bei der Schweizer Privatbank Vontobel wegen eines Bundesliga-Prominenten recherchiert, der in den Jahren 2001 bis 2008 umgerechnet bis zu einer halben Milliarde Euro auf einem Schweizer Nummernkonto gebunkert haben soll. Dieser Artikel erschien am 16. Januar in der Online-Ausgabe des Stern. Der Name Hoeneß fiel nicht.

    Aber die Recherchen reichten offensichtlich aus, um Uli Hoeneß und seine Berater in Bewegung zu setzen. Sie brachten die Selbstanzeige auf den Weg, wie es scheint recht eilig. Man kann annehmen, dass dadurch Fehler begangen worden sind, die dem ganzen Verfahren erst die Dimension gaben, die es heute hat. Denn bis eine Selbstanzeige korrekt erstellt werden kann, vergehen in der Regel Monate, sagt Rainer Spatscheck, Steuerstrafverteidiger bei der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm in München. Zunächst einmal muss der mutmaßliche Steuerhinterzieher nämlich zur Bank:

    "Das heißt er muss die Bank auffordern, die Erträgnisaufstellungen, Vermögensübersichten, Kontoauszüge des Bankkontos erstellen zu lassen für zehn Jahre zurück. Und wir sorgen dann dafür, dass wir diese bekommen und auswerten können und wir machen dann eine erste Auswertung, besprechen mit dem Mandanten das Ergebnis. Dann weiß er auch ungefähr, was als Zahlbetrag auf ihn zukommt und wenn er dann grünes Licht gibt, füllen wir die Selbstanzeige vollends aus."

    Hinzu kommt, dass Steuerhinterzieher ihr Geld oft im Ausland parken und die dazugehörigen Bankunterlagen auch. Und da momentan viele Verdachtsfälle bei Schweizer Banken abgefragt werden, gibt es einen Bearbeitungsstau:

    "Die längste Zeit im Moment wird benötigt, bis die Banken, die angesprochen werden, die Bankunterlagen uns zur Verfügung stellen, um die Selbstanzeige vorzubereiten. Das können schon mal zwei oder drei Monate sein, was daran liegt, dass im Moment ein großer Run auf diese Bankunterlagen eingesetzt hat und selbstverständlich die Banken jetzt nicht das Personal vorhalten, dass man benötigt, um all die Unterlagen auch für lange zurückliegende Zeiträume zu erstellen."

    Das Geld
    Und die Unterlagen von Uli Hoeneß dürften besonders dick sein. Wie er selbst in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" einräumte, hat er jahrelang intensiv spekuliert und dabei Millionen gewonnen und Millionen verloren. Das dafür notwendige Geld ist nach seinen Worten vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus gekommen. Er soll Hoeneß im Jahr 2000 bis zu 20 Millionen D-Mark geliehen haben. Die Männer kannten sich seit Jahren, waren Geschäftspartner und miteinander befreundet. Louis-Dreyfus habe Hoeneß also das Konto bei der Vontobel-Bank eingerichtet.

    Im Jahr 2001 gab Adidas dann bekannt, bei der sich in Gründung befindlichen FC Bayern AG einzusteigen. Ein besseres Angebot des US-Sportartikelherstellers Nike schlug Bayern-Manager Hoeneß aus. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte Louis-Dreyfus den Vorsitz bei Adidas bereits an Herbert Hainer übertragen, der auch den Einstieg bei den Münchnern verhandelte. Doch ob es nur die edle Freundschaft war, die Louis-Dreyfus zu seiner großzügigen Gabe veranlasste, ist schwer zu sagen.

    Robert Louis-Dreyfus kann in dem Fall nicht mehr aussagen, er starb 2009 an Krebs. Hoeneß jedenfalls gibt an, die geliehene Summe zurückerstattet zu haben. Mit diesem Geld machte er jedoch Gewinne, die er nicht in Deutschland versteuerte.

    Januar 2013. Laut Süddeutscher Zeitung gab es damals im Haus von Uli Hoeneß am Tegernsee ein Krisentreffen. Anwesend sind sein Steuerberater und auch ein befreundeter Steuerfahnder. Nach Angaben der Zeitung haben die Freunde eine Selbstanzeige an das zuständige Finanzamt Rosenheim angefertigt.

    Es ist eine dieser Ungereimtheiten, die den Fall Hoeneß bisweilen bizarr erscheinen lassen. Ein Steuerfahnder sitzt bei Uli Hoeneß auf dem Sofa und versucht offenbar, eine Selbstanzeige zu verfassen. Ganz abgesehen davon, dass er damit ein Disziplinarverfahren und seine Pension riskierte, stellt sich die Frage: Sind Steuerfahnder dazu wirklich in der Lage? Der Steuerberater wiederum fährt ebenfalls volles Risiko. Wie zu lesen ist, fehlten offenbar Unterlagen aus der Schweiz. Die Hürden für eine Selbstanzeige sind aber hoch gesteckt, betont Steuerstrafverteidiger Rainer Spatscheck:

    "Seit Mai 2011 haben wir eine sehr, sehr eingeschränkte Selbstanzeigemöglichkeit nur noch, mit der Konsequenz, dass man schon einiges an Aufwand in die Selbstanzeige stecken muss, was der Steuerpflichtige selbst schon gar nicht mehr leisten kann. Der Steuerpflichtige braucht einen versierten Berater, um eine wirksame Selbstanzeige abgeben zu können. Hat er keinen Berater, läuft er Gefahr, allein schon dadurch, dass er keinen Berater hat, eine unzutreffende Selbstanzeige abzugeben, eine unwirksame Selbstanzeige abzugeben."

    Das heißt: Es gibt nur eine vollständige Selbstanzeige oder gar keine. Wird die hinterzogene Summe nicht richtig benannt, ist die Anzeige wertlos. Wenn noch nicht alle Informationen von der Bank da sind, gibt es zwar die Möglichkeit, eine abgestufte Selbstanzeige abzugeben. Doch steigt hier das Risiko, etwas falsch zu schätzen:

    "Ich bin auch immer froh, wenn ich die Schätzung nicht ohne Informationen der Bank machen muss, sondern wenn ich zumindest Vermögensaufstellungen der Banken habe und ungefähr schätzen kann, was die steuerliche Auswirkungen sind. Ich mache dann immer noch einen hohen Sicherheitszuschlag, um sicher zu sein. Aber ganz sicher kann man bei einer Schätzung nicht sein."

    Die Rechtsprechung
    Und diese Schätzung ging offensichtlich bei Uli Hoeneß daneben. Jedenfalls soweit, dass sich Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft genötigt sahen, die Villa am Tegernsee zu durchsuchen und einen Haftbefehl zu schreiben. Was hat das nun für Konsequenzen für den Prozess? Zunächst mal gibt es seit ein paar Jahren eine Grenze, ab der der Bundesgerichtshof im Prinzip keine Bewährungsstrafe für Steuerhinterziehung mehr anerkennt. Dabei handelt es sich um eine Million Euro hinterzogener Steuern. Doch diese Grenze ist nur ein Anhaltspunkt, sagt Steuerstrafverteidiger Rainer Spatscheck:

    "In dem Urteil ist es weiter angelegt, dass man beispielsweise die Lebensleistung des Angeklagten berücksichtigen muss. Dass man berücksichtigen muss das Verhältnis zwischen gezahlter und hinterzogener Steuer. Dass es Ausnahmen geben kann selbst bei einem deutlich höheren Betrag als dieser Million, man auch nicht zu einer Freiheitsstrafe kommt, die abgesessen werden muss, also die zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn beispielsweise besondere Milderungsgründe hinzu kommen wie vielleicht eine verunglückte Selbstanzeige."

    Doch egal ob und zu welcher Strafe Hoeneß verurteilt wird: Die Frage ist, wie lange er noch Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG bleiben kann. Das Kontrollgremium hat zwar seine Solidarität bekundet. Doch müssen einige der Mitglieder auch an sich selbst denken: VW-Chef Winterkorn, Audi-Chef Stadler, Adidas-Chef Hainer oder der designierte Telekom-Chef Höttges repräsentieren Unternehmen, die strenge Regeln haben. Andererseits sind sie auch Sponsoren des FC Bayern. Für Wirtschaftsprofessor Manuel Theisen ist diese Zusammensetzung eine Katastrophe:

    "Hier sorg‘ ich für Sauberkeit bis in der letzten Ecke und im Fußballverein FC Bayern sitz‘ ich mit dem lieben Uli zusammen, der hat halt eine ein bisschen andere Auffassung von Recht und Gesetz. Das ist unvorstellbar, das schadet dem Unternehmen, das schadet vor allen Dingen den Personen und hier kann ich mir nicht vorstellen, dass man da weiter so 'und schön, dass der Ball weiter rund ist' bleibt."

    Momentan heißt es aber vor allem: The show must go on! Und daran wollen sich alle halten, jedenfalls bis zum Prozessbeginn am 10. März.

    "...es gibt nur ein' Uli Hoeneß…"