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Vereinte Nationen
Kritik an Polen wegen Homophobie und Fremdenhass erwartet

Seit einem Jahr ist die polnische Regierungpartei PiS im Amt, seitdem hat sie vor allem durch die Justizreform viel Staub aufgewirbelt. Kritik kam schon von der EU-Kommission und vom Europarat. Heute wird der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen Warschau die Leviten lesen - unter anderem wegen des Umgangs mit Fremden, Homosexuellen und Frauen.

Von Florian Kellermann | 04.11.2016
    Das polnische Parlament.
    Der Menschenrechtsausschuss der Vereinen Nationen beschäftigt sich turnusgemäß mit Polen. (dpa/picture-alliance/Pawel Supernak)
    Gerade erst hat die polnische Regierung auf einen Brief der EU-Kommission geantwortet. Brüssel hatte Warschau konkrete Empfehlungen gemacht, wie Polen rechtsstaatliche Prinzipien umsetzen soll. Vor allem drängt die Kommission darauf, dass ein von der Regierung unabhängiges Verfassungsgericht die Arbeit der Machthaber kontrollieren kann. Denn genau das wollen diese nicht zulassen, so der Vorwurf. Auf zehn Seiten wies die polnische Regierung die Empfehlungen zurück. Tenor: Die EU-Kommission kenne sich in Polen nicht gut genug aus.
    Vize-Außenminister Konrad Szymanski erklärte:
    "Wir sind bereit zusammenzuarbeiten und zu reden, unsere Gründe zu erklären und sogar die Gründe zu verstehen, die nicht unseren Überzeugungen entsprechen. Aber wir können es nicht zulassen, dass eine supranationale Institution uns bestimmte Lösungen diktiert und auch noch erwartet, dass diese in einer bestimmten Frist umgesetzt werden."
    Kritik der EU-Kommission an Polen
    Nicht alle Vertreter der rechtskonservativen Regierungspartei PiS bringen ihre Kritik an der EU-Kommission so höflich an. Ryszard Czarnecki, Vizepräsident des EU-Parlaments, sagte im Sommer:
    "Ich habe einen privaten Vorschlag an die EU-Kommission. Sie könnte im Rahmen einer Selbstkontrolle Akohol-Testgeräte vor dem Gebäude der Kommission aufstellen. Es ist ein öffentliches Geheimnis, dass einige EU-Spitzenpolitiker Alkoholprobleme haben, sie sollten sich also mit selbst befassen."
    Heute bekommt Polen neue Empfehlungen, diesmal vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen. Er beschäftigt sich turnusgemäß mit Polen. Im Ausschuss sitzen 18 Experten, Juristen aus aller Welt.
    Was sie Polen im einzelnen ins Stammbuch schreiben, wird die Öffentlichkeit erst heute Nachmittag erfahren. Allerdings gab die Anhörung des Ausschusses in Genf vor zwei Wochen schon deutliche Hinweise. Die Experten hatten Gelegenheit, Vertreter der polnischen Regierung zu fragen, auch nach dem Verfassungsgericht, so die Göttinger Professorin Anja Seibert-Fohr:
    "Ich würde gerne wissen, ob es richtig ist, dass sich die Ministerpräsidentin weigert, Urteile des Verfassungsgerichts vom März und vom August zu veröffentlichen. Stimmt es, dass die Regierung ein Urteil vom August als nicht geltend betrachtet? Ich würde die polnische Delegation gerne fragen, wie ein Gericht effektiv Recht sprechen kann, wenn seine Urteile einer breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden?"
    Umgang mit homophoben und rassistischen Straftaten im Blick
    Die Juristen haben sich aber auch mit vielen anderen Aspekten des öffentlichen Lebens in Polen beschäftigt. Sie werden voraussichtlich kritisieren, dass der Staat nicht entschieden genug gegen homophobe und rassistische Straftaten vorgeht.
    Auch mit der Situation der Frauen hat sich der Ausschuss der Vereinten Nationen auseinandergesetzt. Positiv ist, dass Frauen in Polen zwar weniger verdienen als Männer in gleichen Positionen, der Unterschied ist aber deutlich geringer als im EU-Durchschnitt. Auf der anderen Seite fürchten die Menschenrechts-Experten um die Rechte von Schwangeren. Sarah Cleveland, Professorin aus den USA, sagte in Genf zur polnischen Delegation:
    "Sie haben unsere Frage nach der Zahl der heimlichen und unsicheren Abtreibungen nicht beantwortet. Diese gefährden die Gesundheit und das Leben der Frauen. Informationen, die wir von anderer Stelle bekommen haben, weisen darauf hin, dass es jährlich etwa 1.000 legale Schwangerschaftsabbrüche gibt und etwa 150.000 heimliche."
    Der Standpunkt der polnischen Regierung, dass sie für illegale Eingriffe nicht verantwortlich sei, dürfte den Ausschuss kaum zufriedenstellen. Zumal selbst Frauen, die nach dem restriktiven polnischen Recht abtreiben dürfen, dafür oft keine Klinik finden. Zu groß ist der Druck der Abtreibungsgegner auf Ärzte und Krankenhäuser.
    Die polnische Regierung wird heute also wieder eine ganze Reihe gut gemeinter Ratschläge hören. Dass sie viele von ihnen beherzigen wird, glaubt in Warschau kaum jemand.