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Verfassungsreform der Ukraine
Zitterpartie für Poroschenko

Obwohl es bisher in keinem Punkt wirklich eingehalten wird - das Minsker Abkommen vom Februar gilt weiterhin als Grundlage für einen Friedensprozess in der Ostukraine. Kiew will die Verpflichtung nun erfüllen: durch eine Verfassungsreform, die Macht auf einzelne Regionen verteilt. Heute stimmt das Parlament darüber ab. Das Ergebnis ist alles andere als sicher.

Von Florian Kellermann | 31.08.2015
    Das ukrainische Parlament tagt in Kiew.
    Das ukrainische Parlament tagt in Kiew. (picture alliance / dpa / Roman Pilipey)
    Schon im Juli war es Präsident Petro Poroschenko nur mit Mühe gelungen, das Parlament auf seine Seite zu bringen. Die ukrainischen Abgeordneten stimmten dann doch dafür, die geplante Verfassungsreform vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. Das Gericht hat inzwischen grünes Licht gegeben. Nun geht es um die Verabschiedung des Gesetzes - und dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
    Doch die steht noch längst nicht fest. Am Samstag kamen die ersten aufgeregten Meldungen über geheime Treffen. Poroschenko lud die Rebellen in seiner eigenen Fraktion und die Skeptiker in den anderen Parteien der Regierungskoalition zu sich.
    Zwei Fraktionen haben erklärt, dass sie die Änderungen geschlossen ablehnen wollen - die "Radikale Partei" von Oleh Ljaschko und die Partei "Selbsthilfe". Dass der Westen auf die Verabschiedung der Reform drängt, dürfe sie nicht beeinflussen, so der Abgeordnete Jehor Sobolew.
    "Wir treffen uns gerade sehr oft mit Diplomaten aus den USA und der Europäischen Union. Wir erklären ihnen: Es ist der falsche Weg, einen Teil des ukrainischen Territoriums aufzugeben, um den Aggressor zu besänftigen. Das führt zu nichts Gutem, und das sehen wir doch."
    Dass dadurch auch das ganze Minsker Abkommen scheitern könnte, sieht Sobolew gelassen: Es werde ohnehin seit Monaten nicht einmal in seinem elementaren Punkt eingehalten, sagt er - der Waffenruhe.
    Ob die Verfassungsreform durchgeht oder nicht: In beiden Fällen wird die Lage für Präsident Poroschenko nicht einfach. Scheitert die Reform, wäre das eine diplomatische Steilvorlage für Russland. Es könnte der Ukraine die Hauptschuld dafür gegeben, dass der Friedensprozess nicht voran kommt.
    Wird die Reform dagegen beschlossen, zieht Poroschenko noch mehr Hass der nationalistischen Gruppierungen auf sich. Die Organisation "Rechter Sektor" hat für heute Morgen eine Demonstration vor dem Parlament angekündigt. Michailo, ein Kämpfer des "Rechten Sektors" aus dem westukrainischen Uschhorod:
    "Viele Mitglieder unserer und anderer Organisationen sind der persönlichen Ansicht, dass sie in so einem Staat, in dem so eine Verfassung beschlossen wird, nicht leben wollen. Dass sie kämpfen wollen, auch mit radikalen Methoden. Bisher hat keine Organisation offiziell einen solchen Kampf beschlossen. Trotzdem kann es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen, vielleicht sogar zu einem Versuch, das Parlament zu stürmen."
    Den Kritikern missfällt vor allem, dass die neue Verfassung nicht nur die Staatsmacht dezentralisieren soll. Sie sieht außerdem eine Sonderregelung für die Separatistengebiete vor. Der Text verweist auf ein entsprechendes Gesetz, das den Gebieten im Donezbecken eine eigene Volksmiliz und besondere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland zugesteht. Außerdem soll es eine Amnestie für die Separatisten geben.
    Ein Scheitern der Verfassungsreform könnte auch die Waffenruhe gefährden, die heute um Mitternacht in Kraft treten soll. In der vergangenen Woche hatten die OSZE, Russland und die Ukraine sie vereinbart - mit Blick auf den Schulbeginn am 1. September. Die Feuerpause soll zunächst für eine Woche gelten. Das zurückliegende Wochenende hat die Hoffnung etwas wachsen lassen: Schon seit gestern früh, also vorab, wird die Waffenruhe im Großen und Ganzen eingehalten.