Waldrapp

"Der Punk unter den Vögeln"

Waldrapp (Geronticus eremita), Portraet | hermit ibis (Geronticus eremita), portrait | Verwendung weltweit
Waldrapp, Geronticus eremita, hermit ibis © picture alliance/dpa/blickwinkel
Christiane Habermalz im Gespräch mit Julius Stucke · 30.07.2018
Der Waldrapp ist nicht schön, aber sehr selten. Jahrhundertelang wurde der Zugvogel gnadenlos gejagt und ist in Deutschland in freier Wildbahn ausgestorben. Ein ambitioniertes EU-Projekt versucht, ihn wieder bei uns in Mitteleuropa heimisch zu machen.
Der Waldrapp ist ein komischer Vogel: Am Hinterkopf steht ihm das schwarze Gefieder in Büscheln ab, vorne hat er eine rote Stirnglatze und einen sehr langen dünnen Schnabel. Damit gewinnt er sicherlich keinen Schönheitswettbewerb – anders als Pandas oder andere bedrohte Tierarten ist er so gar nicht niedlich. Immerhin bescheinigen ihm alte Schweizer Kochbücher, dass man ihn sehr schmackhaft zubereiten könne.
Doch Christiane Habermalz ist all das egal: Die Kulturjournalistin ist ein großer Fan des Waldrapp, hat vor längerer Zeit die Patenschaft für ein Exemplar dieser in Deutschland in freier Wildbahn ausgestorbenen Art übernommen und sagt: "Ich finde ihn sehr cool. Das ist der Punk unter den Vögeln." Waldrappe gehören zur Familie der Ibisse und sind Zugvögel. Das wurde Iggy Wilhelm – so der Name des gefiederten Patenkindes – bei seinem Versuch, gen Italien zu fliegen, allerdings zum Verhängnis: Er verendete an einer Stromleitung.

Wie Waldrappe wieder zu Zugvögeln werden

Das EU-Projekt Waldrappteam hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Waldrapp wieder in Mitteleuropa anzusiedeln – mit Patenschaften für Küken und ambitioniertem Zugvogeltraining für die flügge gewordenen Jungvögel. Die Art ist über Jahrhunderte so stark bejagt worden, dass der Waldrapp in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert praktisch ausgestorben ist – nur noch in Zoos kann man ihn hierzulande sehen.
Genau das stellt das Projekt vor eine große Herausforderung, sagt Christiane Habermalz: "Im genetischen Gedächtnis war das Ziehen des Vogels an sich angelegt – aber nicht wohin. Den Weg lernen die Jungvögel von den Altvögeln – seit 400 Jahren ist aber keiner mehr geflogen. Das heißt: Die Waldrappe hatten, wenn man so will, ihr kulturelles Gedächtnis verloren."
Ein Waldrapp aus der Unterfamilie der Ibisse (Geronticus eremita) fliegt über der Toskana in Italien. Zugvögel können beim Flug in V-Formation in ungeahnter Perfektion Energie sparen. Das habe die Analyse des Fluges von 14 Waldrappen ergeben.
In der Luft sehen die Waldrappe sehr elegant aus.© picture alliance / dpa / Markus Unsöld
Deshalb würden die Küken jetzt von Hand aufgezogen – und auf ihre menschlichen Ziehmütter geprägt, sodass sie diesen überall hin folgten. Die Ersatzmütter wiederum flögen beim Zugvogeltraining im Ultraleichtflugzeug voraus – "um den Jungen den Weg zu zeigen". Der führe in ein Naturschutzgebiet in der Toskana. Vorher lernen die Jungen, dem Flugzeug "in einer schönen Flugformation zu folgen". Nicht einfach für einen jungen Waldrapp. Nach drei Jahren sollen sie dann den Weg aus Italien alleine wieder zurück finden – wenn sie nicht auf dem Weg Opfer von Wilderern oder von Stromleitungen werden.

Wichtig Grundlagenforschung

So viel Aufwand für eine einzige Vogelart? Das Projekt sei mehr als das, betont Christiane Habermalz: "Es ist auch eine ganz wichtige Grundlagenforschung. Man hat wahnsinnig viel gelernt über den Vogelzug bei diesem Projekt." Es gehe auch darum, auf die Gefahren für die Tiere aufmerksam zu machen – und davon wiederum profitierten auch andere Vogelarten. Zudem: Der Waldrapp sei auch weltweit vom Aussterben bedroht – "und das hier ist einfach mal eine positive Geschichte".
(mkn)
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