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Verfassungsschutzbericht
Mehr Förderung für den Kampf gegen Rechts gefordert

Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht ist die Zahl der rechtsextremistischer Gewalttaten deutlich angestiegen. Die Union habe sehr lange die Gewalt von rechts verharmlost, sagte Katharina Schulze, bayrische Grüne-Landtagsabgeordnete, im DLF. Sie forderte mehr Förderungen für Projekte für "ein tolerantes, ein vielfältiges Land, das die Demokratie hochhält".

Katharina Schulze im Gespräch mit Reinhard Bieck | 01.07.2015
    Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz
    Blick auf den ausgebrannten Dachstuhl der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber in Tröglitz (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt)
    Reinhard Bieck: Verfassungsschutzbericht 2014, heute vorgestellt von Innenminister Thomas de Maizière und dem Präsidenten des Bundesamtes, Hans-Georg Maaßen. Wir haben über die Anschläge auf Flüchtlingsheime in Tröglitz, Vorra, gerade erst in Meißen und Lübeck berichtet, rechte Gewalt, die sich auch in Zahlen niederschlägt.
    Kommen wir noch mal auf die gerade von Gudula Geuther beschriebene Gewalt von rechts zu sprechen. Katharina Schulze ist stellvertretende Vorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag und Sprecherin für Inneres und Strategien gegen Rechtsextremismus. Frau Schulze, wenn man den Innenminister so reden hört, dann muss man doch sagen, auf dem rechten Auge blind ist die Bundesregierung nicht, oder?
    Katharina Schulze: Na ja. Man kann auf jeden Fall sagen, dass die Union sehr lange die Gewalt von rechts verharmlost hat und immer kleingeredet hat, und jetzt sozusagen ist es so massiv und die rechtsextreme Szene tritt immer selbstbewusster und auch immer gewalttätiger auf, dass man sie einfach nicht mehr kleinreden kann. Denn die Zahlen, die heute präsentiert wurden, erschrecken einen ja richtiggehend. Immer mehr Anschläge auf Asylbewerberinnen und Asylbewerber-Heime, immer mehr rassistisch motivierte Kampagnen, immer mehr Aktionen von der rechten Szene, die selbstbewusster auftreten, die probieren, in die Mitte der Gesellschaft hineinzuwirken, und gerade beim Thema Flüchtlinge irgendwelche Ängste zu schüren, die man gar nicht schüren braucht, nur damit sie ihre Ideologie und ihre Themen voranbringen können.
    Schulze: Rassismus wieder auf Mitte der Gesellschaft zurückdrängen
    Bieck: Na gut. Die Zahlen liegen ja jetzt auf dem Tisch. Die Bundesregierung hat sie veröffentlicht, übrigens in den vergangenen Jahren auch schon, und das ist doch immerhin ein Anfang.
    Schulze: Ja! Wissen Sie, ich bin bayerische Politikerin und da werden diese Zahlen auch regelmäßig veröffentlicht. Dann passiert aber leider von den Regierenden sehr wenig und das ist, glaube ich, das große Problem, weil jetzt sind alle betroffen, der Innenminister hat sich auch diesbezüglich so geäußert. Aber er ist der Mann, der jetzt dagegen auch was tun kann, beispielsweise stärkeren Ermittlungsdruck gegen die rechte Szene und gegen rechte Straftäter, aber auch diesen ganzen Bereich Prävention, Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in ein Handlungskonzept gegen rechts mit einzubeziehen. All die Dinge kann man als Regierende jetzt umsetzen und das muss jetzt auch passieren, weil wir müssen ja aufpassen, dass dieser Rassismus, der vom rechten Rand immer mehr auch in die sogenannte Mitte der Gesellschaft hineinschwappt, dass der wieder zurückgedrängt wird und dass auch klar wird, dass Deutschland ein buntes Land ist, ein tolerantes, ein vielfältiges Land, das die Demokratie hochhält. Das muss man natürlich auch stärken und unterstützen, beispielsweise durch Geld, durch Förderprogramme etc. pp., und da erwarte ich jetzt auch, dass der Innenminister liefert.
    Bieck: Aber das klingt doch von den Forderungen her gesehen ziemlich pauschal. Können Sie da denn nicht mal was konkreter werden?
    Schulze: Da muss man sich einfach nur mal angucken, wie viel Geld zum Beispiel für schulische oder auch außerschulische Projekte im Bereich der Demokratiebildung ausgegeben werden. Da fordert die Opposition seit Jahren mehr Geld. Auch zivilgesellschaftliche Initiativen sagen, wir kommen damit nicht zurecht. Wir hätten so viel mehr Möglichkeiten, um diese Projekte zu machen. Wir brauchen da mehr Förderung, mehr Unterstützung. Dann beispielsweise muss es, glaube ich, auch endlich mal in die Köpfe auch der Unions-Politikerinnen und Politiker kommen, dass Rechtsextremismus nicht erst dann beginnt, wenn irgendwie ein Rechtsterrorist eine Bombe baut, sondern dass der Rechtsextremismus schon viel früher beginnt, nämlich im Rassismus in den Köpfen der Menschen. Ich meine diese typischen Parolen, die, glaube ich, jede und jeder von uns auch im eigenen Bekanntenkreis mal gehört hat: "Ich bin ja kein Rassist, aber ..." Das kommt ja ganz oft. Wenn dieses immer mehr salonfähiger wird und wenn man dann auch noch Politikerinnen und Politiker hat wie von der CSU, die selber von der Ausländermaut und von "wer betrügt, der fliegt" sprechen, dann merkt man, dass die Stimmung beginnt, sich zu verändern, auch in unserem Land. Da, glaube ich, gibt es verschiedenste Stellschrauben, an denen man drehen muss, damit dieser Rechtsextremismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft zurückgedrängt wird und kleiner wird.
    "Kampf für ein bunteres Deutschland"
    Bieck: Innenminister de Maizière hat heute, ich glaube, zum ersten Mal so deutlich ausgesprochen, dass Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland ein größeres Problem ist als im Westen. War das überfällig?
    Schulze: Na ja. Die Zahlen geben das her. Darum war es gut, dass er das auch so formuliert hat. Gerade wenn man da die Ereignisse immer wieder hört, dass Kommunalpolitiker zurücktreten, massiv eingeschüchtert werden, ist es einfach ein unhaltbarer Zustand für unsere Demokratie, egal ob wir aus Ostdeutschland oder aus Westdeutschland kommen. Das darf uns alle nicht kalt lassen. Ich meine, das ist ja, glaube ich, auch gerade das große Problem: Die rechtsextremistische Gewalt, die mittlerweile vonstattengeht, ist ja auch ganz oft dieses Subtile, dieses Einschüchtern, gerade auch übers Internet, die sogenannte Hasskriminalität, wie sie auch im Verfassungsschutzbericht aufgeführt ist, nämlich dass Menschen, die sich für Vielfalt, für Toleranz, für Flüchtlinge etc., gegen Nazis einsetzen, auch systematisch probiert werden, einzuschüchtern und kleiner gemacht zu werden, bis zu dem Punkt hin, dass dann ein Bürgermeister sagt, Leute, ich kann nicht mehr, ich höre jetzt auf. Dann muss jegliche Alarmglocke läuten und da reicht es dann auch nicht, das Bedauern auszudrücken, sondern dann muss man gucken, was können wir in diesen Orten machen, wie können wir da die Demokratiebildung stärken, wie können wir die Bildung allgemein stärken, wie können wir die Prävention stärken, wie können wir auch den Opfern, die Opfer von rechtsextremer oder rassistischer Gewalt werden, auch beistehen, dass sie sich nicht ganz alleine fühlen, damit die nicht aufhören in ihrem Kampf für ein bunteres Deutschland. Das ist sehr wichtig.
    Bieck: Innenminister de Maizière hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2014 die Zunahme rechtsextremer Straftaten herausgestellt. Ich sprach darüber mit Katharina Schulze, stellvertretende Vorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag. Danke nach München.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.