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Verfassungsschutzpräsident Maaßen
Video ohne vorherige Analyse hinterfragt?

Neue Vorwürfe setzen Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen weiter unter Druck: Er habe die Echtheit des Videos aus Chemnitz öffentlich infrage gestellt, bevor sich Fachleute seiner Behörde damit beschäftigt hätten, schreibt "Die Welt". Kritik kommt nicht nur aus der Opposition.

Von Gudula Geuther | 11.09.2018
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) im Hintergrundgespräch am 28.10.2016.
    Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Zumindest die FDP ist nicht zufrieden mit den kolportierten Einlassungen von Hans-Georg Maaßen.
    "Die Relativierung von Hans-Georg Maaßen ist nicht glaubwürdig", urteilt der Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Die Rede ist von einem Bericht des Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der seit gestern Vormittag dem Bundesinnenministerium und dem Kanzleramt vorliegt. In der Sache hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer vom Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine Rechtfertigung verlangt.
    Was war die Basis für seine Äußerungen vergangene Woche, mit denen er Medienberichte zu den Vorfällen in Chemnitz in Zweifel gezogen, über gezielte Falschinformationen gemutmaßt hatte und ein im Internet kursierendes Video in Zweifel gezogen hatte? Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, rudert Maaßen in dem Bericht zurück. Er habe nicht die Echtheit des Videos in Zweifel ziehen wollen, so soll es in dem kurzen Papier heißen. Stattdessen habe er anzweifeln wollen, ob die Überschrift über dem Video richtig sei, ob es also tatsächlich eine "Menschenjagd" zeige, wie die offenbar junge linke Gruppierung es genannt hatte.
    "Auch Herr Maaßen unterliegt dem Mäßigungsgebot"
    Mit dem Wortlaut von Maaßens früheren Äußerungen ist das kaum vereinbar. Wörtlich hatte er gesagt: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Wie die Zeitung "Die Welt" schreibt, soll Maaßen seine Äußerungen gemacht haben, ohne dass sich seine Behörde das Video vorgenommen hatte. Erst danach sollen die Fachleute den Film überprüft haben. Der FDP-Politiker Kuhle sagt deshalb:
    "Auch Herr Maaßen unterliegt dem Mäßigungsgebot. Offenkundig ist das im Bundesinnenministerium immer dann nicht besonders relevant, wenn die Meinung von Bediensteten des Bundesinnenministeriums auf einer Linie mit der Meinung von Horst Seehofer und gegen die Bundeskanzlerin gerichtet ist."
    Gegen die Bundeskanzlerin, weil diese sich – wie ihr Sprecher Steffen Seibert - früh gerade auf das Video bezogen hatte, um Hass und Ausschreitungen zu kritisieren. Während einzelne Unionsabgeordnete in den vergangenen Tagen Maaßen gestützt hatten, hatte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer scharf auf Belege gedrungen.
    Am Morgen mahnte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums Clemens Binninger im SWR Politiker und Verantwortliche: [*]
    "Gerade bei einem Thema und bei dem Anlass, wie wir ihn jetzt haben und bei der Herausforderung, vor der wir stehen, ist sicher Zurückhaltung auch geboten, Differenzierung ist geboten."
    "Wer behauptet, muss beweisen können", ergänzt Binningers CDU-Parteifreund, Sachsen-Anhalts Innenmister Holger Stahlknecht. Politiker und Verantwortliche sollten erst miteinander reden, bevor sie an die Öffentlichkeit gingen.
    "Die Bürgerinnen und Bürger haben einfach den Anspruch, dass die, die politische Verantwortung tragen und in den nachgeordneten Bereichen dieses Land mit ruhiger Hand aber im Endeffekt auch konsequent regieren und nicht untereinander streiten."
    Gauland will Maaßen derzeit nicht infrage stellen
    Mehr Abstimmung fordert Konstantin Kuhle vor allem von Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Seehofer:
    "Beide Ressorts, das Bundeskanzleramt und das Bundesinnenministerium, müssen abgestimmt erklären, wie ihre gemeinsame Haltung zu Hans Georg Maaßen ist. Wird ihm noch vertraut? Welche Anforderungen sind hier auf dem Tisch? Wenn diese gemeinsame Haltung in dieser Woche nicht geäußert wird, dann wird die Luft um Hans Georg Maaßen immer dünner werden und dann sind auch personelle Konsequenzen am Ende eine Option, die auf den Tisch muss."
    AfD-Chef Alexander Gauland will Maaßen dagegen derzeit nicht infrage stellen.
    "Wir werden ja sehen, wie Herr Seehofer den Bericht einschätzt. Und ich hoffe nur, wenn der Bericht Herrn Seehofer zufrieden stellt, dass er das Rückgrat hat, einen Spitzenbeamten auch zu verteidigen. Und zwar auch gegen ungerechtfertigte Angriffe."
    Morgen tagt das Parlamentarische Kontrollgremium und der Innenausschuss, in beiden soll Maaßen sich erklären.

    [*] Anmerkung der Redaktion: In diesem Satz wurde das Verb "distanziert" ersetzt durch "mahnt". Clemens Binninger fühlte sich verkürzt wiedergegeben.