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Verfügung über genetische Daten

Bioethik. – Die Zahl der möglichen Gentests wächst ständig an. Bei dem genauen Blick ins Erbgut verspüren viele ein Unbehagen, fürchten vor allem, dass auch andere in einen Blick in ihre genetischen Karten werfen wollen. Aktuell beschäftigt sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit einem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen. Die Friedrich Ebert Stiftung hat das zum Anlass genommen, auf einer Tagung über die kritischen Aspekte der Gendiagnostik zu sprechen.

Von Volkart Wildermuth | 12.10.2007
    Gentests machen den biologischen Kern eines Menschen sichtbar. Aber sind sie deshalb etwas besonderes? Auf der Tagung der Friedrich Ebert Stiftung antworten viele Experten mit Nein. Thomas Deufel, Professor für Laboratoriumsdiagnostik an der Universität Jena zitiert als Beispiel eine Erbkrankheit des Cholesterinstoffwechsels, bei der auch das Herzinfarktrisiko dramatisch ansteigt. Diese Erbkrankheit lässt sich mit einem Gentest nachweisen, oder einfach über die extremen Cholesterinwerte.

    "Die medizinisch relevante Tatsache ist dieselbe, die Folgen für den Patienten sind dieselben, auch die Folge, wenn diese Disposition bekannt wird seinem Arbeitgeber, ist dieselbe, es ist völlig unsinnig die Mutationsanalyse im Gendiagnostikgesetz zu schützen und die Alltags-Untersuchung Cholesterinmessung hier völlig außen vor zu lassen."

    In diesem Beispiel geht es um ein Erbleiden. Gentests sollen aber auch bei den Volkskrankheiten eingesetzt werden. Hier steht nicht die Diagnose aktueller Symptome im Vordergrund sondern die Vorhersage künftiger Beschwerden. Ein heute völlig Gesunder könnte also erfahren, dass er eine genetische Zeitbombe im Erbgut trägt und vielleicht Jahre später einen Herzinfarkt bekommen wird. Die Nachricht, ein Kranker auf Abruf zu sein, ist psychologisch belastend. Daher sollten Gentests nur nach umfassender Beratung vorgenommen werden. Aber letztlich gilt das zum Beispiel auch für die Messung des Herzinfarktrisikos über Blutwerte oder für einen HIV-Test, meint Professor Peter Proping von der Universität Bonn.

    "Ich finde, aus genetischer Sicht oder aus ärztlicher Sicht ist es nicht vernünftig, eine Regelung an einer Methode festzumachen. Methoden entwickeln sich außerordentlich rasch und eventuell können sie bei einer bestimmten Krankheitsneigung die Krankheitsprädiktion sehr viel besser, vielleicht sogar billiger machen als mit einer eigentlichen genetischen Untersuchung."

    Er plädiert deshalb dafür, kein Gendiagnostik- sonder ein Vorhersage-, ein Prädiktionsgesetz zu verabschieden. Darin wollten ihm die Politiker aber nicht folgen. Sie reagieren auf die Ängste in der Bevölkerung. Ihnen kommt es darauf an, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch auf dem Gebiet der Genetik eindeutig festzuschreiben. Schließlich können sich auch Dritte für die Ergebnisse von Gentests interessieren, Arbeitgeber zum Beispiel.

    "Es gibt also Mailing-Aktionen von Biotechnologiefirmen, die anbieten ausgewählte Mitarbeiter gendiagnostisch suchen zu lassen. Hat aber ausgesprochen wenige Resonanz. Uns ist nichts bekannt geworden","

    sagt Dr. Mathias Dietrich vom Verband Deutscher Betriebsärzte. Betriebsärzte sind wie andere Ärzte auch an die Schweigepflicht gebunden, dem Arbeitgeber dürfen sie nur mitteilen, ob ein Bewerber derzeit gesundheitlich für den Arbeitsplatz geeignet ist. Ausgerechnet der Staat will aber gelegentlich mehr wissen, zum Beispiel eine Erbkrankheit vor der Verbeamtung über einen Gentest ausschließen. Vor Gericht ist er damit bislang gescheitert. Letztlich ging es den Behörden um die Belastung für die Pensionskasse, also um ein Versicherungsproblem. Die Versicherungswirtschaft selbst will bis zum Jahr 2011 auf die Offenlegung der Ergebnisse von Gentests verzichten, solange es nicht um Versicherungssummen über 250.000 Euro geht. Ein gesetzliches Verbot der Nutzung von Gendaten bei Versicherungen lehnen die Unternehmen aber ab. Sie fürchten, dass Menschen, die durch einen Gentest von einem Gesundheitsrisiko erfahren, gezielt hohe Verträge abschließen, zu Lasten der Unternehmen und der anderen Versicherten, die dann letztlich höhere Beiträge bezahlen müssten. Die Diskussion um diese Fragen ist nach wie vor offen. Wie immer sie ausgehen mag, hofft Thomas Deufel aber, dass das künftige Gesetz nicht nur Gentests erfasst, sondern medizinische Information ganz allgemein. Deufel:

    ""Ich denke, wir brauchen gesetzliche Regelungen für prädiktive Diagnostik, wobei wir uns auf die Ziele konzentrieren müssen. Schutz der informationellen Selbstbestimmung, also die Daten müssen dem Patienten gehören, die Entscheidung muss dem Patienten mit überlassen werden, die medizinische Sinnhaftigkeit muss geklärt werden. Und das ist deutlich wichtiger als ein Gendiagnostikgesetz."