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Rüstige Rentner wollen nicht abgestellt und ausrangiert werden. So auch in John Maddens Film "Best Exotic Marigold Hotel". Sie brechen nach Indien auf und treffen auf eine Hotelruine und einen trotteligen Hotelmanager. Ein komödiantischer Konflikt der Kulturen kann nicht ausbleiben.

Von Josef Schnelle | 10.03.2012
    "Sonnengeschützte Balkone, die mit üppigem Komfort verwöhnen. Das gesamte Gebäude bietet ein historisches Ambiente und versetzt Sie zurück in die Zeit des verschwenderischen Prunks der Maharadschas."

    Mit diesen Werbezeilen werden britische Pensionäre nach Jaipur gelockt wo sie die Sonne Indiens und die Pracht der Paläste erwartet und das für einen Bruchteil ihrer Rente im verregneten England. Sogar die Kosten für den Hinflug ist der Besitzer des Best Exotic Marigold Hotels bereit ihnen vorzustrecken. Dieser Film nach dem Bestseller von Deborah Moggach über eine Gruppe von 60- und 70-Jährigen, die in der exotischen Fremde ihr letztes Abenteuer suchen, hat sich Oscarpreisträger John Madden - selbst 62 - als Ausflug ins gerade erst sich durchsetzende Genre des Altenfilms gegönnt. "Seniorenkino" - so nannten die Programmkinos in den 1970er-Jahren, Filmreihen speziell für ein älteres Publikum. Im demografischen Wandel, in dem immer mehr über 50-Jährige das Kino für sich wiederentdecken, während fast sämtliche 20-jährigen lieber am Computer kleben bleiben, versagt selbst die Bezeichnung. Aus Senioren sind längst Best Ager geworden und der spirituelle Traum von Indien als Sehnsuchtsland ist den in die Jahre gekommenen Alt68ern sicher noch aus ihrer aktiven Selbstfindungszeit vertraut. Die Farben mit den speziellen Gelb- und Brauntönen im Zentrum, das strahlende Licht und die südländische Hektik auf dem Markt im Bunde mit einer lässigen Laisser-faire-Mentalität locken verführerisch und fordern zugleich den Umsturz sämtlicher Lebenssicherheiten. Denn vom Phänotyp des "Ruhesitzes" ist das marode Hotel weit entfernt. Natürlich handelt es sich bei diesem Film eher um ein Ensemblestück. Es ist ein Strauß von Geschichten, in denen man sich erst einmal zurechtfinden muss - zum Beispiel in der des rüstigen Bankrotteurs Douglas:
    "Und was verschlägt Sie nach Indien?"
    "Oh, ich habe meine Rente in die Internetfirma meiner Tochter investiert. Sie hatte mir versichert, sobald das Start-Up so richtig startet und übergeht von Virtualität zu Realität und dadurch dann rentabel wird, würde sie uns alles zurückzahlen."
    "Ich versteh nicht Mal was diese Wörter bedeuten." - "Wie sich herausgestellt hat, sie auch nicht."

    Viel versprechen sich die sieben Protagonisten dieser Geschichte anfangs nicht mehr vom Leben und sind überrascht von den neuartigen Anforderungen, dass es plötzlich an sie stellt. Doch alles ist möglich und immer wieder, selbst eine ganz neue und frische Liebe. Das ist die These von Maddens Film, der komische und melodramatische Elemente zu einem kurzweiligen - Pointen-Cocktail angeführt von der Oscarpreisträgerin Judi Dench als mittellose Witwe Evelyn verquirlt. Auch Themen wie Verlust, Einsamkeit und Isolation spielen in diesem Film ihre Rolle und neben dem kalkulierten Kulturschock durch das Ambiente wird die Frage gestellt: wie viel Neubeginn im Alter noch möglich ist. Und zumindest eine Figur ist nach Indien gekommen, um mit einem dunklen Geheimnis aus der Vergangenheit ins Reine zu kommen. Trotzdem behält der Film stets seinen plaudernd-lockeren Grundton. Für John Madden, dem seit seinen sieben Oscars - unter anderem als bester Film - 1998 für den Historienfilm "Shakespeare in Love" im Kino nicht sehr viel gelungen ist, ist "Best Exotic Marigold Hotel" ein spätes Comeback mit perfekter Regie-Handschrift. Als komische Kontrastfigur tritt der indische Hotelmanager Sonny Kapoor auf, dessen Hotel in großen Teilen eher in seiner Fantasie als in Wirklichkeit existiert und der neben allerlei Versprechungen für schnelle Abhilfe der Unzulänglichkeiten auch der stets mit Rat und Tat bereitstehende gute Geist für die sieben Ruheständler ist. Wenn der Schauspieler Dev Patel auftritt - bekannt geworden ist er als Hauptdarsteller in Danny Boyles "Slumdog Millionär" - weht außerdem ein Hauch von "Bollywood" durch den Film.

    "Ich möchte in das andere Hotel. In dieses hier aus der Broschüre."

    "Ms. Anslie, das Leben ist voller Überraschungen. Genau in diesem Hotel sind Sie."
    "Diese Bilder haben Sie doch "gephotoshoppt"

    "Ich biete nur eine Vision der Zukunft an. Natürlich würde ich mir wünschen, es wäre schon Realität aber wir haben ein Sprichwort in Indien: Am Ende ist alles gut und wenn nicht alles gut ist, ist es noch nicht das Ende."