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Vergoldete Videos

"Broadcast yourself" – Sende Dich selbst - lautet das Motto des erfolgreichsten Videoportals "YouTube". Jetzt übernahm der führende Suchmaschinenbetreiber "Google" YouTube, um auch im wachsenden Markt der Internetvideos an die Spitze zu treten.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Marcus Schuler | 14.10.2006
    Manfred Kloiber :In der vergangenen Woche übernahm Google das Videoportal YouTube für mehr als 1,6 Milliarden Dollar und tätigte damit seinen teuersten Zukauf bislang. YouTube, erst letztes Jahr im Februar gegründet, hat mit seinen gerade mal 67 Mitarbeitern einen kurzen und kometenhaften Aufstieg hinter sich. Mit rund 100 Millionen Abrufen pro Tag ist YouTube das führende Video-Portal. Marcus Schuler, wie ist denn der große Erfolg zu erklären?

    Marcus Schuler :Bei YouTube ist es besonders leicht, eigene Videos einzustellen oder die Videos anderer anzusehen, und das alles natürlich kostenlos. Täglich kommen zwischen 60.000 bis 70.000 Videos neu hinzu. Und um mitzumachen, benötigt man im Grunde keinerlei technische Kenntnisse, um seine Filme von der Kamera oder dem Mobiltelefon hochzuladen. Einzige Bedingung: Sie dürfen nicht länger als zehn Minuten sein. YouTube ist ja nicht die einzige Videoplattform im Internet, aber mit einem Marktanteil von schätzungsweise knapp 50 Prozent die größte. Google besitzt ja auch eine eigene Website für Videos, doch ohne Erfolg, sie kommt gerade auf einen Marktanteil von knapp zehn Prozent. Erfolgreich ist YouTube aber vor allem deshalb, weil es die Interaktion der Benutzer untereinander ermöglicht. Ein Beispiel: einer der Stars von YouTube ist ein 69 jähriger Mann aus England, sein Name ist Peter, und der Mann setzt sich regelmäßig vor die Videokamera im heimischen Wohnzimmer, im Hintergrund eine etwas altmodische Tapete. Und er erzählt unglaublich liebenswürdig und rührend aus seinem Leben. Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben sich binnen weniger Wochen die Videos des 79 jährigen angesehen - und die YouTube-Gemeinde hat mit eigenen Videokommentaren wiederum auf die Berichte des Engländers reagiert.

    Kloiber :Dennoch muss man feststellen, dass YouTube mit diesem Geschäftsmodell kein Geschäft macht. Trotzdem ist YouTube für Google sehr interessant. Warum?

    Schuler :Das ist richtig. Experten schätzen sogar, das YouTube pro Monat für den Betrieb der Internetseite eine Million Dollar ausgibt und demgegenüber kaum Einnahmen hat. Ein Analyst bei der Investmentbank Goldman Sachs meint, dass sich Videos im Internet ähnlich rasant entwickeln werden wie einst E-Mails oder die Websuche. Google könnte deshalb genau der richtige Partner für YouTube sein. Denn Google unterhält die meist genutzte und erfolgreichste Suchmaschine im Internet. Um dieses sehr erfolgreiche Produkt herum hat Google in den vergangenen Jahren ein sehr mächtiges Werbe-Netzwerk gesponnen. Denn sucht man via Google, erhält man zum gesuchten Begriff auch gleich die passende Werbeanzeige. Die Google-Kunden zahlen für die Platzierung der Anzeige. Mit diesem Geschäftsmodell, also der Vermarktung von Werbung, funktioniert im Grunde Google und wird in diesem Jahr vermutlich rund zehn Milliarden Dollar erlösen. Dem Unternehmen könnte es gelingen, die Verbindung herzustellen zwischen der klassischen elektronischen Fernsehwerbung und den boomenden Internetvideos. Und Google kann dafür, anders als YouTube mit seinen 67 Mitarbeitern, auf viele hervorragende Spezialisten zurückgreifen. Google könnte Videowerbung im großen Stil einführen und dann nicht nur im Internetmarkt mitverdienen, sondern auch im klassischen TV-Werbemarkt als Vermarkter aktiv werden. Gespräche über Kooperationen laufen bereits, unter anderem mit dem U.S.-Fernsehsender CBS.

    Kloiber :Kann man eigentlich aus den Vorgängen, die in den USA geschehen, Google und YouTube sind ja US-Unternehmen, auch Schlussfolgerungen auf Deutschland ableiten?

    Schuler :Video via Internet wird ja immer wichtiger, das zeigt diese Investitionen ja ganz deutlich. Das ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch eine rein deutsche Version von YouTube geben wird. Gerade in Deutschland haben in den vergangenen Jahren Breitband-Anschlüsse dank DSL und VDSL deutlich zugenommen. Videoinhalte via Internet in Deutschland gibt es aber meist nur als Bezahlangebote zum Herunterladen. T-Online, aber auch Arcor, Pro7 und Sat1 sind hier am Markt aktiv. Eine Schlussfolgerung könnte vielleicht sein, dass sich TV-Sender, aber auch Telekommunikationsunternehmen entschließen, mehr Videoangebote kostenlos anzubieten, sozusagen als Appetithappen für das eigentliche Programmangebot oder als langfristige Chance der Kundenbindung. Vor ein paar Stunden gab es die Meldung, dass Bertelsmann offenbar eine eigene Internet-Community nach dem Vorbild von MySpace plant. Dazu sollen sich Ende der Woche Vertreter von RTL und Sony-BMG treffen. Eventuelle, so kann man spekulieren, wird solch ein Angebot auch eine sehr starke Videokomponente enthalten.