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Vergünstigungen für große Stromverbraucher

Wer trägt den Löwenanteil der Kosten für die Energiewende? Es sind Privathaushalte, Kleinunternehmer und mittelständische Firmen, urteilt die Umweltorganisation Greenpeace.

Dieter Nürnberger im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 14.06.2012
    Susanne Kuhlmann: Wie kommt der Windstrom zu den Verbrauchern? Das ist die eine Frage. die andere heißt: Wer trägt den Löwenanteil der Kosten für die Energiewende? Es sind Privathaushalte, Kleinunternehmer und mittelständische Firmen, urteilt die Umweltorganisation Greenpeace. Große Stromverbraucher seien dagegen weitgehend befreit von Steuern und Umlagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie zahlten also pro Kilowattstunde wesentlich weniger, was ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt gewährleisten solle. Wie gerecht ist dieses System? Greenpeace und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft haben dazu heute Vormittag in Berlin eine Studie veröffentlicht. Dieter Nürnberger, welche Antworten finden sich darin?

    Dieter Nürnberger: Die Hauptaussage ist tatsächlich die, dass es Branchen in Deutschland gibt, die – aus Sicht von Greenpeace – durch Vergünstigungen und Subventionen ihren Industriestrompreis so verringern können, dass sie letztendlich weniger zahlen als andere, auch deutlich weniger als etwa Privatkunden. Und, dass die Begründung für diese Vergünstigen, da werden ja im Wesentlichen Wettbewerbsargumente angeführt, nicht immer zutreffen würden.

    Letztendlich kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung jährlich neun Milliarden Euro an staatlichen Subventionen und finanziellen Vorteilen der energieintensiven Industrie gewährt – einige diese Vergünstigungen aus Wettbewerbsgründen aber gar nicht nötig hätten.

    Kuhlmann: Können Sie da Beispiele nennen – welche Branche bekommt denn eine nachvollziehbare Vergünstigung und welche nicht?

    Nürnberger: Diese Ausnahmeregelungen sind natürlich sehr komplex, und die Studie sagt auch, dass allein die Definition eines energieintensiven Betriebes nicht eindeutig ist.

    Beispielsweise wird die Papierindustrie aufgeführt. Hier gibt es auf jeden Fall einen erhöhten Strombedarf, der durch die Holz- und Zellstoffverarbeitung begründet ist. In dieser Branche wird einzelnen Unternehmen eine Reduzierung bei der EEG-Umlage gewährt. Allerdings gehöre diese Branche eben nicht unbedingt zum sehr energieintensiven Bereich. Der Anteil der Stromkosten an den Produktionskosten liege bei 7,3 Prozent. Wenn hier der Strompreis um zehn Prozent nach oben ginge, dann würden sich die hergestellten Produkte eigentlich nur unwesentlich verteuern, so die Aussage der Studie. Hinzu komme, dass die Deutsche Papierindustrie sehr wohl auf den Weltmärkten gut aufgestellt sei und auch prosperiere, so dass die hier gewährten Vergünstigungen unnötig seien, so zumindest die Einschätzung der Experten vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.

    Es gibt aber auch Beispiele, in denen mehr oder weniger anerkannt wird, dass hier Subventionen nötig sind. Zu nennen wäre etwa die Aluminium-Produktion. Hier liegen die Anteile der Stromkosten am Endprodukt wirklich recht hoch – um die 40 Prozent. Und da ist günstiger Strompreis natürlich ein Argument auf den Weltmärkten.

    Kuhlmann: Woraus genau bestehen diese Vergünstigungen beim Industriestrompreis?

    Nürnberger: Das sind Ausnahmeregelungen, die beispielweise die Stromsteuer betreffen, die Konzessionsabgabe, natürlich auch die EEG-Umlage oder Netznutzungsentgelte, Beschaffungskosten etc. – also sehr viele jener Aspekte, aus denen sich der Strompreis letztendlich zusammensetzt.

    Kuhlmann: Wie bewertet Greenpeace politisch die Studie?

    Nürnberger: Greenpeace fordert auf jeden Fall eine passgenauere Bewertung dieser Vergünstigungen. Nicht alle Branchen, die diese derzeit erhielten, seien aufgrund ihrer Energiesituation wirklich förderungstauglich oder berechtigt.

    Man sieht auch ein Problem für die weitere Entwicklung der Energieintensität in den Betrieben: Wenn Strom vergleichsweise billig bezogen werden könne, dann, so die Befürchtung der Umweltorganisation, würden die Betriebe weniger Anstrengungen im Bereich der Sparsamkeit oder einer besseren Energieeffizienz zeigen. Und ohne Verbesserungen bei der Energieeffizienz weniger Fortschritte beim Klimaschutz - den sich die Bundesregierung ja mit recht ehrgeizigen Zielen auf die Fahnen geschrieben hat.

    Hinzu kommt, dass derzeit ja auch die Umlage für die erneuerbaren Energien in der Diskussion ist. Die drastischen Kürzungen etwa bei der Solarförderung werden auch mit einem Kostenargument begründet. Innerhalb dieser Diskussion sollten daher die Vergünstigungen für die Industrie mehr beachtet werden.