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Verhältnis von Anglikanern und Katholiken bleibt "angespannt"

Benedikt XVI., ein katholischer Papst, besucht Großbritannien - keine Selbstverständlichkeit im Land der Anglikaner. Hinzu kommt, dass die Skandale um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche durchaus eine Rolle im Verhältnis der Religionen spielen, sagt Bernhard Maier.

17.09.2010
    Christoph Heinemann: Benedikt XVI. hat gestern in Glasgow die erste Messe bei seinem viertägigen Staatsbesuch in Großbritannien gefeiert.
    Gregor XVI. im Lande Heinrichs VIII. – der Tudor-König brach im 16. Jahrhundert mit Rom und gründete seine Kirche, die Anglikanische. Und was es mit dieser auf sich hat, fragte mein Kollege Christian Bremkamp den Tübinger Religionswissenschaftler Professor Bernhard Maier.

    Bernhard Maier: Ja, die Anglikanische Kirche geht auf das 16. Jahrhundert zurück, auf die Abspaltung von der Katholischen Kirche unter Heinrich VIII.. Das stand damals, also in den 1530er-Jahren, im Zusammenhang mit der Schaffung einer starken englischen Monarchie und natürlich auch im Zusammenhang mit der Reformation auf dem Kontinent.

    Christian Bremkamp: Welche Rolle spielen denn die Katholiken im heutigen Großbritannien?

    Maier: Sie sind eine Minderheit und es hat eine sehr wechselvolle Geschichte gegeben, bedingt eben durch die Geschichte dieser Abspaltung. Es gab in England, später in Großbritannien mehrfach Versuche, die Monarchie sozusagen wieder zu katholisieren, das Land wieder zu katholisieren, und dagegen gab es dann gesetzliche Bestimmungen. Die Gleichberechtigung, also die gesellschaftliche und politische Gleichberechtigung der Katholiken wurde dann tatsächlich erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt.

    Bremkamp: Gibt es andere Konfessionen von Bedeutung?

    Maier: Ja. Es gibt natürlich in Großbritannien jetzt starke regionale Unterschiede, das ist eine Sache, und es gibt natürlich auch zunächst innerhalb der Church of England, der Anglikanischen Kirche, verschiedene Strömungen und dann auch sehr viele freikirchliche Gruppen.

    Bremkamp: Die "Frankfurter Rundschau" titelte im Zusammenhang mit dem Papstbesuch, "Zu Gast bei Fremden". Wie angespannt ist das Verhältnis zwischen Anglikanischer und Katholischer Kirche?

    Maier: Das ist wohl in den letzten Jahren wieder etwas stärker angespannt gewesen, unter anderem auch deswegen, weil die Katholische Kirche hier sich nicht allzu sehr um eine Annäherung bemüht hat. Der erste Papstbesuch, der damals ja noch inoffiziell war, war ja 1982, damals noch unter Johannes-Paul II.. Das war noch kein offizieller Staatsbesuch.
    Eine Rolle spielen natürlich auch die Skandale um Missbrauch, um Pädophilie innerhalb der Katholischen Kirche, was auch in Großbritannien sehr stark beachtet wurde und ja auch in Irland eine große Rolle gespielt hat.

    Bremkamp: Erst kürzlich soll ein Vertrauter des Papstes gesagt haben, Großbritannien ähnele einem Land der Dritten Welt.

    Maier: Ja. Diese Äußerung wurde natürlich inzwischen auch als stark überzogen und despektierlich kritisiert. Es bezog sich, wie ich annehme, auf die in Großbritannien deutlich stärker wahrnehmbare Säkularisierung und letztlich auch auf den sehr viel stärker pluralistischen Charakter, also auch in religiöser Hinsicht pluralistischen Charakter der britischen Gesellschaft.

    Bremkamp: Für Sonntag ist die Seligsprechung des von der Anglikanischen Staatskirche zum Katholizismus konvertierten Kardinals John Henry Newman geplant, der im 19. Jahrhundert in Großbritannien wirkte. Welche Bedeutung messen Sie dieser Seligsprechung bei?

    Maier: Ja, das wird sicherlich von unterschiedlichen Gruppen ganz unterschiedlich wahrgenommen, also von katholischer und auch von anglikanischer Seite. Newman war ein Repräsentant der sogenannten Oxford-Bewegung, also einer Gruppe innerhalb der englischen Kirche, die sich sehr stark für die Orientierung an der alten Kirche, also letztlich auch am Katholizismus eingesetzt hat, und er ist ja letztlich auch übergetreten zur Katholischen Kirche. Bis heute gibt es dann innerhalb der Anglikanischen Kirche eben diese unterschiedlichen Strömungen. Das heißt, die eine Seite setzt sich stärker für die Anlehnung an die alte Kirche, an den Katholizismus ein, und die andere Seite stärker für eine protestantische Ausrichtung.

    Bremkamp: Der Staatsbesuch des Papstes hat in Edinburgh begonnen, in Schottland also, nicht in London. Bezüglich der Konfessionen, gibt es in Großbritannien auch regionale Unterschiede?

    Maier: Ja, das ist sehr deutlich ausgeprägt. Natürlich muss man wie gesagt dazu sagen, dass das alles heute doch sehr stark nivelliert ist und auch nicht mehr die Bedeutung hat, die es früher einmal hatte. Aber es ist schon so, dass Schottland traditionell eine andere Geschichte hat, seit der Reformation. Dort herrschte lange eine presbyterianische Kirchenverfassung vor, während die Anglikanische Kirche ja ein Bischofssystem hat. Es ist auch so, dass in Schottland auch eben der Katholizismus sehr stark verwurzelt ist. Verschiedentlich gab es im 18. Jahrhundert Bestrebungen, von Schottland aus den Katholizismus wieder im ganzen englischen Reich einzuführen. Also das ist schon ein wichtiger Unterschied, den man beachten sollte. Auch Wales beispielsweise hat eine eigene Geschichte. Seit der Industrialisierung sind dort beispielsweise Methodisten, Baptisten sehr viel stärker verbreitet als in vielen anderen Regionen.

    Heinemann: Der Tübinger Religionswissenschaftler Professor Bernhard Maier im Gespräch mit meinem Kollegen Christian Bremkamp.