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Verhandlung in Karlsruhe
Umstrittenes Mandat der EZB

Die Euro-Krise hat viele Fragen aufgeworfen - auch über die Befugnisse der EZB. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt nun erneut über ein Programm der Zentralbank. Mit diesem will man notfalls Anleihen kriselnder Euro-Staaten kaufen. Vorwurf der Kläger: Die EZB überschreite ihr Mandat und finanziere Staaten über die Notenpresse.

Von Brigitte Scholtes und Jörg Münchenberg | 15.02.2016
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank
    Drei Buchstaben - viel Ärger: Die EZB (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Drei Buchstaben - viel Ärger
    Es ist wohl der berühmteste Satz, den ein Präsident der Europäischen Zentralbank jemals geäußert hat. Und keiner ist – zumindest im Rückblick – zugleich so umstritten. Im Juli 2012 – auf dem Höhepunkt der Eurokrise – machte Mario Draghi bei einer Rede in London unmissverständlich klar, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats alles tun werde, um den Euro zu erhalten. Und als Warnung an die Märkte schickte der Italiener noch den Zusatz hinterher – Glauben Sie mir, es wird reichen.
    Nur kurze Zeit später, im September des gleichen Jahres, schob die EZB ein entsprechendes Programm zu Draghis Ankündigung nach. OMT, Outright Monetary Transactions. Demnach war die Zentralbank bereit, bei einem gefährlichen Anstieg der Kreditzinsen für einzelne Euroländer Anleihen dieser Staaten am sogenannten Sekundärmarkt, also von privaten Investoren zu kaufen, um so die Kreditkosten zu senken.
    EZB-Präsident Mario Draghi.
    EZB-Präsident Mario Draghi: "Alles tun, um den Euro zu erhalten." (AFP / Daniel Roland)
    Der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, stimmte damals als Einziger im EZB-Rat gegen das Vorhaben. Denn OMT sei letztlich nichts anderes als Haushaltspolitik über die Notenpresse.
    "Und als Notenbank ist die Finanzierung von Staaten in den Verträgen verboten. Und zwar aus guten Gründen. Weil sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass diese Politik Begehrlichkeiten weckt, die ja am Ende die Aufmerksamkeit auf das Ziel der Preisstabilität gefährden können".
    Immerhin gab es einige Zugeständnisse: Demnach mussten Krisenländer, bevor OMT starten konnte, einen Antrag beim Rettungsschirm ESM stellen und sich einem Reformprogramm unterwerfen.
    Die Kritiker überzeugte das nicht. Sie zogen vor das Bundesverfassungsgericht, obwohl das OMT-Programm bis heute noch nie aktiviert worden ist. Doch die Kläger wie etwa der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler forderten eine grundsätzliche Klärung mit dem Ziel, die EZB in die Schranken zu weisen:
    "Zunächst erwarte ich, dass der Europäischen Zentralbank klare verfassungsmäßige Grenzen gezogen werden. Die Europäische Union ist ein Bündnis von souveränen Staaten. Und die Instanzen der Europäischen Union, zu der auch die Europäische Zentralbank gehört, müssen sich an einen Rahmen bindender Verträge halten. Wenn sie diesen Rahmen sprengt, müssen die jeweils rechtsstaatlichen Gerichte der Mitgliedsländer dem entgegen treten".
    Erster und zweiter Richterspruch
    Karlsruhe erkannte zwar ebenfalls eine mögliche Kompetenzüberschreitung der EZB, gab aber den Rechtsstreit zunächst zur Klärung weiter an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.
    Der wiederum fällte im Sommer letzten Jahres sein kaum überraschendes Urteil: Draghis Rettungsprogramm ist rechtens – was wiederum bei der Europäischen Zentralbank mit großer Zufriedenheit registriert wurde. EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch:
    "Wir als Europäische Zentralbank bewegen uns im Rahmen der Europäischen Rechtsprechung".
    Doch das Grundsatzurteil des EuGH enthält auch einige Einschränkungen: Demnach unterliegt auch die Europäische Zentralbank grundsätzlich der juristischen Kontrolle, bewegt sich also nicht im rechtsfreien Raum. Zulässig sei das OMT-Programm, wenn es denn aktiviert werden sollte, zudem nur dann, wenn die angeschlagenen Staaten nicht durch die Notenpresse finanziert würden.
    Deshalb, so der EuGH, sei es zwingend, dass es eine Mindestfrist zwischen der Ausgabe von Staatsanleihen und dem Aufkauf solcher Titel durch die EZB am Primärmarkt gebe. Außerdem dürfe die Bank vorher nicht das Volumen der geplanten Aufkäufe bekannt geben.
    Unter dem Strich aber – und das ist letztlich entscheidend – sei das OMT-Programm durch das Mandat der Europäischen Zentralbank gedeckt. Ein richtiges Urteil, meint dazu der Chefvolkswirt der europäischen Denkfabrik European Policy Center, Fabian Zuleeg:
    "Ich denke, aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist es klar, dass das Geldpolitik ist. Es ist keine Fiskalpolitik. Es geht nicht darum, Krisenländer direkt zu finanzieren. Es geht darum, den Währungsraum der Eurozone sicherzustellen. Man darf natürlich nicht vergessen, dass die Kläger auch geklagt haben, weil sie im Prinzip gegen den Euro sind. Da geht es nicht genau darum, was die Europäische Zentralbank macht. Sondern dass die Europäische Zentralbank existiert".
    Wobei freilich auch strikte Eurobefürworter wie etwa Bundesbankchef Jens Weidmann das OMT-Programm ablehnen.
    Die nächste Instanz
    Die unterlegenen Kläger wie etwa Peter Gauweiler hoffen nun auf die Karlsruher Richter, die in diesem Rechtsstreit das letzte Wort haben werden. Morgen beginnt die mündliche Verhandlung:
    "Das Bundesverfassungsgericht hat aber die letzte Entscheidung. Dies hat es in seinem Vorlagebeschluss ausdrücklich bestätigt. Der EuGH widerspricht dieser Auffassung. Wir haben also einen klassischen Gerichtskonflikt. Der wird, solange das Grundgesetz in Deutschland noch Geltung hat, von Karlsruhe gelöst werden."
    Wie weit aber reicht die Macht der Karlsruher Richter? Können sie wirklich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Frage - und ihre Auslegung über europäisches Recht stellen? Das ist ein heikles Problem für das Bundesverfassungsgericht, erklärt Heike Schweitzer, Professorin für Europäisches Wirtschafts- und Ordnungsrecht an der Freien Universität Berlin. Denn der EuGH interpretiere das Unionsrecht im Grundsatz abschließend.
    "Das ist auch erforderlich, damit die EU als Rechtsgemeinschaft existieren kann. Es ist auch erforderlich, damit die Bereitschaft aller 28 Mitgliedsstaaten, dies im Prinzip und eben bis zur Grenze des Vertretbaren zu akzeptieren. Man kann seine eigene Rechtstradition nicht uneingeschränkt auf die Europäische Gemeinschaft übertragen wollen. Anderenfalls würde dieses System auseinanderbrechen. Insofern ist diese Autorität des EuGH eine ganz wichtige. Sie war in ganz vielen Fällen in der Vergangenheit auch die größte Stärke der EU und hat dazu geführt, dass die EU sich zu dem entwickelt hat, was sie heute ist: Das haben wir in ganz wesentlichen Aspekten dem EuGH selbst zu verdanken. Und man sollte dies keineswegs leichtfertig aufs Spiel setzen."
    Damit stehe der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts von morgen an vor der Frage, ob die europäische Rechtsauslegung der eigenen entgegenstehe:
    Natürlich sind die Maßstäbe, die das Verfassungsgericht anlegen muss, zunächst mal rechtliche Kriterien. Trotzdem ist dies natürlich auch eine Entscheidung mit politischen Implikationen. Die Frage, die das Verfassungsgericht zu beantworten hat, ist: Sind diese - aus Sicht des Verfassungsgerichts – Verstöße gegen das Unionsrecht so gravierend, dass sie die Grundlage des deutschen Zustimmungsgesetzes zu den Unionsverträgen sind, dass mit der Sichtweise des EuGH Deutschland diesem System der Europäischen Währungsunion nicht hätte beitreten dürfen?
    Das wäre Sprengstoff für die Europäische Währungsunion. Darum also geht es letztlich, wenn die Karlsruher Richter am Dienstag das Verfahren wieder aufnehmen. Auch wenn im Vordergrund die rechtliche Einschätzung darüber steht, ob das Bundesverfassungsgericht das OMT-Programm als sogenannten "Ultra-Vires-Akt" der EZB erkennt, ob die Zentralbank damit also ihre Befugnisse überschritten hat.
    Der Auftrag der EZB
    Die Notenbank argumentiert, sie dürfe bei einer Störung des "monetären Transmissionsmechanismus" agieren. "Monetärer Transmissionsmechanismus", das bedeutet: Die Geldpolitik muss in allen Mitgliedsländern ihre Wirkung entfalten können. Ist das nicht der Fall, so lautet das Selbstverständnis der EZB, dann müsse sie alles tun, um diesen Mechanismus wieder in Gang zu bringen.
    Das leuchtende Euro-Zeichen steht während der Nacht vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
    Was ist das wirkliche Ziel der EZB-Geldpolitik? (afp / Daniel Roland)
    Mit dieser Interpretation kann sich Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie und Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, nicht anfreunden:
    "Das ist erst einmal das Pferd von hinten aufgezäumt: Denn einheitlich ist in der Geldpolitik die Währung, der Leitzins, das Ziel, aber nicht die Wirkung in jedem Land. Es hängt von vielen Faktoren ab, z.B. wie die Wirtschaft aufgestellt ist in einem bestimmten Land, welche Sektoren dominieren oder was die Preisbildung beeinflusst. Es gibt ganz viele Faktoren, die den monetären Transmissionsmechanismus beeinflussen, und deshalb ist es sehr unterschiedlich. Und zum einen wäre es der EZB kaum möglich, das exakt gleich in allen Ländern zu machen, zum anderen gibt es der EZB eine Rechtfertigung für viele Maßnahmen, die noch viel mehr in die Wirtschaftspolitik eingreifen würden als die OMT-Ankündigung. Deshalb ist der EuGH völlig übers Ziel hinausgeschossen, da fehlt eine wirklich gute ökonomische Analyse, um das Urteil zu stützen."
    Diese ökonomische Analyse habe das Bundesverfassungsgericht im ersten Teil des Verfahrens versucht, als es Experten unter anderem von EZB und Deutscher Bundesbank angehört habe, sagt Wieland:
    "Im Urteil selbst hat das Bundesverfassungsgericht ja nicht die OMT generell als Rechtsbruch bezeichnet, sondern einen Kompromissvorschlag vorgestellt, und dieser Kompromissvorschlag wurde vom EuGH gar nicht mal beachtet."
    Der Grund hierfür könnte ein Kompetenzgerangel zwischen den beiden Verfassungsgerichten sein. Denn einige Fachleute zweifeln, ob das Bundesverfassungsgericht die Klagen überhaupt hätte zulassen dürfen. So auch Marcel Fratzscher, er ist Präsident des DIW, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung:
    Das Bundesverfassungsgericht hätte eigentlich diesen Fall gar nicht hören sollen, sondern hätte ihn eigentlich ans EuGH weiterreichen müssen. Denn hier handelt es sich um europäisches Recht, nicht um deutsches Recht.
    In seiner Entscheidung zum OMT-Programm habe sich der EuGH eng an die Europäischen Verträge gehalten, glaubt Fratzscher, in denen sei als das vorrangige Mandat der EZB das der Preisstabilität definiert. Und es sei der EZB erlaubt, auf Sekundärmärkten Staatsanleihen zu kaufen:
    "Das steht explizit drin in den Verträgen, und so gesehen tut die EZB nichts, was verboten ist, was illegal ist. Das, was das Bundesverfassungsgericht moniert, ist, dass es auch ein Verbot der monetären Staatsfinanzierung gibt. Und die EZB darf den Ländern, den Regierungen nicht helfen bei der Finanzierung ihrer Schulden. Hier liegt die große Frage: Was ist denn wirklich das Ziel der EZB-Geldpolitik? Für mich ist das die Schlüsselfrage. Viele deutsche Wissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler und auch das Bundesverfassungsgericht sagen, die EZB macht monetäre Staatsfinanzierung, weil sie das Ziel hat, den Staaten die Schulden zu erleichtern. Das halte ich für vermessen. Denn wer sagt denn wirklich, was die Intention, was die Absicht der EZB ist? Das ist also eine Unterstellung zu sagen, es geht der EZB gar nicht um das Ziel Preisstabilität, sondern es geht ihr in der Politik lediglich darum, die Schulden für die Mitgliedsländer tragbarer zu machen."
    Und genau diese Sorge äußert der Wirtschaftsweise Volker Wieland:
    "Das Problem mit dem EuGH-Urteil ist natürlich, dass es das Mandat der EZB soweit entgrenzt, dass letztlich der Stabilitätspfeiler, den wir benötigen, und das ist in diesem Fall die Nicht-Beistandsklausel, die no-bail-out-Regel und eben das Verbot der monetären Staatsfinanzierung ausgehebelt wird. Und auch die Trennung von Geldpolitik und Wirtschaftspolitik: Die Geldpolitik darf ja nur unterstützend wirken, aber nicht die Wirtschaftspolitik ersetzen."
    Alle Maßnahmen der EZB aber seien darin begründet, dass sie versuche, ihrem Auftrag, ihrem Mandat der Preisstabilität nachzukommen, kontert Fratzscher. Sie habe es seit drei Jahren nicht geschafft, die Preissteigerung bei knapp unter zwei Prozent zu halten. Denn Inflation ist ja weit und breit nicht zu erkennen:
    "Die EZB ist also nach den europäischen Verträgen dazu verpflichtet, alles, was in ihrer Macht steht und rechtlich legal ist, in ihren Instrumenten zu nutzen, um das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. Letztlich das, was die Kritiker der EZB heute fordern ist, die EZB möge bitte ihr Mandat mal eine Zeitlang ignorieren und andere Ziele verfolgen. Den Kritikern ist es also wichtiger, die richtigen Anreize für die Regierungen zu setzen, dass sie eine bessere Fiskalpolitik und Strukturreformen machen, als das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen. Das, was viele deutsche Kritiker von der EZB wollen, ist letztlich eine Aufforderung zum Mandatsbruch. Und da liegt mein Problem der deutschen Kritik."
    Worum es noch geht
    Der Auseinandersetzung liegt also auch ein Grundsatzstreit der Ökonomen zugrunde. Und da stehen vor allem einige deutsche Wissenschaftler und die Bundesbank auf der einen, die meisten europäischen und auch amerikanischen Ökonomen auf der anderen Seite. Die einen mahnen, die EZB dürfe nur geldpolitisch aktiv sein, sich nicht in die Wirtschaftspolitik einbinden lassen. Sie sei dazu auch nicht demokratisch legitimiert. So sagt einerseits der Wirtschaftsweise Volker Wieland:
    "Mit diesem Urteil des EuGH könnte man im Gegenteil nun rechtfertigen, die EZB müsste unbegrenzt Nothilfen tolerieren, um eben dafür zu sorgen, dass der monetäre Transmissionsmechanismus in Griechenland trotz der Konfliktpolitik seiner Regierung ganz genau so funktioniert wie in Deutschland."
    Während DIW-Präsident Marcel Fratzscher argumentiert, die Geldpolitik der EZB müsse auf die Eurozone insgesamt ausgerichtet sein:
    "Das ist die Aufgabe der EZB. Das heißt aber auch im Umkehrschluss: Das, was im deutschen Interesse wäre, in unserem ganz engen nationalen Interesse, auch nicht das Ziel der EZB sein darf. Wir haben nun mal eine Politik für die gesamte Eurozone, und die EZB muss alle Länder zusammen berücksichtigen als Teil der Eurozone. Und das versucht sie in ihrer Politik. Klar, einige Länder würden sich eine expansivere Geldpolitik der EZB wünschen, manche in Deutschland eine weniger expansive Geldpolitik. Und die EZB versucht es letztlich, hier einen Kompromiss zu finden und das Richtige für Europa zu tun und nicht für einzelne Länder."
    Stellvertretend für diesen Streit also steht das OMT, das Staatsanleihekaufprogramm, das bisher nie zur Anwendung gekommen ist.
    Deshalb ist die Auseinandersetzung darüber für die Finanzmärkte auch eher nebensächlich, meint Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Diba. Wegen des anstehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts könne vielleicht kurz Unruhe aufkommen, aber:
    "Das OMT würde niemals benutzt, das OMT ist mittlerweile auch abgehakt, wir haben ein ganz anderes Programm, wir haben auch ganz andere Probleme. Ich denke, dass es auch wirklich mehr eine Geschichte für Deutschland ist, wo man immer noch hofft, dass man sich an Regeln festhalten kann, dass man sich an Gesetzen festhalten kann, dass aber leider Gottes die Komplexität der Wirtschaft und der Finanzkrise im Augenblick so stark ist, dass man die nicht mehr mit Regeln lösen kann, sondern doch mit Pragmatismus. Das werden wir in Deutschland noch lernen müssen."
    Zwischen Rechtsauslegung und Folgenabwägung
    Aber nicht nur unter Ökonomen, auch unter deutschen Juristen zweifelt man, ob das Bundesverfassungsgericht wegen des OMT einen grundsätzlichen Streit mit dem übergeordneten europäischen Verfassungsgericht vom Zaun brechen wird. So etwa Christoph Moes, Notar aus Augsburg:
    "Wie kommt man aus der Nummer also wieder raus? Die Vorlage wurde vom EuGH abgebügelt, und zwar, notabene, mit einer Begründung, die im Vergleich zu den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Vorlagebeschluss juristisch eher unterirdisch anmuten mag, aber in Sachen Respekt vor den Unwägbarkeiten politischer Makroentwicklungen doch eine tiefere Weisheit erkennen lässt. Es gilt nun auch für Karlsruhe, dorthin zurückzufinden", schreibt Christoph Moes auf dem unter Verfassungsrechtlern hoch geschätzten verfassungsblog.de.
    Die Richterbank am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
    Wie weit reicht die Macht der Karlsruher Richter? (imago/Stockhoff)
    Das Dilemma für die Karlsruher Richter: Wenn sie dem EuGH uneingeschränkt folgen, gäben sie sämtliche Kontrollmöglichkeiten aus der Hand, erklärt Heike Schweitzer von der FU Berlin:
    "Mit Blick auf das Verbot der Staatsfinanzierung ist die Interpretation so eng, dass man sich dann nicht mehr vorstellen könnte, welche Maßnahme jetzt noch gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen könnte, ausgenommen direkter Ankauf von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt."
    Das Urteil des EuGH deswegen nicht anzuerkennen, könnte mehr anrichten als ein Zerwürfnis zwischen Gerichten. Es könnte den Zusammenhalt der EU weiter schwächen, die derzeit mit vielen weiteren politischen Konflikten umzugehen hat. Der bevorstehende EU-Gipfel hat eine schwierige Agenda.
    Angesichts dieser Situation werde Karlsruhe diesen Schritt auch nicht gehen wollen, glaubt die Juristin Schweitzer. Aber es gebe vielleicht einen Weg dazwischen:
    "Schließlich wäre eben die Möglichkeit, im Ergebnis zu folgen dem EuGH, zu sagen, das OMT-Programm ist unter den Bedingungen, die auch der EuGH formuliert, also begrenztes Volumen des Programms, zulässig, aber wir distanzieren uns von der Begründung des EuGH. Wir legen die Vorschriften einerseits betreffend die Zuständigkeit der EZB, andererseits betreffend das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, eigenständig aus. Und an diesen Maßstäben, die wir hier festlegen, werden wir auch in Zukunft die Maßnahmen kontrollieren."
    Diese Kontrolle wäre etwa nötig für den Fall, dass der Deutsche Bundestag womöglich doch noch einmal über Hilfszahlungen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM entscheiden müsste. Die Zustimmung des Parlaments dazu ist nämlich in Deutschland zwingend vorgeschrieben.
    Bei der EZB jedoch dürfte man aufatmen, sollte Karlsruhe solch eine Kompromissformel aussprechen. Denn die anhaltende rechtliche Diskussion um die Rolle und Befugnisse der Währungshüter habe deren Ansehen vor allem in Deutschland geschadet, meint DIW-Präsident Marcel Fratzscher:
    "Die Wahrnehmung der EZB-Geldpolitik ist: Die EZB macht zu viel, sie ist zu expansiv, die Zinsen sind zu niedrig. Ich verstehe diese Kritik, denn natürlich geht es der deutschen Wirtschaft sehr viel besser als unseren europäischen Nachbarn, aber gerade deshalb: Damit eine Zentralbank effektiv agieren kann, braucht sie Glaubwürdigkeit, braucht sie den Respekt der Finanzmärkte, aber auch der Unternehmer und ihrer Bürger. Deshalb hoffe ich sehr, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof akzeptiert und damit nicht weiter Öl in die Flammen gießt, die diese Glaubwürdigkeit weiter schädigt."