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Verhandlung über Versailler Vertrag

Heute vor 90 Jahren trafen sich die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zur Pariser Friedenskonferenz. Knapp über ein Jahr lang sollten Delegationen aus 27 Ländern tagen, um den Friedensvertrag von Versailles und die sogenannten Pariser Vorortverträge zu verhandeln.

Von Hans Woller | 18.01.2009
    Klirrende Kälte lag über Paris an diesem 18. Januar 1919, als 70 Delegierte aus 27 Nationen ihre Plätze suchten, am u-förmig aufgestellten Konferenztisch, unter schweren Kronleuchtern im Uhrensaal des französischen Außenministeriums. Schon zu Beginn war klar, dass die Verhandlungen von den "Großen Vier" bestimmt sein würden: Amerikas Präsident Wilson, Großbritanniens Premier Lloyd George, dem italienischen Regierungschef Orlando und Frankreichs Premierminister Clemenceau, der den Vorsitz der Friedenskonferenz übernahm.

    Die besiegten Mittelmächte wurden am Verhandlungstisch nicht zugelassen, auch Russland war nicht vertreten - Armenier und Georgier aber hatten Delegationen entsandt und ein gewisser Ho Tschi Minh übergab kurz nach Eröffnung der Konferenz einem Mitarbeiter von Woodrow Wilson die "Acht Forderungen des anamitischen Volkes".

    Die Erwartungen an den amerikanischen Präsidenten, der ein Jahr zuvor seinen 14-Punkte-Plan verkündet hatte, waren enorm. Frankreich erklärte den Tag seiner Ankunft in Paris zum Feiertag. Wilsons Hauptanliegen, die Schaffung eines Völkerbundes zur künftigen Friedenssicherung, sowie die Prinzipien des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und des Minderheitenschutzes stießen in weiten Teilen der Welt auf lebhaftes Interesse. Entsprechend begrüßte ihn Frankreichs Staatschef Poincaré bei der Friedenskonferenz mit den Worten:

    "Sie halten die Zukunft der Welt in ihren Händen."

    Der damals 36-jährige Ökonom John Maynard Keynes, Mitglied der britischen Delegation, notierte aber:

    "Zu Beginn der Konferenz glaubte man, der Präsident habe ein echtes Projekt, nicht nur für den Völkerbund, sondern auch, um den 14-Punkte-Plan in einen detaillierten Friedensplan umzuwandeln. In Wahrheit hatte der Präsident aber nichts vorgesehen."

    Dies sollte der französische Premierminister Clemenceau im Laufe der monatelangen Verhandlungen ausnützen. In seiner Strategie stand die künftige Sicherheit Frankreichs und die größtmögliche Schwächung Deutschlands an erster Stelle. Angesichts der Stimmung im eigenen, ausgebluteten Land, mit seinen auf Jahrzehnte hinaus verwüsteten Regionen, konnte der Tiger von einem Versöhnungsfrieden, wie ihn Amerikaner und Briten anstrebten, nichts wissen wollen. Keynes schrieb:

    "Es ist die Politik eines alten Mannes, dessen Eindrücke und Ideen der Vergangenheit angehören und nicht der Zukunft. Er betrachtet alles nur vom Gesichtspunkt Frankreichs und Deutschlands aus, und nicht von dem der Menschheit und der europäischen Kultur, die eine neue Ordnung anstreben."

    Die Friedensmacher taten sich im Streit um ihre Interessen auch mit der europäischen Geografie schwer: Wilson sah die nordfranzösische Stadt Lille am Rhein liegen, ein Delegierter hielt Belgrad für die Hauptstadt Bulgariens, Marschall Foch Köln für einen Eisenbahnknotenpunkt in der Pfalz.

    "Bitte helfen Sie mir, ist es Ober - oder Niederschlesien, das wir abtreten sollen","

    sagte Lloyd George eines Tages hörbar zu seinem Privatsekretär.

    Die Pariser Friedenskonferenz sollte - bis auch die letzten Vorortverträge unterschriftsreif waren - am 21. Januar 1920, nach über einem Jahr zu Ende gehen.

    Am 7. Mai 1919 waren die Vertreter des Deutschen Reichs nach Versailles bestellt worden, um den Entwurf des Friedensvertrags entgegen zu nehmen. Demnach musste Deutschland ein Siebtel seines Gebiets und ein Zehntel seiner Bevölkerung sowie alle Kolonien abtreten, verlor ein Drittel der Kohle - und drei Viertel der Erzvorkommen, musste die Alleinschuld am Krieg übernehmen und sich zu Reparationszahlungen für die Kriegsschäden verpflichten.

    Fünf Wochen lang versuchte die deutsche Seite, die Bedingungen abzumildern, Reichsministerpräsident Scheidemann sprach den Satz:

    ""Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in diese Fessel legt."

    …und trat zurück. Wenig später, nach dem von der Friedenskonferenz gestellten Ultimatum und fünf Tage vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrags, sprach Scheidemanns Nachfolger, Gustav Bauer (SPD), vor der Nationalversammlung:

    "Hier wird ein besiegtes Volk an Leib und Seele vergewaltigt, wie kein Volk je zuvor. Meine Damen und Herren. Kein Protest heute mehr. Unterschreiben wir. Einen neuen Krieg können wir nicht verantworten. Wir sind wehrlos, wehrlos ist aber nicht ehrlos. Gewiss, jene wollen uns an die Ehre. Aber, dass dieser Versuch der Ehrabschneidung einmal auf die Urheber selbst zurückfallen wird, dass es nicht unsere Ehre ist, die bei dieser Welttragödie zugrunde geht, das ist mein Glaube bis zum letzten Atemzug."

    Die Empörung gegen einen Friedensvertrag, den die Mehrheit der Deutschen als Schmach empfand und über dessen folgenschwere Unzulänglichkeiten sich damals viele Zeitgenossen einig waren.

    "Man kann sagen, dass dieser Friedensvertrag den ewigen Krieg organisiert","

    kritisierte der Historiker Jacques de Bainville und Marschall Foch kommentierte:

    ""Das ist kein Frieden, das ist ein zwanzigjähriger Waffenstillstand."