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Verhandlungen mit der EU
Großbritannien will die Notbremse

Der britische Premierminister David Cameron verhandelt derzeit mit EU-Ratspräsident Donald Tusk über eine Reform der Europäischen Union. Der neueste Vorschlag: Eine "Notbremse", mit der Mitgliedsländer unter bestimmten Bedingungen Sozialleistungen für Bürger aus anderen EU-Staaten kürzen könnten.

Von Friedbert Meurer | 01.02.2016
    EU-Ratspräsident Donald Tusk und der britische Premierminister David Cameron vor einem Treffen in London.
    EU-Ratspräsident Donald Tusk und der britische Premierminister David Cameron vor einem Treffen in London. (AFP / Leon Neal)
    Man hat sich noch nicht geeinigt, aber es gibt Fortschritte, twitterte Premier David Cameron, deswegen werde 24 Stunden lang weiter verhandelt. Damit bleibt es noch möglich, dass die Briten schon im Juni zum Referendum über Ausstieg oder Verbleib in der EU gebeten werden. Dafür soll die Notbremse gezogen werden, um den großen Crash zu verhindern.
    Auf allen Medienkanälen wird den Briten übers Wochenende erklärt, was es mit dieser Notbremse auf sich hat. Das Land hatte zuletzt eine Netto-Zuwanderung von 300.000 Migranten, dieser Ansturm soll ausgebremst werden.
    Osteuropäer sollen abgeschreckt werden
    Die neueste Idee ist angeblich schon etwas älter: Werden in einem EU-Land das Sozialsystem, Schulen und Krankenhäuser durch Zuwanderung aus der EU unzumutbar belastet, dann kann das betreffende Land die Notbremse ziehen. Einwanderer aus der EU erhalten dann bis zu vier Jahre lang keine staatlichen Zuschüsse zum Lohn, wenn sie Geringverdiener sind. Das soll unter anderem Rumänen, Polen oder Bulgaren davon abschrecken, überhaupt nach Großbritannien zu kommen.
    "Die Notbremse ist ein schlechter Witz, hält der Euroskeptiker und Tory-Abgeordnete John Redwood dagegen. Wenn wir wollen, können wir jetzt schon nach Brüssel gehen und fragen, ob wir die Sozialleistungen aussetzen dürfen. Die Antwort kennen wir doch: sie lautet nein. Ich sehe nicht, dass das ein Fortschritt sein soll."
    Cameron noch nicht zufrieden
    Niedrigverdiener in Großbritannien erhalten vom Staat bis zu 6.000 Pfund an jährlichen Zuschüssen, über 8000 Euro. Der Anspruch steht auch Migranten aus der EU vom ersten Tag ihres Aufenthalts an zu. Das gebieten EU-Freizügigkeit und der Anspruch auf Gleichbehandlung.
    "Nur über Zuschüsse für Migranten zu diskutieren, wird der Debatte nicht gerecht", mahnt der Historiker Peter Hennessy über das Wochenende. "Es geht um unsere Souveränität und die Frage, wie viel wir davon abtreten wollen. Ich rate zum Verbleib in der Europäischen Union. Ob Camerons Verhandlungen überhaupt eine große Rolle spielen, das bezweifle ich."
    EU-Ratspräsident Donald Tusk gilt als jemand, der den Briten eine Brücke bauen will - pocht aber auf Fairness. David Cameron scheint noch nicht zufrieden zu sein mit dem Ergebnis. Ob ein Land die Notbremse ziehen darf, darüber sollen nämlich nach derzeitigem Stand sowohl die EU-Kommission als auch der EU-Rat entscheiden. Das Verfahren soll prinzipiell für alle gelten, auch Deutschland dürfte die Notbremse ziehen, um Sozialleistungen an EU-Migranten auszusetzen.
    Die Kommission befindet nach diesem Modell, ob das Sozialsystem eines Landes wirklich durch Zuwanderung aus der EU so extrem angespannt ist. Dem Sprecher Camerons zufolge hat die Kommission London sogar schon grünes Licht in Aussicht gestellt. Um genügend Rückenwind für die Volksabstimmung zu erhalten, will David Cameron deswegen die Zusage der EU erhalten, dass Großbritannien die Notbremse schon direkt am Tag nach dem Referendum ziehen darf.