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Verhandlungsrunde Metallindustrie
Streik oder Einigung?

Das Recht auf Arbeitszeitverkürzung - diese Forderung der IG Metall ist in den aktuellen Tarifverhandlungen der zentrale Streitpunkt. Für die Arbeitgeber ist die Teilzeitlösung in der Praxis nicht umsetzbar. Vor der vierten Verhandlungsrunde in Baden-Württemberg scheinen die Fronten unversöhnlich.

Von Thomas Wagner | 24.01.2018
    Ein Teilnehmer eines Warnstreiks bei der Daimler AG hat am 16.01.2018 während einer Kundgebung der IG Metall vor dem Mercedes-Benz Werk in Sindelfingen (Baden-Württemberg) eine Pfeife im Mund. Die Gewerkschaft fordert in der aktuellen Tarifrunde für die 3,9 Millionen Metaller sechs Prozent mehr Geld und die Option, die Arbeitszeit befristet auf 28 Wochenstunden senken zu können.
    In der vierten Verhandlungsrunde in der Metall-Industrie werden scheinbar unvereinbare Positionen verhandelt (dpa / picture alliance / Marijan Murat)
    "Jetzt ist die Zeit gut. Jetzt wird viel Geld verdient. Und jetzt brauchen die Kollegen deswegen auch etwas im Portemonnaie"
    Einen Tag vor der vierten Metall-Verhandlungsrunde gibt sich Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Daimler, nochmals kämpferisch, wie viele weitere Gewerkschafter auf zahlreichen Kundgebungen quer durch Baden-Württemberg.
    Zentrale Forderung der Gewerkschaft: 28-Stunden-Woche und Teilzeit
    Etwas im Portemonnaie haben, will heißen: Sechs Prozent mehr Lohn -. Das ist aber nur ein Teil der Forderung. Und die andere?
    "Ich denke schon, dass die 28 Stunden-Woche wichtig ist. Wenn man die Arbeitszeit verkürzen will, seinen Eltern helfen will, dann ist das auch wichtig."
    "Die kurze Teilzeit. Dass man sagen kann, wenn man Pflege zuhause hat, wenn man Kinder zuhause hat "
    Erläutern Beschäftigte des Autozulieferers ZF Friedrichshafen während eines Warnstreiks die zentrale Forderung der IG Metall in diesem Tarifkonflikt: Jeder Beschäftigte soll demnach ohne weitere Begründung zukünftig seine Arbeitszeit reduzieren können, mit entsprechendem Lohnabschlag zwar, aber ohne weitere Begründung.
    Arbeitgeber verweisen auf volle Auftragsbücher
    Und es soll ein Rückkehrrecht zur Vollzeitstelle geben. Mit dieser Forderung beißen die Gewerkschafter bislang bei den Arbeitgebern aber auf Granit. Weil:
    "Die meisten wollen nämlich mehr arbeiten, die wollen nicht weniger arbeiten, die wollen 40 Stunden arbeiten und damit auch mehr verdienen", so Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, in einem ARD-Interview. Er verweist auf die vollen Auftragsbücher der Branche. Die alleine schon ließen tarifvertraglich verbriefte Teilzeit-Optionen, wie von der Gewerkschaft gefordert, nicht zu.
    "Wir haben ein Problem mit Fachkräften. Das ist klar: Wir können die Arbeit zum Teil gar nicht mehr bewältigen in unseren Betrieben. Und dazu brauchen wir eine Volumensöffnung nach oben. Schauen sie sich mal die Umfragen an: Die Menschen wollen mehr arbeiten."
    Mehrarbeit oder Teilzeit?
    Allerdings: Die IG Metall verweist auch auf Umfragen mit gleicher Fragestellung – und völlig anderem Ergebnis. Demnach wollen die Mitarbeiter zumindest teilweise weniger arbeiten.
    "Pflege wird immer mehr zum Thema. Und das wäre dann die Situation, wo Leute so eine Möglichkeit hätten. Und deswegen wird das von über 50 Prozent befürwortet, dass so eine mit Anspruch belegte Regelung gibt zum Thema ‚kurze Vollzeit.‘" So Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Auto-Zulieferkonzerns ZF und Mitglied der Verhandlungskommission der IG Metall.
    Demnach haftet den Positionen von Gewerkschaften und Arbeitgebern der Anschein des besonders Unversöhnlichen und Unvereinbaren an. Gleichwohl könnte in der vierten Verhandlungsrunde Bewegung kommen.
    Angebot der Gewerkschaft: Karenz für Teilzeitlösungen
    Offenbar versuchen die Gewerkschaften, mit dem einen oder anderen Zuckerl die angestrebte Teilzeitlösung den Arbeitgebern doch noch schmackhaft zu machen. Roberto Salerno von der Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg:
    "Sicherlich wird die Karenzzeit diskutiert, wie lange die Anmeldezeit, das einer so etwas umsetzen kann., Ist, drei Monate, sechs Monate, dass der Arbeitgeber eben die organisatorischen Maßnahmen, die er dazu braucht den Personalausgleich zu schaffen, auch organisieren kann.
    Sicherlich, die Finanzierungsfrage wird neu diskutiert. Also ich bin zuversichtlich, dass da eine Bewegung entsteht, bei der sich beide Seiten ein bisschen annähern."
    Arbeitgeber wollen verbriefte Teilzeit nicht akzeptieren
    Die Arbeitgeber teilen diese Zuversicht eher nicht – und glauben auch nicht an ein Ergebnis in der vierten Verhandlungsrunde, heißt es in einer Mitteilung. Da gefordert Recht auf verbriefte Teilzeit ist für sie eine Kröte, die sie einfach nicht schlucken wollen.
    "Hier einen harten Anspruch zu formulieren, geht einfach zu weit." Macht Südwestmetall-Chef Stefan Wolf klar. Die IG Metall will nach der heutigen Verhandlungsrunde darüber befinden, ob sie in der Haltung der Arbeitgebern trotz allem Bewegung ausmachen – oder ob es zu ersten 24-Stunden-Streiks in diesem Tarifkonflikt kommen wird.