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Verkehr und Luftqualität
"Der neueste Technologiestand beim Diesel ist eindrücklich"

Der Diesel hat Zukunft, meint Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie. Das Problem der Stickoxid-Emissionen sei "technisch vollumfänglich gelöst", sagte Koch im Dlf. Wenn alle Dieselfahrzeuge den neuesten Technologiestand hätten, läge dieser bei weniger als zehn Prozent des Grenzwertes.

Thomas Koch im Gespräch mit Ralf Krauter | 22.01.2018
    Rauch strömt aus dem Auspuff eines Autos
    Dieselqualm strömt aus einem Auspuff: Die Stickoxid-Emissionen älterer Dieselmotoren sind Grund für die Forderungen nach Fahrverboten von Dieselfahrzeugen in mehreren deutschen Städten (Imago)
    Ralf Krauter: "Motorische Stickoxidbildung: Saubere Luft in Städten und auf dem Land". So lautet der Titel einer Fachtagung in Ettlingen, zu der sich heute Ingenieure aus der Automobilbranche, Experten für Luftschadstoffe und Vertreter kommunaler Verwaltungen eingefunden haben. Ihr erklärtes Ziel: Gemeinsam Wege zu finden, um die drohenden Diesel-Fahrverbote in deutschen Ballungszentren zu verhindern. Mitorganisiert hat die Veranstaltung Professor Thomas Koch, der Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie. Ich habe ihn vorhin gefragt: Vor dem Hintergrund regelmäßig überhöhter und gesundheitsgefährdender Stickoxid-Konzentrationen in Stuttgart, Köln und anderswo: Haben Dieselfahrzeuge in der Stadt überhaupt noch eine Zukunft?
    Thomas Koch: Selbstverständlich haben sie eine Zukunft, denn der neueste Technologiestand ist eindrücklich: Wenn alle Dieselfahrzeuge den neuesten Technologiestand hätten, dann wäre der Emissionsbeitrag NO2-seitig - und nur über diesen reden wir - noch vom Diesel an der höchstbelasteten Stelle in Deutschland etwa drei Mikrogramm pro Kubikmeter, das sind weniger als zehn Prozent vom Grenzwert. Das Thema ist vollumfänglich technisch gelöst. Die Herausforderung, die wir haben, ist, dass wir halt Euro-6-Fahrzeuge der ersten Generation haben - da sind manche dabei, die mir überhaupt nicht behagen in ihrem Verhalten -, und wir haben Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge vor allen Dingen, und in der Summe hat man eine Gesamtflotte, die eben dazu führt, dass wir den Emissionsgrenzwert von 40 Mikrogramm wesentlich durch Diesel-Pkw bedingt überschreiten, aber technisch ist das Thema vollumfänglich gelöst, und wir haben einen eindrücklichen Gradient der Verbesserung.
    "Jetzt hat es der Katalysator vorne schön warm"
    Krauter: Dann sprechen wir vielleicht ganz schnell mal über die Diesel-Pkws, die heute schon vorbildliche Werte erzielen, also da geht es dann um die Euro-Norm 6C und D, die seit September 2017 in Kraft sind und teils unter doch sehr realistischen Bedingungen auch direkt auf der Straße messen, wie viele Schadstoffe da rauskommen, speziell NOx. Wie war es technisch möglich, die neuesten Diesel so viel sauberer zu machen als die älteren?
    Koch: Es gab generell eine ganz große Herausforderung bei der Dieseltechnologie. Diese Herausforderung lautet: man muss das Abgas auf Temperaturen oberhalb von 200 Grad Celsius erwärmen. Das ist die Herausforderung, die steht im Widerspruch zum eigentlichen Nutzen des Dieselmotors. Der ist ja wirkungseffizient, spritzt wenig Kraftstoffe ein, macht deshalb kaltes Abgas, und genau in diesem Spagat, in diesem Dilemma befindet sich der Entwickler, und bei der neuesten Generation hat man jetzt Folgendes gemacht: Man hat die Katalysatoren ganz nah nach vorne an den Motor gerückt. Das hat zehn Jahre Entwicklungszeit und dutzende anderer Herausforderungen zur Folge gehabt, aber jetzt hat der Katalysator es vorne schön warm, arbeitet wunderbar, und im Mittel werden so Reduzierungspotenziale von 95 Prozent der Stickoxide erreicht. Die Fahrzeuge emittieren noch 20 bis 60 Milligramm pro Kilometer NOx. Mit diesem Wert wäre am Neckartor in Stuttgart noch ideales Mittel drei Mikrogramm pro Kubikmeter zu verzeichnen, also ein vernachlässig minimaler Wert.
    "Das Thema ist vollumfänglich gelöst"
    Krauter: Wir reden jetzt aber dann durchweg über Neufahrzeuge, die sozusagen diesen SCR-Katalysator eingebaut haben, also eine Harnstoffeinspritzung in den Abgasweg, um die Schadstoffe da auszufällen praktisch.
    Koch: Vollkommen richtig. Diese Technologie ist eingeführt worden in Europa etwa im Jahr 2014 mit der ersten Generation Euro-6. Da hat dieser Katalysator aber noch nicht vorne am Motor, wo es warm ist, sondern im Unterboden, wo der Fahrtwind kühlt, wo Spritzwasser kühlt, wo das Abgas schon kälter ist, weil es eben schon ein, zwei Meter im Abgasrohr unterwegs ist, das hat leider nicht so gut funktioniert. Das sind die Fahrzeuge, die gerade nachgebessert werden. Zu Lasten des Verbrauches macht man ihn etwas wärmer. Die Technologie ist also seit vier, fünf Jahren im Pkw, Größenordnung in Europa, verbaut, nachdem man sie Ende des letzten Jahrzehnts in Amerika vorerprobt hat in kleinen Stückzahlen, und diese Technologie führt dazu, dass das Thema vollumfänglich gelöst ist. Jetzt haben wir eben die Übergangszeit. Wir haben schlechte Fahrzeugzustände in Teilen im Feld, wir haben Altfahrzeuge im Feld, die natürlich alle überproportional beisteuern. Die Technologie selber ist ins Ziel entwickelt.
    "Das kostet halt das eine oder andere Prozent Kraftstoff"
    Krauter: Also bei den schon existierenden Euro-6-Fahrzeugen, wo Sie sagen, da habe ich auch noch Kopfschmerzen, da ist der Katalysator zu weit weg vom Motor, die Temperatur zu niedrig, das behebt man jetzt durch Erwärmen, praktisch, vereinfacht gesagt?
    Koch: Ja. Also es gibt ja intensive Nacharbeiten, und technisch wird bei diesen Fahrzeugen jetzt nachbedatet, nachappliziert. Die Fahrzeuge bekommen ein sogenanntes Thermomanagement: Man schaut, dass das Abgas eben über 200 Grad Celsius gelangt. Das kostet halt das eine oder andere Prozent Kraftstoffverbraucht, das kann sich jeder vorstellen, der daheim einen Backofen hat und den auf 200 Grad erhitzt, das dauert eine gewisse Zeit und kostet eben elektrische Energie, und in dem Fahrzeug kostet es etwas Dieselkraftstoff, und diese, na ja, fünf Prozent bis zehn Prozent maximal Kraftstoff-Nachteile, die kommen zugute der Abgastemperaturerhöhung und damit niedrigen Stickoxidwerten.
    "Verbesserungspotenziale sind sehr zuversichtlich stimmend"
    Krauter: Wobei fünf bis zehn Prozent mehr Kraftstoff, das ist ja schon eine Hausnummer.
    Koch: Diese fünf bis zehn Prozent sind keineswegs unter allen Betriebszuständen, keineswegs die Mittel, aber in einzelnen Fahrtzuständen kann es eben dazu führen.
    Krauter: Sprechen wir über die noch nicht über einen SCR-Katalysator verfügenden älteren Fahrzeuge, also Euro-5. Von denen gibt es ja auch eine ganze Menge. Müsste man die jetzt nicht alle auch hardwaremäßig nachrüsten, wie das jetzt auch gefordert wird von einem Kollegen von Ihnen in einem Papier im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums?
    Koch: Ich kenne das Papier nicht, ich kenne das Gutachten nicht, und deshalb kann ich mich auch nicht dazu äußern und will es auch nicht, ohne es gelesen zu haben.
    Krauter: Jetzt sind sich aber alle Experten, was diese Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen angeht, einig, dass ein Softwareupdate allein wohl kaum helfen wird, das Problem zu lösen, also wird eben jetzt auch von Seiten eines Regierungsberaters dafür plädiert, diese Hardwarenachrüstung zu machen. Damit könnte man 90 Prozent der Stickoxidemission drosseln. Das würde so 1.300 Euro pro Auto kosten. Wäre es nicht klug, die Hersteller einfach dazu zu verpflichten, nachdem sie geschummelt haben, diese Kosten zu übernehmen?
    Koch: Also ich bin mit den Zahlen etwas vorsichtiger. Ich will auch nicht die politischen Prozesse bewerten als Techniker, aber was man ganz klar sagen kann ist Folgendes: Wir haben eine extrem eindrückliche Entwicklung, die ist teilweise noch gar nicht in den Köpfen der Menschen und auch, meines Erachtens, Entscheidungsverantwortlichen angekommen. Schauen Sie, wir haben im Jahresmittelwert am Neckartor in Stuttgart 2016 82 Mikrogramm, im Jahresmittelwert 2017 74 Mikrogramm, wir haben im letzten Quartal 2017, die kalten Wintermonate, wo sich die Dieselmotoren schwerer tun in der Kälte, einen Mittelwert von etwa 64 Mikrogramm, und in den ersten 450 Stunden im Jahr 2018 – die sind noch nicht repräsentativ, weil wir andere Phänomene wie Wetter, Feiertage et cetera haben –, haben wir am Neckartor noch 55 Mikrogramm pro Kubikmeter, einen ganz steilen Gradienten, und es erschließt sich mir vollumfänglich, warum das auch so sein muss: durch die bisherigen Maßnahmen. Jetzt kann man immer noch die dicke Berta mobilisieren und sagen, wir brauchen darüber hinaus noch weitere Nachrüstlösungen, die eine noch weitere Verbesserung ermöglichen. Die Frage ist, ob in diesem wahnsinnigen Gradientenfeld diese Maßnahme zum Einsatz kommen muss mit all ihren Herausforderungen – das ist eine politische. Ich zeige nur auf die Zahlen, und die sind sehr, sehr eindrücklich. Die Verbesserungspotenziale sind sehr zuversichtlich stimmend.
    "Alle Anstrengungen müssen beibehalten werden"
    Krauter: Trotzdem drohen ja in vielen Städten nach wie vor Fahrverbote. Das heißt, die Grenzwerte werden eben mitunter noch gerissen, und nicht nur manchmal, sondern regelmäßig. Die EU-Kommission hat letztlich der Bundesregierung jetzt ja eine Frist bis Ende dieses Monats gegeben, bis zum 30. Januar, um endlich glaubwürdige Konzepte vorzulegen, wie die Grenzwerte mittelfristig eingehalten werden können. Was müsste denn jetzt passieren, damit die Luftqualität in deutschen Ballungszentren schnell Qualitäten erreicht, damit die EU-Kommission uns gar nichts mehr vorwerfen kann?
    Koch: Auch das ist eine politische Frage, wo ich mich als Techniker schwertue, die vollumfänglich zu bewerten, aber man muss aufzeigen, wie eindrücklich der Trend ist. Erstens, alle Anstrengungen müssen beibehalten werden: Verbesserung, die Nachrüstlösung, Beförderung von anderen Technologien, Verbesserung der Verkehrssituation insgesamt in den Städten, Ausbau öffentlicher Personennahverkehr. All das sind sinnvolle Maßnahmen, die müssen weiterhin verstärkt werden, und dann werden wir zeitnah in den nächsten ein, zwei Jahren einen derartigen rückläufigen Trend bemerken, dass wir spätestens nach 2020 über das Thema gar nicht mehr reden müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.