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Verkehrspolitischer Sprecher der FDP
Luksic: Investitionsbedarf in die Bahn ist riesig

Bei der Bahn werde es mit Sicherheit zu personellen Veränderungen kommen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP Oliver Luksic im Dlf. Außerdem plädierte er für Verkäufe etwa der Logistik-Sparte Schenker und der ausländischen Nahverkehrstochter Arriva, um Geld für Investitionen zu generieren.

Oliver Luksic im Gespräch mit Christine Heuer | 17.12.2018
    Oliver Luksic, verkehrspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion
    Oliver Luksic, verkehrspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion (Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag)
    Christine Heuer: Eine Krise jagt die nächste bei der Deutschen Bahn. Im Tarifstreit hat sich der Staatskonzern bislang nur mit der warnstreikenden EVG geeinigt. Der Streit mit den Lokführern geht weiter. Verspätungen, kaputte Züge und Zugausfälle nerven die Bahnkunden seit langem, die Lage verschärft sich. Und nun ist auch noch bekannt geworden, dass die Bahn binnen drei Jahren 500 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben hat, offenbar vergebens. Der Bund will nun aufräumen.
    Am Telefon ist Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der
    FDP im Deutschen Bundestag. Guten Morgen!
    Oliver Luksic: Schönen guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Die Bundesregierung will die Bahn entrümpeln. Kommt das zu spät, oder gerade noch rechtzeitig?
    Luksic: Das kommt viel zu spät. Ich war erstaunt, dass es im November eine Sitzung des Aufsichtsrates gab – die Probleme sind ja nicht neu – und dass dort noch keine Strategie vorgelegt wurde. Es gibt ein Strategie-Defizit, sowohl beim Vorstand der Bahn als auch beim Eigentümer, der Bundesregierung, dem Bund.
    Heuer: Ist die Bahn noch zu retten?
    Luksic: Na klar! Die Bahn ist zu retten. Man darf jetzt auch nicht vergessen, dass derzeit immer mehr Menschen befördert werden. Es gibt ja auch positive Zahlen. Die Zugauslastung steigt. Auch die Zahl der Passagiere ist gestiegen. Allerdings ist der Investitionsbedarf riesig. Die Schulden steigen ja und es muss unheimlich viel investiert werden, zum Beispiel in die Digitalisierung der Bahn. Es ist unheimlich viel zu tun. Aber die Bilanz des derzeitigen Vorstandes ist alles andere als positiv.
    "Das Ergebnis einer falschen Politik"
    Heuer: Setzt die Regierung denn jetzt auf die richtigen Maßnahmen? Wir haben ja gerade gehört, was sie so plant.
    Luksic: Ich glaube, die jetzigen Probleme sind sogar genau das Ergebnis einer falschen Politik. Der Einfluss des Staates ist ja unter der Großen Koalition massiv verstärkt worden. Im Aufsichtsrat dominieren ja die Gewerkschaften in Kombination mit Politikern der Großen Koalition. Der Fachverstand ist schwächer geworden. Die Politisierung der Bahn merkt man auch an der Rolle von Ronald Pofalla. Der ist ja nebenbei noch mit Kohlekommission und Petersburger Dialog beschäftigt und kümmert sich wenig um die Infrastruktur und die völlig vernachlässigte Digitalisierung. Dass es so schwer ist – wir haben eben das Wort der Lehmschicht gehört -, liegt an den falschen Einflüssen des Staates, die viel zu stark sind, an dem starken Einfluss der Gewerkschaften, die jede Reform verhindern. Insofern ist, glaube ich, die schlechte Struktur auch Grund dafür, dass die Bahn jetzt so schlecht dasteht in allen Kennzahlen, die es gibt.
    Heuer: Okay. Sie finden, die Bundesregierung hat vieles falsch gemacht. – Wir gucken nach vorne, Herr Luksic. Die Führungsstrukturen zu straffen, die Geschäftsfelder neu zu ordnen oder zu verschmelzen, das plant die Bundesregierung. Reicht das aus?
    Luksic: Das ist im Kern richtig. Allerdings wir werden einen massiven Kapitalbedarf auch haben. Da ist die Frage, wie dieser erfüllt werden kann. Da schlagen wir vor, dass auch Unternehmensanteile verkauft werden, zum Beispiel Arriva oder Schenker, damit stärker investiert werden kann.
    Heuer: Das muss man kurz erklären. Entschuldigung! Arriva ist eine Nahverkehrstochter, die im Ausland aktiv ist.
    Luksic: So ist es.
    "Wir wollen, dass die Bahn sich auf ihr Kerngeschäft konzentriert"
    Heuer: Und Schenker ist das Logistikunternehmen der Deutschen Bahn.
    Luksic: Genau. Die Bahn ist quasi ein riesiger Busbetreiber und ein riesiger Logistik-Dienstleister. Das ist meines Erachtens nicht das Kerngeschäft der Bahn. Da wir jetzt die Verschuldensgrenze von 20,4 Milliarden auf jeden Fall reißen werden, ist viel Geld gefragt, und aufgrund des schlechten Managements der Bahn wird hier wahrscheinlich auch der Steuerzahler zahlen müssen. Aber wir wollen, dass die Bahn sich auf das Kerngeschäft konzentriert, und da wollen wir natürlich vor allem im Bereich der Infrastruktur mehr Investitionen haben. Die SNCF, die französische Bahn redet davon, 2023 autonom fahrende Züge zu haben. Davon sind wir weit entfernt. Der Zustand der Bahn in Deutschland ist alles andere als gut.
    Heuer: Wieviel Geld wird benötigt?
    Luksic: Darüber streiten sich jetzt die Geister.
    Heuer: Was sagen Sie?
    Luksic: Klar ist, die Verschuldensgrenze wird in jedem Fall gerissen werden, und der springende Punkt ist, dass der Investitionsbedarf riesig ist. Alleine für die Digitalisierung von Stellwerken, die digitale Koppel, die neue Fahrzeugausrüstung ETCS, das sind allein zweistellige Milliarden-Beträge, die in den nächsten Jahren notwendig sind. Insofern wird es auf eine Kombination hinauslaufen: Eigenmittel der Bahn – das wird nur über Verkäufe gehen – und am Schluss wird auch der Steuerzahler über den Bundestag hier einspringen müssen. Man hat ja auch gesehen in der Kritik des Rechnungshofes, dass das bisher investierte Geld auch nicht effizient ausgegeben wird.
    Heuer: Herr Luksic, Sie beschäftigen sich jeden Tag mit Verkehrspolitik. Sie rechnen alle Pläne immer um. Das ist Ihre Aufgabe. Wieviel Geld bleibt beim Steuerzahler hängen?
    Luksic: Das Problem ist, dass die Bundesregierung in ihrer Informationspolitik extrem intransparent ist und dann, obwohl es ein Staatsunternehmen ist, immer darauf verweist, das sei Aktienrecht, eine Aktiengesellschaft, und auch die Nachfragen der Opposition nicht klar beantwortet werden. Das heißt, auch wir können nicht genau beurteilen, wie hoch die Summe sein wird. Aber alle wissen, dass zum einen im laufenden Betrieb es an Geld mangelt und dass der Investitionsbedarf in der Schiene riesig ist. Wir wissen, dass es zweistellige Milliardenbeträge sind, die in den nächsten Jahren notwendig sind. Man darf erwarten, dass der Steuerzahler über die Zuschüsse des Bundestages hier auch noch massiv eingreifen werden muss.
    Heuer: Aber Zahlen gibt es nicht. – Im Wahlprogramm der FDP steht, dass das Netz und der Betrieb der Bahn auch eigentumsrechtlich getrennt werden soll. Wollen Sie das Netz privatisieren?
    Luksic: Nein. Wir wollen, dass es in staatlicher Hand, aber privatrechtlich geführt wird. Das Problem ist: Wir haben derzeit in der Holding sowohl die Netz- als auch die Transportsparten und da einen Gewinnabführungsvertrag. Aber es gibt hier ganz unterschiedliche Vorgehensweisen. Die Infrastruktur wird immer ein Minus wahrscheinlich haben. Da braucht man auch den Staat, der zuschießt. Wir wollen das aber trennen vom Betrieb, damit wir den Infrastrukturausbau kapazitätsoptimiert ableiten und planen können.
    "Wir wollen Wettbewerb ermöglichen"
    Heuer: Herr Luksic, wir wollen, dass die Hörer noch verstehen, was Sie meinen.
    Luksic: Ja! Wir wollen Wettbewerb ermöglichen. Es gibt jetzt auch schon viele andere Betreiber, die auf dem Netz fahren, und das geht eindeutig besser, wenn wir das Ganze trennen. Aber es muss in staatlicher Hand bleiben, weil hier auch weiterhin Zuschüsse notwendig sind.
    Heuer: Dann kriegen wir noch einen Staatskonzern, die DB Netz.
    Luksic: Wir haben jetzt ja de facto vier Staatskonzerne. Wir haben ja Netz, Kargo, Fernverkehr und den Nahverkehr. Deswegen wäre es unserer Meinung nach sinnvoller, quasi zwei daraus zu machen, einmal eine vom Staat kontrollierte Netzagentur, wo wir aber für mehr Wettbewerb sorgen, und die Transportsparten bündeln zu einer großen Gesellschaft. Das wäre unserer Meinung nach schlagfertiger als die jetzigen vier Gesellschaften, die teilweise nicht miteinander, sondern oft gegeneinander arbeiten.
    Heuer: Was können Private besser als Staatliche?
    Luksic: Wir merken das beispielsweise im Bereich Kargo. Da sind Private ja gut. Und auch im Nahverkehr merkt man ja derzeit, dass Private ein Stück weit flexibler und schneller sind. Und wie gesagt, die Bahn wird ja immer teurer, immer unpünktlicher. Das zeigt ja, dass eine eher staatlich kontrollierte Bahn nicht unbedingt effizient ist. Die Ergebnisse sind ja alles andere als positiv.
    "Kritik des Bundesrechnungshofes an der Bahn ist verheerend"
    Heuer: Die Bahn hat 500 Millionen Euro für Berater ausgegeben. War das Geld, das zum Fenster rausgeschmissen wurde?
    Luksic: Der Fairness halber muss man immer sagen, es wird immer eine Notwendigkeit von Beratern geben. Aber diese massiv Zahl zeigt ja eindeutig, dass es ein Strategiedefizit gibt, und die Kritik auch des Bundesrechnungshofes an der Bahn ist ja wirklich verheerend. Das zeigt ja auch, dass es hier massive Management-Probleme gibt. Die Bahn hat auf der einen Seite ein gravierendes Finanzproblem, das wirklich sehr stark ist, aber auch ein Management-Problem. Ich bin auch wirklich erstaunt darüber, dass sowohl die Bundesregierung als auch der Bahnvorstand jetzt offen sagen, dass es eigentlich keine Strategie gibt für den Konzern, dass auch in der November-Sitzung des Aufsichtsrates hier keine klare Linie gefunden werden konnte.
    "Riesige Mängel, was Gleise, Weichen, Bahnbrücken angeht"
    Heuer: Kann der Vorstandsvorsitzende, kann Richard Lutz bleiben?
    Luksic: Der Brief von Herrn Lutz, der Brandbrief war ja für alle Akteure überraschend. Das ist ja eher ungewöhnlich, dass man in einem solchen Brief offen über Verspätungen, Zugausfälle, überfüllte Wagen spricht. Man muss hier von einem strukturierten Chaos sprechen. Aber ich glaube, es wäre unfair, das jetzt allein bei Herrn Lutz abzuladen. Ich sage jetzt mal, auch im Bereich Personenverkehr gibt es riesige Mängel, wenn wir uns das Thema Reparaturwerke bei der Bahn anschauen. Es gehen ja viele Züge auf die Strecke, ohne dass sie ausreichend gewartet sind. Und im Bereich der Infrastruktur gibt es wie gesagt riesige Mängel, was Gleise, Weichen, Bahnbrücken vor allem auch angeht. Wir haben unheimlich viele Baustellen im Netz, auch deswegen so viele Verspätungen. Da hat auch Herr Pofalla keinen guten Job gemacht.
    Heuer: Kann der ganze Vorstand gehen?
    Luksic: Ich bin der festen Überzeugung, die harsche Kritik auch der Bundesregierung, die auch ein Stück weit vom eigenen Versagen ablenkt, ist ein Vorspiel zu einem personellen Wechsel, und es wird hier mit Sicherheit zu personellen Veränderungen kommen. Das wird wahrscheinlich auch notwendig sein.
    Heuer: Herr Luksic, die EVG hat vor einer Woche Warnstreiks abgehalten und den Bahnverkehr, wo er noch gelaufen ist, dann auch noch stillgelegt. Die Lokführer streiten sich weiter mit dem Unternehmen. Da ist noch nicht sicher, ob was nachkommt. Sie haben jetzt Gelegenheit für einen Appell an die GdL, an die Lokführergewerkschaft.
    Luksic: Ich glaube, beide Gewerkschaften sollten ihre Verantwortung über der Bahn nicht vergessen. Die Bahn ist in einem verheerenden Zustand und man schneidet sich mit solchen Streiks auch ein Stück weit ins eigene Fleisch. Das Problem ist, dass wir hier quasi einen Wettbewerb haben zwischen EVG und GdL, die sich gegenseitig überbieten mit sehr starken Forderungen. Das erklärt auch, warum die Bahn so teuer ist, warum die Bahn so ineffizient ist. Gerade auch im Aufsichtsrat dominieren ja die Gewerkschaften. Auch die dort vertretenen Politiker sind ja auf deren Wohlwollen angewiesen. Das erklärt auch, warum die Bahn ein Stück weit unreformierbar derzeit ist.
    Heuer: Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Haben Sie Dank fürs Gespräch.
    Luksic: Vielen Dank, Frau Heuer.
    //Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussione