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Verkehrssicherheit
Naturschützer kritisieren zu rigorose Abholzung

Eine Bundesrichtlinie zur Sicherheit an Straßen aus dem Jahr 2009 werde zunehmend zur Lizenz zum Bäumefällen. Das beklagen der Deutsche Naturschutzring und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Es gebe wirksamere Maßnahmen zur Verkehrssicherheit.

18.08.2014
    Die Richtlinie, um die es geht, hat natürlich eine wunderbar bürokratische Bezeichnung. Konkret: Es geht um die "Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme" - kurz RPS. Diese Vorschrift stammt aus dem Jahr 2009. Und laut Ansicht des Deutschen Naturschutzrings gefährde sie inzwischen doch den Bestand an Straßen- und Alleebäumen in Deutschland. Der Hintergrund sei, dass die zuständigen Behörden vor Ort diese Richtlinie wohl viel zu rigoros anwenden würden, um den Aspekt der Verkehrssicherheit durchzusetzen. Die Richtlinie ergänzt eine ältere Empfehlung des Gesetzgebers - und im Kern der Kritik stehen die in der Richtlinie formulierten Mindestabstände, die von den Behörden einzuhalten seien - sagt Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings:
    "Bisher hatten wir in Deutschland Mindestabstände von 4,50 Metern - vom Fahrbahnrand bis zum Baum. Innerhalb dieses Rahmens konnten halt Bäume stehen oder auch Neue gepflanzt werden. Jetzt ist dieser Mindestabstand auf 7,50 Meter erhöht worden. Der gilt formal zwar nur für Neupflanzungen und auch für sogenannte Umbaumaßnahmen. Wobei letzterer Begriff sehr weit ausgelegt wird, auch Reparaturmaßnahmen fallen wohl darunter. Die Straßenbaubehörden neigen aus einer gewissen Unsicherheit heraus dazu, diesen größeren Abstand generell zugrunde zu legen."
    Richtlinie als Lizenz zum Baumfällen
    Aus Sicht des Deutschen Naturschutzrings sei diese Richtlinie inzwischen sozusagen eine Lizenz zum Baumfällen. Hinzu komme, dass Ersatzpflanzungen regelmäßig an der Weigerung von Privateigentümern scheiterten, die dafür erforderlichen Flächen entlang der Straßen für den benötigten Pflanzstreifen von acht bis zehn Metern auch abzutreten. Oft fehlten zudem einfach auch die finanziellen Mittel für Neupflanzungen.
    Bundesweit belegen lässt sich der Rückgang an Straßenbäumen allerdings nicht eindeutig. Als Beispiel führt der Naturschutzring die Situation in Brandenburg an - hier seien im Zeitraum 2010 bis 2012 über 11.000 Bäume entlang der Straßen gefällt worden, aber nur rund 9.800 wieder angepflanzt worden. Und gerade das Bundesland Brandenburg sei bekannt für seine prächtigen und alten Alleebäume.
    Und die alleinige Betrachtungsweise, dass Bäume am Straßenrand eine potenzielle Gefahr für die Verkehrssicherheit seien, weist der Naturschutzring vehement zurück:
    "Die Ursache besteht darin, dass ungefähr ein Drittel aller Unfälle mit Todesfolgen an den Landstraßen an Bäumen enden. Schlussfolgerung der Versicherungswirtschaft: Diese Bäume müssten weg. Da sollte man doch überlegen, was denn die Ursache für die Unfälle sind. Laut Polizeistatistik ist dies aber in fast Fällen überhöhte Geschwindigkeit. Anstelle Bäume zu beseitigen, sollte eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt werden, die auch durch stationäre Kontrollen überprüft wird. Das würde viel helfen."
    Alternative Maßnahmen
    Die Forderung des Naturschutzrings lautet, diese Richtlinie nun auch zu überprüfen. Man hat in den vergangenen Wochen hier in Berlin das Thema öfter angesprochen - auch mit Bundestagsabgeordneten. Aus dem zuständigen Bundesverkehrsministerium sei bislang aber nur das Versprechen gekommen, die Behörden darauf aufmerksam zu machen, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Eine Änderung der Richtlinie oder dort formulierter Mindestabstände sei wohl nicht vorgesehen, so die Interpretation von Helmut Röscheisen.
    Geschwindigkeitsbegrenzungen würden helfen - ebenso auch das Anbringen von Schutzeinrichtungen wie Leitplanken. Es gebe somit Alternativen - bevor ein Baum gefällt werden müsste.