Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Verkehrsverlagerung und ihre Folgen
Von der Schiene auf die Straße

Es sind nicht so sehr die Streiks im Güterverkehr, die den Bahnspediteuren schlaflose Nächte bereiten. Sie klagen vielmehr über eine Politik, die ihrer Ansicht die Bahn gegenüber dem Lkw-Verkehr benachteiligt. Eine neue Studie der Allianz pro Schiene warnt gar vor einer "Erosion beim Schienengüterverkehr".

Von Dieter Nürnberger | 22.04.2015
    Güterzuganhänger in Seevetal/Maschen (Niedersachsen) auf den Gleisen des Rangierbahnhofs
    Güterzuganhänger in Seevetal/Maschen (Niedersachsen) auf den Gleisen des Rangierbahnhofs (dpa / picture-alliance / Axel Heimken)
    Sicherlich wären mehr Staus auf der Straße eine Folge von weniger Gütertransporten auf der Schiene. Denn in einem sind sich ja die meisten Verkehrsexperten einig - in Zukunft wird es generell eher mehr Verkehr geben als weniger. 2014 betrug der Anteil des Schienengütertransports am gesamten Güterverkehr 17,1 Prozent, so die Allianz pro Schiene, und erstmals seien damit seit längerer Zeit auch wieder Marktanteile verloren gegangen.
    Die Allianz pro Schiene ist eine politische Interessenvertretung hier in Berlin - und natürlich alarmieren dann solche Zahlen eines Marktanteilsverlustes. Deshalb wurde eine Studie in Auftrag gegeben, um konkret herauszufinden, warum es scheinbar immer unattraktiver wird, Güter auf der Schiene zu transportieren. Inhaltlich hat die Studie vor allem Kostensteigerungen für hier tätige Unternehmen herausgefunden: Um 20 Prozent ging es nach oben - bedingt durch viele bürokratische und staatlich verursachte Vorgaben. Die Studie hat der Transportexperte Paul Wittenbrink verfasst.
    "Im Bereich Güterwagen sind es Lärm- und Sicherheitsanforderungen. Und dann betrifft es vor allem den Bereich Infrastruktur: Zunehmende Trassenkosten, Engpässe auf dem Netz. Da kommt einiges zusammen. Wir haben zudem die Stromsteuer, das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG- das sind alles Kosten, die beim Lkw in dieser Form nicht anfallen und hier liegt eine klare Diskriminierung vor."
    Die Studie will somit aufzeigen, dass die Politik den Güterbahn-Unternehmen das Leben durchaus schwer macht. Detailliert werden politisch bedingte Kostensteigerungen aufgelistet. Und da dürfe man sich nicht wundern, wenn viele Unternehmen immer weniger an anderen notwendigen Investitionen vornehmen könnten, sagt Olaf Krüger, er ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Bahnspediteure.
    "Der Markt ist auch vorhanden, das Problem ist aber, dass wir zwischenzeitlich die Züge mit rund 90 Prozent auslasten müssen, um noch wirtschaftlich zu sein. Vor 20 Jahren war das noch völlig anders, da reichten oft schon rund 70 Prozent Auslastung aus. Wir versuchen ja, private Unternehmen zu motivieren, in das System des Güterverkehrs zu investieren, aber das ist schwierig. Die Überzeugungskraft wird immer geringer, desto größer die Kostenbelastungen sind."
    Nun wollen aber die Schienengütertransportunternehmen auch nicht missverstanden werden: Die politisch bedingten Vorgaben für mehr Sicherheit oder auch mehr Umweltschutz in diesem Bereich seien gut und richtig - aber eben nicht für alle Unternehmen wirtschaftlich so einfach zu stemmen. Olaf Krüger denkt deshalb an Fördergelder oder auch an steuerliche Maßnahmen, um die Vorgaben erfüllen zu können.
    "Wir sind ja nicht gegen Lärmschutz, aber die Politik muss uns hier einfach helfen, dass dies nicht zu massiven Kostenerhöhungen führt, die uns dann das System nicht mehr gestalten lassen. Die Kosten für eine neue Achse oder für Flüsterbremsen sind durchaus im Bereich 20 bis 30 Prozent höher als für alte oder herkömmliche Bremssysteme oder auch Achsen."
    Auftraggeber der Studie ist die Allianz pro Schiene - und sie hat gestern auch schon im Bundesverkehrsministerium die Untersuchungsergebnisse präsentiert. Man hofft natürlich, dass die Große Koalition sich des Themas annimmt, gerade vor dem Hintergrund, dass es ein erklärtes Ziel der Regierung ist, den Schienengütertransport zu stärken - vor allem ja auch aus Klimaschutzgründen. Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege verweist auch darauf, dass der Güterverkehr auf der Straße rund 5 Mal klimaschädlicher sei als der auf der Schiene - er beruft sich hier auf Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes. Mehr Verkehr auf der Schiene sei möglich - so Flege:
    "Wir haben ein Potenzial hier in Deutschland von weit über 25 Prozent Marktanteil. Es geht darum, dass die jahrzehntelangen Bemühungen der Politik für mehr Verkehr auf der Schiene auch entsprechend politisch flankiert werden. Damit wir auch in diese Richtung kommen. Damit also nicht die Lkw-Maut gesenkt wird, wie jetzt von der Bundesregierung geplant. Dass die Güterbahnen jetzt nicht auch noch über die EEG-Umlage zusätzlich mit etlichen Millionen Euro belastet werden. Das sind alles Dinge, die überhaupt nicht zusammenpassen."
    Man hört es, die Allianz pro Schiene wirft der Politik im Grunde vor, den Güterverkehr auf der Straße mehr zu fördern als den auf der Schiene. Man macht zudem darauf aufmerksam, dass dies vor allem unter ökologischen Aspekten der falsche Weg sei.