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Verkehrswende
Alternatives Paketdienst-Modell im Test in Hannover

In Hannover läuft gerade ein neues Projekt für umweltfreundlichere Paket-Logistik. Statt großer Lieferwagen sollen künftig in erster Linie Elektro-Lastenfahrräder unterwegs sein - für besonders große Pakete auch mal elektrisch angetriebene Lieferwagen.

Von Dietrich Mohaupt | 17.07.2019
Pakete in einem Lkw
Die Flut an Paketlieferungen sorgt für viel Verkehr und dicke Luft in vielen Städten (picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)
Mit einem eleganten Schwung parkt Björn Schulze sein Elektro-Lastenfahrrad direkt vor einem Anhänger ein, den ein UPS-Lkw vor einigen Minuten in der Elisenstraße in Hannover-Linden abgestellt hat. Nach einem vorgegebenen Plan lädt er Pakete aus dem Anhänger in den Transportcontainer auf seinem Lastenrad um. Dieses sogenannte Mikro-Depot enthält alle Pakete, die er im Laufe des Tages zustellen muss.
"Befüllt wird es nicht nochmal - wir befüllen es einmal morgens, dann habe ich ein gewisses Kontingent drin, das fahre ich dann mehrmals an, weil die Kapazitäten vom Fahrrad natürlich nicht so groß sind, wie die vom Hänger. Und dann wird strukturiert, wie das abgefahren wird und dann komme ich halt ein-, zweimal wieder - hängt davon ab, wie viele Pakete drin sind, wie viele Stopps."
Statt großer Lieferwagen sollen in Linden-Nord also künftig in erster Linie Elektro-Lastenfahrräder unterwegs sein - für besonders große Pakete auch mal elektrisch angetriebene Lieferwagen.
So fürchterlich neu ist das mit den Elektro-Fahrrädern eigentlich gar nicht - verschiedene Logistikunternehmen experimentieren damit schon seit einiger Zeit in deutschen Großstädten, aber "bei uns ist die Besonderheit, dass wir ein solch großes Pilotprojekt mit mehreren Dienstleistern zusammen durchführen und das Ganze auf freiwilliger Basis machen. Gleichzeitig sind wir frei von Förderungen, und der dritte Punkt ist, dass wir frei von regulativen Ansätzen sind." Betont Agathe Kleinschmidt von der Landeshauptstadt Hannover. Man verzichte auf Verbote, wolle stattdessen lieber Anreize für innovative urbane Logistikkonzepte bieten, erklärt die stellvertretende Leiterin des Pilotprojekts.
Ziel sind weniger Schadstoffemissionen
Deshalb sind zum Beispiel insgesamt 20 sogenannte Logistikpunkte im Stadtteil Hannover-Linden geplant. Das sind Parkflächen, die an Wochentagen zu bestimmten Zeiten für die Logistikunternehmen reserviert sind, damit die dort ihre Mikro-Depots für die lokale Verteilung der Pakete einrichten können.
"Das führt - hoffentlich - dann dazu, dass tatsächlich eben auch das Parken in zweiter Reihe, genauso wie auch auf Straßenecken oder auch Gehwegen verhindert wird - und da erhoffen wir uns, dass der Verkehrsfluss dann auch entsprechend verbessert wird. Und letztlich kann das eben auch dazu beitragen, dass die Emissionen dann auch wieder verringert werden."
Auf diesen Effekt setzt auch Rainer Kiehl, der für UPS dieses Projekt in Hannover betreut. Gerade in dicht besiedelten Quartieren mit häufig engen Straßen müsse man schnell alternative Logistik-Konzepte umsetzen - vor allem mit Blick auf die drohenden Fahrverbote wegen der zu hohen Schadstoffemissionen.
"Wenn ein Fahrzeug in zweiter Reihe steht und der Verkehr gestoppt wird - dann entstehen Emissionen, die wesentlich höher sind. Und da können wir ansetzten, da können wir jetzt sofort Lösungen bieten. Wir können auch noch weitere Gutachten reinholen, wir können noch Arbeitskreise bilden - aber wir können auch machen … und wir machen jetzt einfach mal."
Die Rechnung dahinter ist ganz einfach - sagt Rainer Kiehl: "Also - ein Anhänger, oder auch ein Raum, mit 16 bis 18 Quadratmetern … maximal 20 Quadratmeter reichen völlig aus, um einen Lkw, einen Siebeneinhalb-Tonner, aus dem Verkehr zu nehmen. Dann würden wir je nach Gebiet zwei Fahrräder auf die Straße bringen, und diese beiden Fahrräder ersetzen den Lkw."
Auf lange Sicht könne man 80 bis 90 Prozent der typischen braunen Firmen-Lkw in Hannover durch Fahrräder ersetzen - wenn das Konzept nach Abschluss der Pilotphase weiterentwickelt und auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt würde. Ideal wären dabei gar nicht unbedingt reservierte Parkflächen für Anhänger der Lieferdienste - gemeinsam mit den anderen Kurier-, Express- und Paketdiensten, kurz KEP-Diensten, setze man vielmehr auf andere dezentrale Lösungen.
"Wir wollen schon tatsächlich Immobilien anmieten – oder dass Immobilien zur Verfügung gestellt werden für alle KEP-Dienste, wenn man ein Gesamtpaket schnüren möchte. Das bietet uns dann natürlich auch Planungssicherheit, um intern die Abläufe neu zu strukturieren, um die Anschaffungen zu tätigen - denn diese Lastenfahrräder sind sehr teuer und sehr wartungsintensiv."
Begleitet wird das Pilotprojekt von Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover und der Hochschule Hannover. Für letztere versucht Marvin Auf der Landwehr, vor Ort durch Umfragen und Interviews einen Eindruck zu gewinnen, wie die Anwohner das Projekt annehmen, wie sie damit im Alltag umgehen. Auf deren Akzeptanz sei ein solches Konzept angewiesen.
Versprechen: "innovative Paketbelieferung"
"Man kann sich da Ganze mal als zweischneidiges Schwert vorstellen, wo einerseits das Funktionieren eines solchen Konzepts an den Betreibern, an den Zuständigen hängt, das heißt der Stadt Hannover, den KEP-Dienstleistern - andererseits natürlich auch an den Betroffenen, in dem Fall den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Hannover. Und nur wenn man da die richtige Balance finden kann und dementsprechend eine Akzeptanz generieren kann, kann das Ganze auch funktionieren - und dauerhaft auch funktionieren."
Erste Reaktionen vor Ort lassen durchaus den Schluss zu, dass die Bewohner in Hannover-Linden sich wohl ganz gut mit der "innovativen Paketbelieferung" anfreunden können. Man zeigt sich interessiert, berichtet Bastian Linke, der für die Tourenplanung der neuen UPS-Radfahrer zuständig ist.
"Klar, unser Zusteller wird häufiger angesprochen von Passanten - was machst Du denn jetzt hier mit dem Fahrrad, wo ist das Auto? Und das gehört dann auch dazu - wir wollen ja auch eine gewisse Neugierde wecken damit, einfach zu sagen, man kann Paketzustellung auch anders gestalten, als klassisch mit dem Paketauto durch die Gegend zu fahren. Das soll auch schon so bei den Leuten, die hier wohnen, natürlich dann so ein bisschen mit rübergebracht werden."
Zusteller Björn Schulze hat inzwischen alle Pakete für die erste Tour in den Container auf seinem Lastenrad verladen, er tippt noch ein paar Infos in sein Handgerät - und schwingt sich dann gut gelaunt auf den Fahrradsattel. Mit seinem neuen Transportmittel hat er sich schnell angefreundet.
"Es ist angenehm - man kann leichter parken sicherlich, man hat mehr Möglichkeiten, das Fahrzeug abzustellen und dann schneller zuzustellen - also ich find’s super!"