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Verl bei Bielefeld
Ein Leben für den Wäscheknopf

Wäscheknöpfe sind alltägliche Verschlusshelfer. Die Knopfherstellung war über viele Jahrzehnte ein richtiges Handwerk. Ein kleines Knopfmuseum im westfälischen Verl, nahe Bielefeld, erinnert daran. Der Gründer rettete historische Fertigungsmaschinen vor dem Schrottplatz - sie sind bis heute funktionsfähig.

Von Simon Schomäcker | 06.03.2016
    Bohrmaschine für Viererbohrungen in Knöpfen.
    Bohrmaschine für Viererbohrungen in Knöpfen. (Deutschlandradio - Simon Schomäcker)
    Es surrt, raschelt und klappert, wenn Manfred Dolleschel den Bakkelitschalter betätigt und damit sein Museum zum Leben erweckt. Lange Jahre befand sich in dem alten weißen Haus in Verl nahe Bielefeld eine Druckerei. Doch seit ein paar Jahren hängt an der Hausecke ein großer bronzener Wäscheknopf. Im Haus gibt es einen Produktionssaal mit hoher Decke und großen Fenstern. Hier treiben Transmissionswellen tatsächlich Maschinen einer historischen Knopfmanufaktur an.
    "Ich habe ja 52 Jahre in den Knöpfen gearbeitet, bei Union Knopf, das war mal meine Firma. Jetzt machen das meine Söhne, in Sennestadt, das gehört zu Bielefeld."
    Der heute 78-jährige Manfred Dolleschel übernahm den Betrieb in den 1950er-Jahren von seinem Vater. In dieser Zeit hatte die Firma ihren Sitz noch in Berlin, zog jedoch bald nach Bielefeld um. Dort waren zahlreiche Textilunternehmen ansässig. Aber Dolleschel reiste auch viel. Oft fuhr der Firmeninhaber in das französische Andeville nahe Paris, um dort Muster zu kaufen.
    "In Andeville war diese Knopffabrik, wo ich gerne hingefahren bin. 1981 war ich mal wieder dort und sagte: J'aimerais bien voir votre collection. - Non, sagten die. Da war ich überrascht. On arrêt, also: Wir hören auf. Das waren zwei alte Leute, damals in dem Alter so wie ich heute. Und dann habe ich nach kurzer Überlegung gefragt: Was machen Sie mit den Maschinen? - Schon verkauft, sagten sie. An wen denn, fragte ich. - An den Schrotthändler. Da sagte ich: Nein, die würde ich gerne haben. Geht das? Und da haben sie beide geweint vor Freude. Er und sie."
    Gemeinsam mit seiner Familie und drei Mitarbeitern aus dem Unternehmen fuhr Manfred Dolleschel nach Andeville. In der Fabrik bauten sie das Inventar ab und katalogisierten sämtliches Material. Allerdings dauerte es 30 Jahre, bis Dolleschel mit der alten Druckerei in Verl einen geeigneten Präsentationsraum fand. Im Jahr 2014 konnte das Museum dann offiziell eröffnen.
    Zum Teil 130 Jahre alt
    Einige Objekte in der kleinen Halle sind über 130 Jahre alt, etwa die mächtigen Eisenträger, an denen die Transmissionswellen aufgehängt sind. An den Wänden hängen Ablagevorrichtungen mit Schraubenschlüsseln, Bohrern, Fräsen und Sticheln.
    Zu den etwas moderneren Geräten zählt eine Bohrmaschine. Mit ihr lassen sich die bekannten Viererbohrungen in Knöpfen anfertigen. Dafür verändert ein spezielles Gelenk die Lage des Knopfes in der Maschine. Unter den neugierigen Blicken einiger Museumsbesucher spannt Manfred Dolleschel einen Knopfrohling, ein sogenanntes Rondell, ein.
    "Hier ist das Rondell drin und jetzt fahre ich davor. Hier wird das umgedreht: Zwei Löcher, drei Löcher, vier Löcher. Die sind richtig schön im Quadrat gebohrt. Heute wird so etwas alles vollautomatisch gemacht."
    Das Polieren funktioniert noch heute so
    In der historischen Knopfmanufaktur gibt es aber auch Maschinen, die bis heute nahezu unverändert eingesetzt werden: etwa das Polierfass, ein sechseckiges Holzfass von etwa 50 Zentimetern Länge und 30 Zentimetern Durchmesser. In waagerechter Position hängt es in der Maschine.
    "Das ist hier ein ganz kleines Fass. Da sind so kleine Holzstückchen drin, die haben kleine Pickel. Das ist Polierfett. Und damit werden die Knöpfe poliert, wenn sich das dreht. Aber nicht mehr in so kleinen Fässern, heute sind das große Fässer. Die Holzstückchen sind aber heute noch da drin. Hartholz ist das."
    Wäscheknöpfe werden heute meistens aus Kunststoff hergestellt. Trotzdem finden auch immer noch Naturmaterialien Verwendung. Im Obergeschoss seines Museums zeigt Manfred Dolleschel ein paar Beispiele.
    - "Hier drüben sehen wir eine Steinnuss. Da auf der Zeichnung ist eine Steinnusspalme abgebildet."
    - "Wo wächst so etwas?"
    - "Nur in Ecuador. Ich war mit meiner Frau mal drüben."
    - "So walnussgroß sind die ungefähr."
    - "Na, schon ein bisschen größer als eine Walnuss. Sehr hart sind die. Und dann werden die in Scheiben geschnitten und dann werden da Knöpfe draus gemacht. Horn ist noch dabei als gutes Material. Aus Leder machen wir noch Knöpfe, also Rindsleder. Also diese Naturmaterialien sind immer noch die besten."
    Die Söhne von Manfred Dolleschel betreiben heute Produktionsstätten in Deutschland und Polen. Das Unternehmen verkauft seine Produkte weltweit. Dementsprechend sind auch die Juniorchefs viel unterwegs.
    "Die Jungs fahren häufig auch nach Hongkong. Da haben wir immerhin 65 Leute im Büro. Produzieren tun wir da nicht, aber wir kaufen ein und wir verkaufen auch."
    Ins französische Andeville wird es die Dolleschel-Söhne aber wohl nicht mehr treiben.
    - "Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal dort in Andeville."
    - "Was ist da heute drin in der Fabrik?"
    - "Nichts, alles leer. In der Gegend gab es 80 Knopffabriken, kleine Manufakturen. Und heute – null! Die haben alle dichtgemacht. Das ist natürlich deswegen so, weil viele Knöpfe importiert werden und die kleinen Fabriken hatten keine Chance mehr. Es ist keine mehr übrig geblieben. Nur noch meine hier in Verl."