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Verlagsgeschäft
Der Abonnent als Freund

Unter Verlagsmanagern ist ein neuer Trend ausgebrochen: Sie wollen aus ihren Abonnenten echte Freunde machen. Am Ende geht es darum, das kriselnde Geschäft mit Zeitungen und Zeitschriften abzusichern. Mit welcher Kreativität die Verlage an dieser neuen Kundenbindung arbeiten, ist teils enorm.

Von Daniel Bouhs | 22.05.2018
    Eine junge Frau sitzt auf einer Betontreppe vor einer Glaswand und liest in einer Zeitung
    Wer "Handelsblatt", "Zeit" oder Brigitte" abonniert soll mehr bekommen als nur eine Zeitung oder Zeitschrift (imago / Bernd Friedel)
    Für Sven Afhüppe ist der "Handelsblatt"-Club mit Veranstaltungen für seine Leser eine regelrechte Mission. Das Verhältnis zu ihnen - es soll sich spürbar wandeln.
    "Der Abonnent ist bisher ein Mal im Jahr aufgefordert worden, zu zahlen, und dann wurde er sozusagen in die Freiheit wieder entlassen. Wir wollen aber einfach viel häufiger mit ihm in Kontakt sein und bieten ihm über diese Club-Mitgliedschaft verschiedene Dienstleistungen - mit dem einen Ziel: Die Leser viel, viel stärker an die Marke 'Handelsblatt' zu binden" - und sie so bei der Stange zu halten, denn: Die Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften gehen seit Jahren zurück, genauso wie die Umsätze mit Anzeigen.
    In diesen Zeiten ist jeder einzelne Abonnent wichtig, um den Journalismus und damit das Geschäft der Verlage zu finanzieren - und das Bemühen der Verlage groß.
    Vom Abonnent zum Freund
    Beim "Handelsblatt" wurden dafür über Nacht aus Abonnenten Clubmitglieder - ob sie wollten oder nicht, immerhin: ohne Aufpreis. Seit dieser Umstellung lädt die Wirtschaftszeitung ein: zu kleinen Netzwerkabenden, aber auch zu einem opulenten "Deutschland-Dinner". Dort interviewen die Journalisten Prominente aus Politik und Wirtschaft. Die Leser kommen zum Abendessen dazu. Der Verlag organisiert so einen besonderen Zugang zu den Mächtigen. Für die Journalisten eine Umstellung.
    "Es ist schon etwas anderes, ob man 500, 600 Leute im Deutschen Historischen Museum hat und dann ein Gespräch mit Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble im Rahmen eines Deutschland-Dinners führt oder das Gespräch im kleinen Rahmen interviewmäßig stattfindet", sagt Chefredakteur Afhüppe.
    Der Abonnent ist plötzlich nicht nur eine Kenngröße für Manager. Er soll zu einem Freund werden. Bei der "Zeit" ist dafür der Name Programm: "Freunde der Zeit" heißt der Abonnenten-Club der Wochenzeitung.
    Zum Start vor einem halben Jahr sagte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo: "Ich bilde mir ein, dass wir uns sehr bemüht haben um einen Kontakt zu den Lesern, aber eine Klage kommt doch relativ häufig: Ihr macht ganz viel - alle Medien, ja? - um uns als Abonnenten zu gewinnen. Aber wenn ihr uns dann habt, dann passiert nicht mehr viel. Und ich finde, an dieser Kritik ist etwas dran."
    Den Lesern soll mehr geboten werden als nur ein Abo
    Inzwischen beschäftigt der "Zeit"-Verlag sechs Mitarbeiter, die sich ausschließlich um die Organisation der Veranstaltungen für Abonnenten kümmern. Die diskutieren mit Redakteuren aktuelle politische Fragen. Vor allem interessiert aber der Blick in die "Werkstatt", etwa bei Redaktionsführungen: Welche Themen greifen die Journalisten auf, welche nicht? Und: Wie recherchieren Journalisten?
    Einen besonderen Weg geht demnächst das Verlagshaus Gruner und Jahr. Auf dem Europäischen Zeitungskongress in Wien hat Verlagsmanager Stephan Schäfer gerade angekündigt: Für "Beef", ein Monatsmagazin für Fleischliebhaber, eröffnet Gruner und Jahr im Juni ein erstes Restaurant in Frankfurt am Main.
    "Mit dem Restaurant ist es sozusagen eine erweitere Erlebniswelt, wie man mit dieser Marke ‚Beef‘ in Kontakt treten kann, neben dem klassischen Kauf eines Magazins", sagt Verlagsmanager Schäfer und stellt zudem in Aussicht:
    "Wir werden daneben noch mit der 'Brigitte'-Gruppe Seminare rund um das Thema 'Job von Frauen' gründen. Auch das ist sozusagen aus der Kraft der 'Brigitte', einer starken Frauenmarke, die sich immer viel mit Frauen und Beruf beschäftigt hat. Dort werden wir im Herbst in Essen ein großes Symposium halten, wo sie als Marke - nicht in einem Restaurant, aber auf einem großen Symposium - erlebbar ist."
    Investitionen in Stammleser statt in Neukunden
    Doch gerade das Seminargeschäft ist für die Verlage aber vor allem auch eines: ein zusätzliches Geschäft neben dem Abverkauf von Magazinen, nicht nur zusätzliche Leserbindung. Abonnenten mehr zu bieten als nur die eigentliche Zeitung oder Zeitschrift, scheint sich aber zu lohnen.
    Etwa beim "Handelsblatt": "Ganz interessant ist es tatsächlich so, dass wir feststellen, dass die Kündigungsquote erheblich gesunken ist im Vergleich zur früheren Welt, in der Abowelt", berichtet Chefredakteur Afhüppe.
    Hinter den Kulissen hat sein Verlag umgeschichtet: Das Geld, das man früher für das Geschäft mit Neukunden investierte, nutzt das "Handelsblatt" heute, um seine Stammleser zu umgarnen.
    "Weil wir sagen: Wir wollen nicht Geld ausgeben dafür, dass wir neue Leser akquirieren, sondern das Geld nehmen wir lieber, um Veranstaltungen, Clubabende zu organisieren, zu gestalten."