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Verpasste Chancen

20 Jahre lang treffen sich Emma und Dexter jeweils am 15. Juli - und bleiben die meiste Zeit "nur" beste Freunde. Lone Scherfig hat aus einem Bestseller einen interessanten Liebesfilm gemacht, der vor allem von Anne Hathaway getragen wird.

Rüdiger Suchsland im Gespräch mit Beatrix Novy | 03.11.2011
    Beatrix Novy: Sie wollen nur Freunde sein, denn Freundschaft ist kostbarer als Liebe, die gehört in eine andere Schublade, aber wenn so ein gemischtes Freundes-Duo in ein und demselben Film dauernd bedeutungsvoll aufeinandertrifft, dann muss es wohl doch was anderes, vielleicht doch irgendwie Liebe sein. Genau das ist der Spannungsbogen Marke "Harry und Sally". Diesem Erfolgsfilm von 1989 scheint die Story, die die dänische Regisseurin Lone Scherfig in ihrem neuen Film "Zwei an einem Tag" aufrollt, ein bisschen nachgeraten zu sein. Aber zunächst soll Rüdiger Suchsland diese Story mal erzählen.

    Rüdiger Suchsland: Sie erzählt von zwei Menschen, die sich Ende der 80er-Jahre treffen, die eine Nacht miteinander verbringen, allerdings nicht miteinander schlafen, und die dann beschließen, gute Freunde zu sein, bester Freund, beste Freundin. Das ist schon so ein bisschen ein ausgedachtes Konzept. Das wirkt fast so, als ob Menschen ihr Leben nach dem Kino oder nach bestimmten Zeitschriften gestalten. Und wenn das dann als Roman erzählt wird, dann hat das für viele gut funktioniert, sonst wäre es kein Bestseller geworden.

    Im Kino funktioniert es, glaube ich, nicht so gut, weil da natürlich im Grunde genommen das, was so aus dem Film herausgezogen ist, wieder im Kino landet und weil hier schon wahnsinnige Klischees auch wiedergekäut werden. Diese Emma, diese junge Frau, ist eine College-Studentin, die aber gleichzeitig ein Bücherwurm ist, eine Intellektuelle, die selber Romane schreibt, und das Ganze wird beglaubigt, indem sie eine Brille aufgesetzt bekommt, sonst würde nämlich sowieso keiner verstehen, warum dieser Jim Sturgess die wunderschöne Anne Hathaway die ganze Zeit über 20 Jahre verschmäht.

    Novy: Aber Lone Scherfig ist ja eine Regisseurin, die mit "An Education" und mit "Italienisch für Anfänger" durchaus auch schon von Grund auf melancholische und ernsthafte Filme gedreht hat. Soll das nun lustig sein, weil man ja eben an "Harry und Sally" erinnert wird, oder soll es doch ernsthaft sein?

    Suchsland: Ja. Also man muss, glaube ich, auch sagen, dass es immer wieder – und wir kennen eine ganze Menge solcher Filme – Werke gibt, die ins Kino kommen, weil da vor allem eine Kalkulation dahinter liegt. Wir wissen, dass es Hollywood gar nicht so gut geht, wie sie gerne tun. Da finden Neuauflagen, Remakes von Filmen statt, dann wird ein Buch gestreckt auf drei, vier, fünf Filme. Das alles haben wir in den letzten Jahren erlebt. Und dies ist nun der Fall, dass man einen Bestseller nimmt, man hofft, dann geht jeder, der ihn gelesen hat, rein, am besten mit seinem Lebenspartner, doppelter Kartenverkauf, dann nimmt man noch mindestens einen Star wie Anne Hathaway, dann nimmt man eine Regisseurin, die dem ganzen so ein bisschen auch einen Kunst- und Kulturanstrich gibt, und das Ganze kann schon gut funktionieren. Es kann auch sein, dass das bei uns im Kino funktioniert.

    Ich finde den Film ja auch nicht uninteressant. Er ist vor allem interessant, weil er ein Werk ist, der einen dazu anregt, nachzudenken über die moderne Liebe und über Auffassungen, die so heute kursieren, wie der Mensch mit seinen Gefühlen umzugehen hat, wie man mit Freundschaft umzugehen hat, wie man mit auch verpassten Chancen umzugehen hat, denn es geht ja hier eigentlich darum, dass sich zwei Leute über zwei Jahrzehnte verpassen und dann irgendwann doch noch zueinander finden.

    Novy: Es gibt ja da eine bestimmte Machart des Films, die doch ganz interessant klingt.

    Suchsland: Ja, genau: immer rekurrieren auf einen Tag. Das ist natürlich eine spezielle Machart, die ist halt auch schon von dem Roman her, dass man im Grunde genommen an diesem Tag versucht, das Vergehen der Zeit zu erzählen. Das ist immer der 15. Juli, das Vergehen der Zeit …

    Novy: Warum eigentlich der 15. Juli?

    Suchsland: …, weil die sich am 15. Juli getroffen haben bei einer College-Abschlussfeier. Und dann ist es so: Einmal ist da auch eine Hochzeit und es ist im Sommer, da scheint die Sonne, man kann leicht bekleidet herumlaufen. Es ist so, dass das Vergehen der Zeit halt dann vor allem erzählt wird, weil es ja immer der gleiche Tag ist und das gleiche Wetter ungefähr, indem die Kostüme verschieden sind und indem die Regisseurin Musik einbaut, die sehr mit der Zeit verbunden wird. Es ist natürlich auch so, dass sich jeder Zuschauer an sich selber erinnert, weil wir diese letzten zwei Jahrzehnte ja verbracht haben.

    Novy: Na das klingt doch nach Erfolgsrezept. Werden die Protagonisten älter?

    Suchsland: Ja. Sie werden älter, indem so ein bisschen das Graue angeschminkt wird. Anne Hathaway spielt das ganz gut. Anne Hathaway ist ja auch ein bisschen über 30, das heißt, sie ist am Anfang jünger und sie ist dann am Ende eine gut erhaltene 40-Jährige. Ich denke, dass die das auch sehr gut spielen kann. Das ist auch die interessantere Figur, weil die mit sich selber unzufrieden ist.

    Diese Figur des Daxter, wie er in dem Film heißt, von Jim Sturgess gespielt, das ist halt eine Figur, das ist so ein allzu selbstbewusster, allzu gut gekleideter, allzu gut aussehender Mensch, der auch noch viel Geld hat, weil seine Familie reich ist, der sich dann als Fernsehmoderator mehr schlecht als recht durchschlägt, also ganz interessant, aber nicht auf Anhieb sympathisch. Ich glaube, dass die Zuschauer ganz eindeutig erst mal mit der Frau mitgehen und sich identifizieren: mit ihrer Melancholie, mit ihrer Erfolglosigkeit, mit ihrem Hadern mit sich selbst. Das ist ja das Menschlichere.

    Novy: Ganz neu im Kino und für Paare geeignet "Zwei an einem Tag". Das war Rüdiger Suchsland.

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