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Verräterische Kleidung

Kriminalistik.- Das Aufspüren von Fingerabdrücken gehört zu den Kernaufgaben der polizeilichen Ermittlungsarbeit an Tatorten. Fingerabdrücke auf einem Stück Stoff zu sichern, war bisher jedoch mehr als kompliziert. Schottische Forscher haben dies jetzt stark vereinfacht.

Von Michael Stang | 22.02.2011
    "Ist es möglich, Finger- oder Handabdrücke auf Textilien nachzuweisen? Und wenn ja, welche Methoden funktionieren und auf welchen Textilien kann man diese Spuren überhaupt nachweisen? Und bleiben diese Spuren lange genug erhalten, damit wir sie sichtbar machen können?"

    David Bremmer von der Universität von Abertay suchte schon seit einiger Zeit zusammen mit der Polizei von Dundee nach einer geeigneten Methode, um Fingerabdrücke nicht nur von glatten Flächen nehmen zu können, sondern auch von weichen Materialien wie Stoff. Der Forensikprofessor probierte daraufhin die sogenannte Vakuum-Metallisierung aus. Bei dieser Methode kommt das Material, auf dem sich vermutlich Fingerabdrücke befinden, in eine Art stählernen Backofen.

    Darin wird Gold verdampft, das sich als dünner Film auf dem Material verteilt. Das gleiche passiert anschließend mit Zink, das sich auf der Goldschicht absetzt – allerdings nur dort, wo keine Fingerabdrücke sind. An den Stellen, die von einer Person angefasst wurden, ist ein goldener Fingerabdruck zu sehen, die anderen Bereiche sind von einem Metallschleier überzogen. Diese Methode kommt zwar bereits seit einiger Zeit mit Erfolg bei der Polizei zum Einsatz, bislang aber nur bei Gläsern, Türen oder Besteck. Zu Bremmers Erstaunen funktionierte sie auf Anhieb auch bei Textilien.

    "Mit Fingerabdrücken meinen wir aber nicht in erster Linie das individuelle Muster der Beeren, sondern Spuren, die Finger oder Hände generell hinterlassen haben. Zwar können wir in 20 Prozent der Fälle tatsächlich das Kuppenprofil nachweisen, aber darum geht es nicht vorrangig. Welche Qualität die Abdrücke haben, hängt hauptsächlich davon ab, wie gleichmäßig der Stoff ist."

    Gibt es einen brauchbaren Abdruck, muss dieser schnell nach Verlassen der Vakuumkammer abfotografiert werden, da das Zink und Gold mit der Luft reagieren und sich die Fingerabdrücke auf dem Stoff schnell verändern. Das Foto jedoch hat David Bremmer zufolge eine große Aussagekraft.

    Nachdem die schottischen Forscher die Methode auf ihr Prinzip getestet hatten, folgte eine Reihe an Experimenten. Dabei trug eine Mitarbeiterin ein Stück Teststoff am Arm. Probanden mussten sie am Arm festhalten, damit sie auf dem Teststoff realistische Finger- und Handabdrücke hinterließen. Dabei sahen sie, dass die Qualität der Abdrücke auch von der Menge des Schweißes auf der Hand des Angreifers abhängig ist. Wer viel schwitzt, hinterlässt eher brauchbare Spuren. Die besten Ergebnisse erzielten sie bei Textilien, die sehr dicht gewebt waren, etwa bei Nylon, Polyester oder Seide. Wolle und Baumwolle eigneten sich für den Nachweis kaum.

    "Erstaunlicherweise kann man damit nun erstmals auch andere Sachen untersuchen als nur die Tatsache, dass eine Person A ein bestimmtes Stück Stoff angefasst hat. Wenn etwa eine Frau bei der Polizei eine Anzeige gegen einem Mann erstattet, der sie attackiert hat, können wir nun neutral nachweisen, ob, wo und wie er die Frau angegriffen hat, weil wir seine Abdrücke auf der Kleidung nachweisen und so die Aussage der Frau bestätigen können."

    Auch Handabdrücke können damit sichtbar gemacht werden. So kann etwa der Abdruck einer ganzen Hand auf der Jackenrückseite eines Sturzopfers anzeigen, dass diese Person vom Balkon gestoßen wurde.

    "Das Fabelhafte an dieser Methode ist, dass wir nicht nur Finger- und Handabdrücke auf einem Stück Stoff lokalisieren können und wissen, wo und wie der Träger dieses Kleidungsstücks angefasst wurde, sondern wir sehen damit auch deutlich, wo wir Hautschuppen für eine DNA-Analyse finden können."