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Verrostete Atomfässer im AKW Brunsbüttel

Schon Mitte Dezember gab es im AKW Brunsbüttel durchgerostete Stahlbehälter mit schwachem und mittelstark radioaktivem Atommüll. Erst im Januar aber brachte der TÜV-Nord die Sache ans Licht. Die Öffentlichkeit blieb weiter im Dunkeln. Gestern nun endlich ging der zuständige Minister in Schleswig-Holstein Emil Schmalfuß damit vor die Presse.

Dietrich Mohaupt im Gespräch mit Ursula Mense | 08.03.2012
    Ursula Mense: Er lässt nun alle Lagereinrichtungen im Land überprüfen. Und sparte auch nicht mit Kritik an der Politik des AKW-Betreibers Vattenfall. Dietrich Mohaupt in Kiel, Sie beobachten die Vorgänge. Vattenfall hat inzwischen Fehler eingeräumt, aber warum hat es so lange gedauert, bis die Öffentlichkeit von den Vorfällen erfahren hat?

    Dietrich Mohaupt: Das hat natürlich einmal mit dem Verhalten von Vattenfall zu tun – der Konzern hatte das völlig verrostete Fass mit radioaktiven Abfällen aus Filtern zwar schon im Dezember entdeckt, den Vorfall aber ganz einfach als "nicht-meldepflichtig" betrachtet und deshalb auch nicht an die zuständige Aufsichtsbehörde – das ist in diesem Fall das schleswig-holsteinische Justizministerium – gemeldet. Erst Anfang Januar war bei Routinekontrollen das Problem aufgefallen, die Behörden haben dann nachgefragt und wurden erst dann von Vattenfall informiert. Dass es dann noch bis gestern gedauert hat, bevor auch die Öffentlichkeit informiert wurde, hat das Justizministerium damit erklärt, dass man erst belastbare Fakten sammeln wollte, und das hat eben ein paar Wochen gedauert.

    Ursula Mense: Aus der Fachabteilung des Ministeriums hört man, es gebe keine Sicht- und Zugangsmöglichkeit zu den unterirdischen Kavernen, in denen sich noch rund 500 Fässer befinden.
    Wie soll das Problem denn nun gelöst werden?

    Dietrich Mohaupt: Daran arbeiten derzeit die Experten unter Hochdruck – Fakt ist, dass die unterirdischen Lager nur von oben geöffnet werden können, sie sind sehr dicht mit Abfallfässern gefüllt, man kann also wirklich nicht da rein und sich einzelne Fässer anschauen. Ein Lösungsansatz dafür könnten automatische Kameras sein, die Aufnahmen aus dem Inneren der Kavernen liefern sollen. Ob das funktioniert, ist aber angesichts der hohen Strahlenwerte in den Lagerräumen eher unsicher. Über andere technische Wege, die Fässer zu begutachten, wird derzeit intensiv beraten – weder Vattenfall noch die Atomaufsichtsbehörde wollte dazu heute aber Details bekanntgeben. Zwischen den Zeilen war aber deutlich herauszuhören: So ganz schnell wird man da keine Lösung finden.

    Ursula Mense: Gestern hieß es auch: Es sei keine Radioaktivität ausgetreten. Über was für eine Strahlungsintensität reden wir denn?

    Dietrich Mohaupt: Die einzelnen Fässer sind, wie gesagt, mit schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen gefüllt, die geben also keine sehr hohen Strahlendosen ab. Das Problem ist aber die schon angesprochene sehr enge Lagerung der Fässer: Die sind in diesen Betonkavernen gestapelt – immer sechs Fässer übereinander, der Abstand zwischen den Fässern liegt gerade einmal bei 15 Zentimetern - insgesamt gehen 120 der Stahlfässer in so eine Kaverne. In den schmalen Bereichen zwischen den Fässern liegt die Strahlenbelastung, die sogenannte Dosisleistung, nach Angaben der Aufsichtsbehörde bei rund 500 Millisievert pro Stunde – das ist ein sehr hoher Wert. Zum Vergleich: Die natürliche Strahlung, der ein Mensch in Deutschland ausgesetzt ist, liegt bei etwa zwei Millisievert pro Jahr.

    Ursula Mense: Offenbar lagern diese Fässer ja schon sehr lange dort, was ursprünglich gar nicht so geplant war. Muss man nicht damit rechnen, dass dieses Problem auch andere AKWs haben, und dort möglicherweise ebenfalls jede Menge morscher Fässer herumliegen?

    Dietrich Mohaupt: Genau das ist die Sorge der Aufsichtsbehörde hier in Schleswig-Holstein – deshalb wurde inzwischen auch das Bundesumweltministerium über den Vorfall in Brunsbüttel informiert – so soll sichergestellt werden, dass auch in anderen AKWs in Deutschland solche Kavernenlager jetzt überprüft werden. Üblich sind diese Kavernen eigentlich nur bei älteren Kraftwerken, neuere AKWs haben in der Regel sogenannte Fasslager auf ihrem Gelände, das sind speziell gesicherte Hallen, in denen die Fässer mit den Abfällen in Regalen gelagert werden, die sind wesentlich leichter zu kontrollieren und zu überwachen als die Kavernen. Das Problem mit morschen, korrodierten Atommüllfässern kann also tatsächlich auch in anderen Anlagen auftreten – man muss aber auch dazu sagen, dass Vattenfall schon seit 2004 etwa 650 Fässer aus dem Lager in Brunsbüttel herausgeholt und in andere Behälter umgefüllt hat. Dabei ist nach Aussagen des Konzerns kein einziges Fass so stark beschädigt gewesen, wie das völlig korrodierte Fass aus dem Dezember vergangenen Jahres.

    Ursula Mense: Dietrich Mohaupt über die Ereignisse im AKW Brunsbüttel, wo verrostete Atomfässer entdeckt wurden.