Donnerstag, 18. April 2024

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Versicherungspflicht gegen Elementarschäden
"Ein Problem, was angepackt werden muss"

Flutkatastrophen und Überschwemmungen der letzten Zeit haben gezeigt: In vielen Fällen zahlt die Wohngebäude- und Hausratversicherung nicht für die entstandenen Schäden. Eine Elementarschaden-Versicherung ist aber zu bezahlbaren Konditionen kaum zu erhalten. Als einziger Ausweg bleibe eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden, sagte Bianca Boss vom Bund der Versicherten im DLF.

Bianca Boss im Gespräch mit Georg Ehring | 06.06.2016
    Zwei Autos sind unter eine Geröllmasse verschüttet
    Wer zahlt für die Schäden nach den Naturkatastrophen. (dpa / Marijan Murat)
    Georg Ehring: Quer durch das Land häufen sich Unwetter. Es gibt Tote und hohe Sachschäden auch an Orten, wo es niemand erwartet hätte. In vielen Fällen zahlt die Wohngebäude- und Hausratversicherung nicht. Eine Elementarschaden-Versicherung haben viele Betroffene nicht abgeschlossen. Diejenigen, die sie absehbar besonders nötig haben, etwa weil sie nahe am Flussufer gebaut haben, die bekommen diese Police allerdings erst meist gar nicht. Den Versicherungen ist es zu riskant, sie bleiben buchstäblich im Regen stehen. - Frage an Bianca Boss, Sprecherin des Bundes der Versicherten: Könnte eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden helfen?
    Bianca Boss: Tatsächlich ist das unseres Erachtens - und da stehen wir nicht alleine mit der Meinung, sondern da unterstützt uns zum Beispiel auch die Verbraucherzentrale Sachsen - die einzige Möglichkeit, diesem Problem Herr zu werden, denn die Versicherungswirtschaft schafft es einfach nicht, den wirklich Betroffenen Versicherungsschutz zu besonderen Konditionen oder bezahlbaren Konditionen anzubieten. Die stehen dann wirklich alleine da mit ihren Problemen, und das kann so nicht sein.
    Ehring: Was würde so eine Pflicht-Elementarschaden-Versicherung alles umfassen?
    Boss: Das wäre so wie heute die normale private Elementarschaden-Versicherung auch Überschwemmung durch Starkregen. Das wäre zum Beispiel der Vulkanausbruch, Erdbeben, Erdsenkung, Lawinen, Schneedruck, also tatsächlich das, was alle Regionen betreffen würde. Der, der vielleicht oben auf dem Berg wohnt, der ist natürlich nicht von Hochwasser betroffen, aber der ist dann von Lawinen und Schneedruck betroffen. Auch der kann von einer solchen Pflichtversicherung natürlich sein Gutes haben.
    "Alle hätten etwas davon"
    Ehring: Aber wenn ich jetzt mit persönlicher Risikoabwägung sage, mir bringt das nichts, ich möchte sie nicht, ist das kein Gegenargument?
    Boss: Ja oder nein. Es gibt ja auch einen Krankenversicherungsbereich. Gott sei Dank sind alle in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Man kann sich natürlich auch für die Private entscheiden, aber erst mal besteht für jeden Bundesbürger Versicherungsschutz. Der eine sagt vielleicht wieso, ich bin doch nie krank und ich achte auf mich selber, ich brauche die eigentlich gar nicht. Letztendlich soll das ja vor existenziellen Risiken schützen und wie wir sehen, durch diese Elementarschäden passieren einfach existenzielle Probleme. Das Haus ist weg, die Schulden sind immer noch da. Und wie gesagt, es gibt keine Möglichkeit für diese Betroffenen oder für Personen, die in Risikogebieten wohnen, adäquaten Versicherungsschutz von der Versicherungswirtschaft zu bekommen. Deswegen ist unseres Erachtens die einzige Möglichkeit, tatsächlich jeden Bundesbürger, der ein Haus besitzt, dazu zu verpflichten, diese Versicherung abzuschließen. Das ist sicherlich kein großer Betrag, von dem man da spricht, so dass alle etwas davon haben würden.
    Ehring: Gab es so was denn schon mal? Gibt es da Vorbilder, dass so eine Versicherungspflicht schon mal funktioniert hat?
    Boss: Es gibt so was im Nachbarland, der Schweiz zum Beispiel. Da ist eine solche Versicherungspflicht schon vor langem eingeführt worden und da haben wirklich alle was von. Jetzt muss es nur noch auf Deutschland überspringen.
    Ehring: Planen Sie jetzt nach der Hochwasserkatastrophe oder nach der Häufung von Hochwasserkatastrophen einen neuen Anlauf dafür? Wie sind denn die Mehrheitsverhältnisse?
    Boss: Wir bringen es natürlich jetzt noch mal mit Pressemitteilungen und so weiter ein bisschen mehr ins Spiel, dass die Ministerien, die Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer noch mal darüber nachdenken, wie sieht es denn eigentlich aus, kann man das Problem nicht noch mal angehen, was spricht dafür, was dagegen. Ich denke, letztendlich erkennen alle, dass was getan werden muss, und schließlich die Leute, die jetzt betroffen sind, werden ja auch im Endeffekt von den Kommunen, vom Staat noch mal was bekommen und letztendlich zahlt das dann auch jeder Bürger mit seinen Steuern mit. Deswegen warum nicht gleich so anfangen und tatsächlich eine gesetzliche Versicherungspflicht einführen. Das ist natürlich heutzutage von der Politik immer nicht ein ganz so schönes Thema, weil eventuell dann auch Wähler weglaufen und wir uns momentan in einer harten Phase befinden, was den Wahlkampf betrifft. Dementsprechend mag das sein, dass sie das Problem nicht so gerne anpacken wollen. Aber es ist, glaube ich, eins, was angepackt werden muss. Da geht nichts dran vorbei.
    Ehring: Es ist aber noch nicht angepackt und viele Menschen stehen jetzt vor der Frage, ich würde gerne eine solche Elementarschaden-Versicherung abschließen und bekomme unter Umständen keine. Wie sollen die denn vorgehen und was meinen Sie, wie viele vielleicht davon betroffen sind?
    Boss: Das ist gar nicht so einfach gesagt. Die Versicherungswirtschaft meint ja, es sind 99 Prozent der Haushalte versicherbar. Das ist unseres Erachtens schon jetzt nicht der Fall. Versicherbar ist ja auch immer so eine Frage, können die Leute überhaupt die Versicherungsbeiträge, die Prämien bezahlen, die dann angeboten werden. Das ist häufig nicht der Fall, wenn man in einer höheren Risikoklasse wohnt. Und diejenigen, die vielleicht Versicherungsschutz haben, werden vielleicht auch in naher Zukunft bei ein, zwei, drei Schadensfällen dann gekündigt werden. Das Problem würde ja alles nicht bestehen, wenn es so eine Versicherungspflicht geben würde.
    Ehring: Soweit Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.