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Versorgungsausgleich
Zu DDR-Zeiten geschiedene Frauen haben schlechte Karten

Etwa 300.000 Frauen im Osten Deutschlands leben an oder unter der Armutsgrenze. Nur, weil ihnen heute - nach der Scheidung zu DDR Zeiten - kein Versorgungsausgleich für gemeinsame Ehejahre zusteht. Ein Aspekt der im Einigungsvertrag schlicht vergessen wurde. 2012 haben die ostdeutschen Frauen gar den Diskriminierungsausschuss der Vereinten Nationen eingeschaltet.

Von Christoph Richter | 01.10.2015
    1989: Wie Tausende weitere ausreisewillige DDR-Bürger harren die beiden Frauen mit ihren Kindern vor der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland aus.
    Nach Schätzungen des Vereins geschiedener DDR-Frauen könnte es um 100 bis 400 Euro gehen, die jeder betroffenen Frau zustünde. (picture-alliance / dpa)
    "Eigentum ist uns gestohlen worden. Unsere Rente ist unser Eigentum. Das können wir nicht hinnehmen."
    Erzählt Dorothea Seefeld. Mutter zweier Kinder. Die Hallenserin hatte sich zu DDR-Zeiten für die Versorgung der Kinder entschieden. Dann wurde Mitte der 1980er Jahre ihre Ehe geschieden. Eigentlich unproblematisch, weil das DDR-Rentensystem den Frauen Vorteile zusprach, wie Zurechnungsjahre für die Kinderbetreuung. Denn eine Teilung der erworbenen Rentenansprüche zwischen den Ehepartner, wie hierzulande üblich, gab es in Ostdeutschland nicht. Eine Rechtsprechung, die mit in das vereinigte Deutschland übernommen wurde, der sich aber für viele Frauen als großer finanzieller Nachteil erwies.
    "Die Ungleichheit ist die Nichtanerkennung unserer Familienleistung, die ja im Westen durch den Versorgungsausgleich etwas ausgeglichen wird. Und wir haben gar keinen Ausgleich."
    Empört sich Hanna Kirchner, eine energische Frau. 23 Jahre war die frühere Lehrerin verheiratet, hat zwei Kinder groß gezogen, weshalb sie einige Jahre zu Hause blieb.
    "Und die Männer, deren Familienleistung wir ja mitgetragen haben, die sind mit voller Rente in die Einheit gegangen."
    Während man den geschiedenen Frauen fast alles genommen hätte, so Hanna Kirchner. Theater, Kino oder gar Reisen: Alles nicht drin, für geschiedene Frauen aus den neuen Bundesländern, nur weil sie sich für die Familie entschieden haben. Dinge, die für Frauen mit der gleichen Biografie in den alten Bundesländern völlig selbstverständlich sind, so Kirchner weiter.
    DDR-Zusatzrente sorgt für ein weiteres Problem
    Ein weiteres Problem, ist in ihren Augen die DDR-Zusatzrente, die viele Frauen damals abgeschlossen haben, um die Kinderversorgungs-Zeit auszugleichen. Im sogenannten Rentenüberleitungsgesetz - mit dem man versucht hat das Renten-System der DDR mit dem der Bundesrepublik auf einen Nenner zu bringen - taucht sie allerdings gar nicht auf. Stattdessen wird die DDR-Zusatzrente für Frauen als Verdienst eingestuft. Die 70jährige Leipzigerin Ute Lauterbach ist fassungslos.
    "Die drei Mark, die wir bezahlt haben, die wurden als Verdienst gewertet. Das muss man sich mal vorstellen. Dann haben wir also im Monat drei Mark verdient, im Jahr 36 Mark, und wenn das eine Frau 20 Jahre gemacht hätte, die würde heute 4,72 Euro Rente kriegen, das muss man sich mal vorstellen."
    Nach Angaben des Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen sind von dieser Schieflage rund 300.000 Frauen betroffen. 2012 hat man eine Diskriminierungs-Beschwerde bei der UN Menschenrechtskommission in Genf eingereicht. Unterstützt werden sie dabei von der Berliner Menschenrechtlerin Marion Böker.
    "Nach dem UN Abkommen zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau dürfte ja diese Diskriminierung gar nicht bestehen. Also diese Frauen im vereinigten Deutschland müssen genauso behandelt werden, oder genauso wenig diskriminiert werden, aufgrund ihrer Lebenssituation und Biografie, wie die Frauen in Westdeutschland."
    Diskriminierung nicht rechtens
    1985 hat die Bundesrepublik Deutschland das sogenannte UN-Antidiskriminierungsabkommen CEDAW ratifiziert. Indem klar geregelt ist, wenn eine Diskriminierung vorliege, dass diese dann sofort zu beseitigen sei. Das ist hartes Gesetz, keine Resolution, die mal irgendwo gefasst wurde, ergänzt noch Marion Böker.
    Eine Klärung scheint aber nicht in Sicht. Denn eine erste Stellungnahme der Bundesregierung war der Genfer UN-Menschenrechtskommission nicht ausreichend, weshalb man bis Juli diesen Jahres weitere Auskünfte angefordert hat. Doch passiert sei seitens der Bundesregierung überhaupt nichts, sagt Marion Böker. Weshalb mit einer Entscheidung vor 2016 nicht zu rechnen ist, so Böker weiter.
    Etwa zwischen 60 und 120 Millionen Euro Nachzahlungen stehen an
    Einer der Gründe, warum die Politik das Problem nur mit spitzen Fingern anfasst, liegt sicher auch darin, weil da finanzieller Sprengstoff lagert. Denn würde man einen Ausgleich schaffen, konstatiert CDU Mitglied Michael Schneider, Bevollmächtigter des Landes Sachsen Anhalt beim Bund, würden - ohne konkrete Zahlen zu nennen-– immens hohe Kosten auf Länder und Bund zukommen.
    "Das Thema wird seit Jahren auf der Bundesseite diskutiert und es nicht einfach, eine Lösung zu finden. Weil wir auch kein Gesetz sehen, dass das schlanker Hand regelt."
    Nach Schätzungen des Vereins geschiedener DDR-Frauen könnte es um 100 bis 400 Euro gehen, die jeder betroffenen Frau zustünde. Bei etwa 300.000 Fällen würden da zwischen 60 und 120 Millionen Euro Nachzahlungen fällig werden.
    "Das geht nicht von den Rentenkassen, das fordern wir nicht. Wir fordern das Geld aus dem Steueraufkommen. Und da sagt Herr Schäuble Nein."
    Hanna Kirchner betont, dass es ihr um keinen Rachefeldzug gegen die Männer gehe. Ganz im Gegenteil, man wolle lediglich mit den Frauen in der Bundesrepublik gleichgestellt werden.