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Versorgungsgesetz für die Gesundheit in der Kritik

Vor allem Ärzte aufs Land locken, das war und ist das Ziel des Versorgungsgesetzes. Es gibt zwar immer mehr Ärzte, aber auf dem Land fehlen sie, denn dahin wollen die wenigsten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert deshalb die Umsetzung.

Von Philip Banse | 15.07.2011
    Die Verbraucherschützer kritisieren vor allem drei Punkte. Zunächst geht es um gute Versorgung mit Ärzten. In Städten und wohlhabenden Gegenden gibt es zu viele Ärzte, auf dem Land zu wenig. Dieser jetzt vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der gemeinsame Bundesausschuss, also das fast alles entscheidende Gremium der medizinischen Selbstverwaltung, zukünftig empfehlen soll, wo wie viele Ärzte angesiedelt werden sollen. Er soll auch Planungsbezirke festlegen können. Denn heute gilt ein Landkreis auch dann als gut versorgt, wenn alle Ärzte in der Kreisstadt arbeiten, Patienten auf den Dörfern aber keinen Arzt in Reichweite haben.

    Diese vorgesehene Planungsmacht sei aber nicht verbindlich, kritisieren die Verbraucherschützer, und könnten von Ländern und Ärztevertretungen verwässert werden. Die Bundesregierung will Ärzten eine Buschzulage gewähren. Wer aufs Land geht, soll Geld bekommen für Praxiseinrichtungen und -umzug. Gute Idee, sagt die Gesundheitsexpertin des VZBV, Ilona Köster-Steinebach, aber sie sei schlecht umgesetzt:

    "Wenn man sich die Fördersummen mal ansieht, so wären das für 2010 48 Millionen Euro gewesen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein."

    Um die Überversorgung in wohlhabenden Gebieten zu bekämpfen, sieht das Gesetz vor: Die Kassenärztlichen Vereinigungen, also die Ärzteorganisationen, die die Honorare verteilen, sollen frei werdende Praxen aufkaufen und stilllegen dürfen. Das müssten sie aber mit Ärztehonoraren bezahlen, sagt Verbraucherschützerin Köster-Steinebach, der Aufkauf sei daher unwahrscheinlich:

    "Dann bleibt es also dabei, dass die Ärzte weitgehend nach finanzieller Attraktivität und nach Reiz des Wohnumfelds ihren Praxissitz aussuchen können und diese Ärzte stehen dann für unterversorgte Regionen nicht mehr zur Verfügung und das Geld, das dort ausgegeben wird, auch nicht."

    Der zweite Kritikpunkt betrifft die Einführung von Innovationen, wie also neue medizinische Mittel und Methoden an die Patienten gebracht werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Pharmaindustrie beim gemeinsamen Bundesausschuss einen Antrag stellen kann, neue Methoden auszuprobieren. Stimmt der Ausschuss zu, bedeutet das, dass in Krankhäusern und bei Ärzten neue Methoden ausprobiert werden und auch von Kasse bezahlt werden. Die Verbraucherschützer kritisieren daran zwei Punkte: So ein Feldversuch soll nur verhindert werden können, wenn zwei Drittel des gemeinsamen Bundesausschusses dagegen sind:

    "Das deutet de facto, dass die Interessenvertreter der Ärzte und Krankenhäuser, die ökonomisch von der Anwendung dieser neuen Methoden profitieren, diese ablehnen müssen. Klingt, als wäre das unwahrscheinlich."

    Zudem hänge die Latte für so einen Feldversuch sehr niedrig: Die neue medizinische Methode soll lediglich das "Potential" haben, eine "erforderliche Behandlungsalternative" zu sein. Dazu kommt: Wenn dann so ein Feldversuch stattfindet, müssten Ärzte die Ergebnisse nur lose dokumentieren, mit einer wissenschaftlichen Studie zur Bewertung dieser neuen Methode habe das nichts zu tun, klagt Verbraucherschützerin Köster-Steinebach:

    "Der Gewinn ist, dass man dann ambulante Ärzte dazu gewinnen kann, diese Spezialmethode anzubieten, vielleicht zu bewerben. Und für die Medizinproduktehersteller ist der Gewinn, dass ihr Produkt relativ schnell in relativ vielen Praxen angeschafft werden muss. Das ist Gewinn."

    Der dritte Kritikpunkt betrifft die Mitbestimmung und Transparenz. Die Verbraucherschützer fordern, dass sie im so wichtigen gemeinsamen Bundesausschuss volles Stimmrecht bekommen. Die Verbraucherschützer fordern auch mehr Transparenz. Beispiel Bewertungsausschuss: Hier werden ambulante Honorare festgesetzt, es wird also festgesetzt, welche Leistungen sich für die Ärzte lohnen und welche nicht. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dieser wichtige Ausschuss geheim sein soll.