Donnerstag, 28. März 2024

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Versorgungsreform
Koalition weist Ärztekritik ab

Von Johannes Kulms | 05.03.2015
    Es ist die erste Lesung zu jenem Gesetz, das die Verteilung der Ärzte neu regeln soll. Doch der Hauptverantwortliche für die Reform Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe – fehlt an diesem Morgen im Bundestag. Gröhe hat die Grippe.
    "Ich kann bezeugen, dass er bis Dienstagmorgen schon stark kränkelnd an diesem Gesetz gearbeitet hat. Er hat sozusagen seine letzte gesunde Sitzung mit uns noch verbracht", beteuert Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion.
    Und so kommt es der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz zu, für jenes Vorhaben zu werben, das seit Monaten unter Beschuss der Ärzteschaft steht. Dabei gehe es darum, die gute medizinische Versorgung weiterhin sicher zu stellen, sagt die CDU-Politikerin:
    "Gut erreichbar, in der Stadt und auf dem Land, qualitativ hochwertig in der einzelnen Praxis, im Krankenhaus und beim Facharzt."
    Dafür will die Bundesregierung die Ärzte in Deutschland anders verteilen: Finanzielle Anreize sollen Mediziner in unterversorgte Gebiete auf dem Land locken, zudem sollen Kommunen einfacher medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, gründen können.
    Scharfe Kritik der Ärzteschaft
    Anders in medizinisch überversorgten Gegenden: Geht ein Arzt in Ruhestand, sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen dessen Arztsitz aufkaufen. Die betroffene Praxis soll künftig nur dann weitergeführt werden, wenn dies von Ärzten und Krankenkassen vor Ort für sinnvoll befunden wird.
    Die deutsche Ärzteschaft übt massive Kritik an den Plänen: Der NAV-Virchow-Bund wittert "Zwangseinkäufe", die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV sieht 25.000 Praxen von der Schließung bedroht. Diese Zahl sei völliger Unsinn, sagt Staatssekretärin Widmann-Mauz:
    "Und wenn es nicht nur ein PR-Gag sein soll, dass Sie für Ihr Leben gern arbeiten, dann bedeutet das auch, dass sie zumindest dort arbeiten, wo die Patienten leben", sagte die Widmann-Mauz an die Ärzteschaft gerichtet. Die Mediziner stören sich auch an den Terminservicestellen, die mit dem neuen Gesetz geschaffen werden sollen. Diese Einrichtungen sollen den Patienten künftig ein Termin beim Facharzt binnen vier Wochen garantieren. Wartezeiten sollen dadurch kürzer werden.
    Opposition kritisiert Gesetz
    Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, sieht das Gesetz auf dem falschen Weg, um die ärztliche Versorgung in Deutschland zu verbessern:
    "Solange die Ärzteschaft bei Privatversicherten für die selbe Leistung doppelt und drei Mal so viel abrechnen können wie bei Gesetzlichversicherten, solange wird es eine Zweiklassenbehandlung in den Arztpraxen geben. Wer die Wartezeiten für Gesetzlichversicherte verringern will, der muss die Zweiklassen-Medizin beseitigen und der muss an die private Krankenversicherung ran."
    Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Harald Terpe, ist klar: Das Gesetz wird nicht den Ursachen der Wartezeiten auf den Grund gehen:
    "Und da haben wir noch erheblichen Nachholbedarf. Und da bin ich wieder bei dem, was Sie mit Ihrem Versorgungsstärkungsgesetz überhaupt nicht regeln: Nämlich die Verbesserung, die Reform der Bedarfsplanung."
    Vom Bundesgesundheitsminister wünschen sich die Oppositionspolitiker Änderungen am Gesetzestext. Herrn Gröhe selber wünschten sie aber zunächst eines: Gute Besserung.