Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Verständige Maschinen
Die smarte Fabrik setzt auf die semantische Spracherkennung

Wenn Computer natürliche Sprache verstehen und auch umsetzen könnten, würde sich vieles in der Produktion ändern. Noch liegen hier aber zwei Systeme im Wettstreit miteinander: Die US-Internetkonzerne bevorzugen einen webserviceorientierten Ansatz, der deutsche Mittelstand setzt eher auf die Serviceorientierte Architektur (SOA).

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 30.04.2016
    Besucher auf der Hannover Messe am 23. Apil 2016: Die Industrie 4.0 soll die Produktion revolutionieren
    Besucher auf der Hannover Messe am 23. Apil 2016: Die Industrie 4.0 soll die Produktion revolutionieren (TOBIAS SCHWARZ / AFP)
    Manfred Kloiber: Darüber wird ja schon länger diskutiert, natürliche Sprache auch in Produktionsumgebungen zu verwenden. Peter Welchering, sind denn die Algorithmen für die Mustererkennung inzwischen ausreichend, um eine entsprechende Qualität auch in lauten Produktionsumgebungen garantieren zu können?
    Peter Welchering: Die Mustererkennung funktioniert da sehr gut. Sie kann vor allen Dingen exzellent in Serviceorientierte Architekturen integriert werden. Denn die erlauben es, eine komplexe Softwareanwendung auch sprachlich zu modellieren. Und das hat dann den Vorteil, dass dasselbe Sprachmodell, das für die Verarbeitung natürlicher Sprache implementiert wird, auch für die Steuerung der unterschiedlichen Generationen von Robotern oder Fertigungsautomaten verwendet werden kann. Dafür wird die Maschinensprache dann erweitert. Sie besteht dann nicht mehr aus einzelnen Anweisungen, sondern aus kompletten und teilweise sogar komplexen Sätzen.
    Kloiber: Waren da in Hannover auch schon Praxisbeispiele zu sehen?
    Welchering: IBM hat eine solche Industrie-4.0-Anwendung gezeigt, die sie beim Landmaschinenhersteller John Deere implementiert haben. Sie haben dort ihr kognitives System Watson mit integriert. Watson bekommt dann etwa die Mitteilung von einem Fertigungsautomaten, dass ein Dichtungsring ausgetauscht werden muss, und legt dann gleich einen Termin dafür fest, beauftragt auch einen Wartungstechniker. Und wenn dieser Wartungstechniker dann zum festgelegten Termin an der Maschine ist, bekommt er von Watson direkt gesagt, was er tun soll, kann bei Unklarheiten auch noch mal bei Watson nachfragen. Insbesondere wenn die Fehlerbeseitigung sehr komplex ist, können solche kognitiven Systeme mit ihrem Expertenwissen gut helfen und den Reparaturprozess beschleunigen.
    Kloiber: Wie aufwändig ist denn in einem solchen Fall die Integration älterer Robotermodelle und Fertigungsautomaten?
    Welchering: Bei John Deere ist eine komplett neue Produktionsumgebung aufgebaut worden. Das ist in vielen Fällen auch in wirtschaftlicher Hinsicht günstiger als eine alte Umgebung mit sehr unterschiedlichem Hardwarepark zu vernetzen, viele Gateway einzubauen. Die Einführung einer Serviceorientierten Architektur hilft dabei, weil sie eine Art Metaebene für die Datenkommunikation einzieht und deshalb viele direkte Übersetzungsprozesse überflüssig werden. Aber die Einführung einer solchen SOA ist eben auch nicht mal nebenher zu machen, und sie ist auch nicht ganz billig.
    Kloiber: Hat der Mittelstand hierzulande denn schon die Vorteile einer solchen Serviceorientierten Architektur erkannt?
    Welchering: Das kann man nicht sagen. Im Gegenteil, nicht wenige Mittelständler sind da gebrannte Kinder, weil vor gut 20 Jahren mit der Einführung Serviceorientierter Architekturen zu viel versprochen wurde, was nicht gehalten werden konnte. Das ist mit heutigen Ansätzen, bei denen die gesamte Produktionsumgebung in ein Modell geschrieben wird, anders. Allerdings wird auch SOA nur dann das Standardisierungschaos in Sachen Industrie 4.0 beseitigen können, wenn ganz bestimmte Vorgehensmodelle und Umsetzungmodelle verabschiedet werden. Da blockt aber noch die US-Seite, vor allen Dingen die großen Internet-Konzerne. Die wollen natürlich die Industrie-4.0-Standards webserviceorientiert ableiten, weil sie dann unentbehrlich sind. Das aber ist gerade nicht im Interesse des Mittelstandes. Und man muss natürlich auch sehen, dass Industrie-4.0-Umgebungen eine gewisse IT-Infrastruktur voraussetzen, die wir in Deutschland so auch noch nicht überall haben, Stichwort: Breitband.