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Verstimmung beim Israel-Besuch
"Nicht das Ende der Gespräche"

"Es gibt wahrscheinlich in Europa kein Land, das so eng an der Seite Israels steht wie Deutschland", sagte Niels Annen (SPD) im DLF. Umso bedauerlicher sei es, dass es danach aussehe, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein mögliches Treffen mit Außenminister Sigmar Gabriel nicht wahrnehmen wolle.

Niels Annen im Gespräch mit Christiane Kaess | 25.04.2017
    Der SPD-Politiker Niels Annen (l.)
    Der SPD-Politiker Niels Annen (l.) (picture-alliance / dpa / Marcel Mettelsiefen )
    Christiane Kaess: Kurz vor der Sendung habe ich mit Niels Annen gesprochen. Er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag und begleitet Sigmar Gabriel auf seiner Reise in Israel. Ich habe ihn zuerst gefragt, was er uns zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann, ob das Treffen noch stattfindet oder ob es hinfällig ist.
    Niels Annen: Ja, es ist bedauerlicherweise so, dass es im Moment nicht danach aussieht, dass das Treffen mit Benjamin Netanjahu zustande kommt. Ich bedauere das sehr, wenn es dann tatsächlich so sein sollte. Ich glaube, dass Sigmar Gabriel hier eine gute Botschaft ausgesandt hat. Wir sind ja ganz bewusst zum Tag der Erinnerung an den Holocaust nach Israel gereist. Und egal was jetzt tagespolitisch, auch innenpolitisch in Israel diskutiert und verhandelt wird, ob das Treffen zustande kommt oder nicht, ich denke, die Botschaft des Außenministers ist ganz klar. Wir bleiben Freunde. Deutschland und Israel sind durch die Geschichte, aber auch durch die aktuellen politischen Ereignisse enge Partner geblieben und das wird auch nach der Reise weiterhin so sein.
    Kaess: Lassen Sie uns bei diesem offenbar abgesagten Treffen bleiben. Ist das ein diplomatischer Eklat?
    "Die Sache nicht noch weiter eskalieren lassen"
    Annen: Ich bin ja kein Journalist. Deswegen muss die Beurteilung eine andere Seite treffen. Daran will ich mich nicht beteiligen. Aber es ist zumindest sehr ungewöhnlich, denn Deutschland ist ein enger Freund und auch ein enger Verbündeter von Israel. Wir unterstützen das Land politisch, wir haben enge ökonomische, persönliche Beziehungen, aber es gibt auch militärische Unterstützung. Ich würde sagen, es gibt wahrscheinlich in Europa im Moment kein Land, das so eng an der Seite Israels steht wie Deutschland, und deswegen kann man eigentlich schon erwarten, dass ein israelischer Ministerpräsident eine solche Möglichkeit zum Gespräch wahrnimmt. Er hat sich offensichtlich anders entschieden. Wir können das nur bedauern. Aber ich denke, von unserer Seite sollte man das jetzt nicht noch weiter eskalieren.
    Kaess: Aber, Herr Annen, Sie werden wahrscheinlich trotzdem eine Meinung zu dieser Absage haben. Wenn israelische Regierungsvertreter sagen, sollte sich Gabriel bei seinem Israel-Besuch mit einer bestimmten linken Menschenrechtsgruppe treffen, wolle Netanjahu von der Zusammenkunft absehen, was ist das? Ist das eine eindeutige Haltung, oder ist das Erpressung?
    Annen: Das ist der Versuch, Innenpolitik zu machen, und es ist natürlich auch der Versuch, enge Partner politisch unter Druck zu setzen. Wir sind aber nicht verdächtig, uns unter Druck setzen zu lassen. Schauen Sie, Sigmar Gabriel hat in Russland, in anderen autoritär regierten Staaten Menschenrechtsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen getroffen, und deswegen ist es schon ungewöhnlich, dass man das in einer Demokratie nicht tun darf, ohne dass der Ministerpräsident so reagiert. Deswegen finde ich es richtig, dass der deutsche Außenminister sich nicht von seinen ursprünglichen Plänen wird abhalten lassen, dass die Gespräche dort geführt werden – übrigens nicht nur mit diesen Menschenrechtsorganisationen, die Herrn Netanjahu offensichtlich nicht ins Konzept passen, sondern auch mit anderen Vertretern der israelischen Zivilgesellschaft. Das, finde ich, ist ganz wichtig, dass man als deutscher Regierungsvertreter die gesamte Breite der israelischen Politik antrifft, sich mit ihnen unterhält. Und dass das offensichtlich mit dem Regierungschef nicht möglich ist, das kann ich nur noch einmal wiederholen, ist sehr bedauerlich.
    "Die deutsch-israelischen Beziehungen sind etwas ganz Besonderes"
    Annen: Wenn Herr Gabriel an diesem Besuchsprogramm festhalten soll, ist es das tatsächlich wert, die deutsch-israelischen Beziehungen aufs Spiel zu setzen?
    Annen: Das kann ich überhaupt nicht erkennen. Schauen Sie, wir haben hier Abgeordnete getroffen. Wir haben für den heutigen Tag einen geplanten Besuch beim israelischen Staatspräsidenten. Wir haben einen Kranz niedergelegt an der Gedenkstätte Yad Vashem. Wir haben uns mit israelischen Vertretern der Politik, der Kultur, auch der NGO’s getroffen. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind etwas ganz Besonderes. Sie sind sehr vital. Und ja, unter Freunden streitet man auch manchmal, aber ich würde doch sehr dazu raten, jetzt ein bisschen die Kirche im Dorf zu lassen. Die deutsch-israelischen Beziehungen, die Freundschaft ist durch diese Schwierigkeit, mit der wir im Moment zu tun haben, nicht gefährdet.
    Kaess: Und das beeinträchtigt die deutsch-israelischen Beziehungen nicht, wenn der israelische Ministerpräsident dem deutschen Außenminister ein Treffen absagt?
    Annen: Es ist eine sehr bedauerliche Geste. Das habe ich gesagt und ich wiederhole das gerne noch mal. Aber wir haben natürlich im Moment in unseren Beziehungen auch einige Probleme. Wir haben Meinungsunterschiede insbesondere was den fortgesetzten Siedlungsbau angeht. Das ist übrigens ein Thema, das die gesamte Bundesregierung, auch die Bundeskanzlerin öffentlich angesprochen hat. Und ich darf daran erinnern, dass die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in diesem Jahr abgesagt worden sind. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass es an dieser Stelle gravierende Meinungsunterschiede gibt. Ich persönlich auch als Abgeordneter bin der Meinung, unter Freunden muss man Meinungsverschiedenheiten auch aushalten können, und ich hätte mir gewünscht, dass man auch in einem persönlichen Gespräch die Gelegenheit genutzt hätte, darüber zu reden, und das war nicht unsere Entscheidung, sondern es ist die israelische Entscheidung, dass dieses Gespräch auf hoher Ebene nicht zustande kommt, und ich finde das sehr schade.
    "Es wird nicht das Ende der Gespräche zwischen Deutschland und Israel sein"
    Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Annen, interpretieren Sie das durchaus als späte Reaktion auf die Vorfälle, die sie jetzt gerade genannt haben, zum Beispiel die Absage der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen von deutscher Seite aus?
    Annen: Wir müssen zumindest feststellen, dass es im Moment ungeklärte Fragen gibt, die offensichtlich auch in der ja manchmal ziemlich angeheizten und auch schroffen Art der israelischen Politik, der innenpolitischen Debatte in Israel eine Rolle spielen. Und es ist immer bedauerlich, wenn die internationalen Beziehungen, die bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Ländern dann so stark durch eine, ich sage mal, parteipolitische israelische Agenda dominiert werden. Netanjahu scheint sich für diese Variante entschieden zu haben, aber es wird nicht das Ende der Gespräche zwischen Deutschland und Israel sein. Wir führen auch heute noch bilaterale Gespräche. Wie gesagt, es steht ein Gespräch mit dem israelischen Staatspräsidenten auf der Agenda. Insofern mache ich mir langfristig keine Sorgen. Aber im Moment kann man, glaube ich, nicht darum herumreden, dass wir eine etwas schwierige Phase haben, aber wir hatten auch schon andere schwierige Phasen in unseren Beziehungen und wir werden auch diese Phase, denke ich, gemeinsam überwinden.
    Kaess: Zeigt das aber, Herr Annen, dass das unmöglich geworden ist, dieser Spagat der deutschen Regierung, auf der einen Seite an Israels Seite zu stehen und auf der anderen Seite Sympathie für harte Regierungskritiker zu zeigen?
    Kaess: Ach, das weiß ich nicht so genau, weil Herr Netanjahu ist der gewählte Regierungschef dieses Landes. Er ist unser Gesprächspartner. Aber es gibt natürlich auch andere israelische Kräfte, die sich übrigens auch heute, wenn ich das richtig verfolgt habe, in der israelischen Presse zu Wort gemeldet habe und die dort gesagt haben, …
    Kaess: Entschuldigung, Herr Annen! Der harte Schritt kommt ja jetzt von der israelischen Regierung, also auf höchster Ebene, und das ist vorher noch nie da gewesen.
    Annen: Ja, das ist richtig. Nur ich denke, man darf trotzdem darauf hinweisen, dass wichtige Vertreter ganz unterschiedlicher Parteien, übrigens nicht nur der linken Parteien, sondern durchaus auch zentristischer und konservativer Parteien in der Debatte in Israel gesagt haben, es wäre gut, an die Adresse von Premierminister Netanjahu, wenn dieses Gespräch stattfinden würde. Das heißt, es ist eine durchaus kontroverse Diskussion innerhalb der israelischen Politik, und das ist auch interessant, das zu verfolgen. Trotzdem kann ich noch einmal sagen, wir sind mit dem besten Willen nach Israel gereist, mit dem gesamten Spektrum des Landes Gespräche zu führen, und natürlich mit der ersten politischen Figur hier, nämlich Benjamin Netanjahu, und es ist nicht an unserer Seite gescheitert.
    "Hier werden offensichtlich unterschiedliche Standards angewandt"
    Kaess: Drehen wir zum Schluss die Situation noch mal um. Ein israelisches Regierungsmitglied, der israelische Umweltminister Ze’ev Elkin, der verteidigt Netanjahus Haltung und sagt, es ist undenkbar, in ein anderes Land zu kommen und sich mit Gruppen zu treffen, die auf internationaler Ebene Tag und Nacht gegen das Land arbeiten. Wir würden so nicht mit der deutschen Regierung umgehen. – Hat er Recht?
    Annen: Nein. Ich glaube nicht, dass er Recht hat. Ich darf mal daran erinnern, dass Premierminister Netanjahu, wenn man sich das einmal in Erinnerung ruft, ganz aktiv in den Vereinigten Staaten mit amerikanischen Oppositionspolitikern gegen den damaligen Präsidenten Barack Obama gearbeitet hat, übrigens mit dem Parlament, dem Kongress, dem Senat, aber auch mit amerikanischen Nichtregierungsorganisationen, die nun wirklich keine Freunde der damaligen demokratischen Administration im Weißen Haus waren, und dort hat Herr Obama ja auch nicht gesagt, ich treffe mich jetzt mit Dir nicht mehr. Nein, da darf man in aller Freundschaft die Israelis daran erinnern, dass das doch ein bisschen eine nicht ganz aufrichtige Politik ist und dass hier offensichtlich unterschiedliche Standards angewandt werden.
    Kaess: … sagt der SPD-Politiker Niels Annen. Er begleitet Außenminister Sigmar Gabriel auf seiner Reise in Israel. Danke für Ihre Zeit.
    Annen: Ich danke Ihnen! Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.