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Verteilung der Flüchtlingskosten
"Das Problem lösen wir nur gemeinsam"

Bei der Verteilung der Kosten für die Integration der Flüchtlinge habe es begrüßenswerte Teilergebnisse gegeben, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, im DLF. Er sei guter Hoffnung, dass es am 8. Juli zu einer Einigung komme. Der Druck werde jetzt weiter steigen. Wichtig sei vor allem eine dauerhafte Lösung.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Petra Ensminger | 16.06.2016
    Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
    Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Petra Ensminger: Ja, es sind viele Menschen nach Deutschland gekommen, Menschen, die hier Zuflucht suchen, integriert werden sollen, und da entstehen Kosten, klar, und über die wird ordentlich gefeilscht. Die Länderchefs haben sich heute mit Kanzlerin Merkel getroffen. Da ging es um einige diskussionsbedürftige Themen, etwa auch um die Frage, wie Asylsuchende aus Tunesien, Marokko und Algerien behandelt werden sollen. Sind das sichere Herkunftsländer oder nicht, eine umstrittene Frage. Die Verhandlungen darüber, die wurden vertagt, und das gilt auch für die Frage, wie die Kosten für die Integration von Flüchtlingen verteilt werden.
    Das Gezerre um die Kosten für Flüchtlingsunterbringung und Integration dauert nun schon Monate an. Kurz vor der Sendung, in der Halbzeitpause, habe ich darüber mit dem Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes gesprochen, Gerd Landsberg. Es gibt weiter Abstimmungsbedarf. Hat er denn Hoffnung, dass es noch zu einer Gesamtlösung kommen kann?
    "Da brauchen wir eine dauerhafte Lösung"
    Gerd Landsberg: Das ist natürlich bedauerlich, dass es heute die Lösung nicht gegeben hat. Andererseits muss man fairerweise sagen, es geht um eine riesige Summe für die Länder. Wir haben gesagt, das sind 20 Milliarden pro Jahr. Und dass da gestritten wird, das scheint mir nachvollziehbar. Und wenn es heute nicht geklappt hat, so bin ich doch guter Hoffnung, dass es am 8. Juli dann klappen wird. Es gibt ja Teilergebnisse, die ich durchaus begrüße. Der Bund hat sich ja noch mal dazu bekannt, dass er die Kosten der Unterbringung für anerkannte Asylbewerber, die dann ja Hartz IV bekommen, voll übernimmt. Bisher zahlen zu 70 Prozent das die Kommunen, zu 30 Prozent der Bund. Das ist eine deutliche Entlastung. Um mal Zahlen zu nennen: 2016 400 Millionen, 2017 900 Millionen, 2018 1,3 Milliarden. Das ist schon ein Wort, es ist zumindest für die kommunale Seite ein ganz wichtiges Signal.
    Ensminger: Das sagt auch die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der SPD. Ein Teil sei abgehakt, der wichtige Teil für die Kommunen. Der wichtigste vielleicht überhaupt für Sie?
    Landsberg: Nein, das sehe ich nicht so. Wir wissen ja über die Finanzsituation der Länder. Wir sagen, die Integration ist eine Aufgabe der Kommunen, aber die Finanzierung ist eine Aufgabe von Bund und Ländern, und wir haben ein hohes Interesse, dass es da vor allen Dingen eine dauerhafte Einigung gibt. Nicht hier ein bisschen und dort und nächstes Jahr und vor der Wahl wieder etwas; nein, wir brauchen eine solide Lösung, und ich persönlich sage, die Idee der Länder zu sagen, es gibt eine Integrationspauschale, die sich Bund und Länder dann teilen - über das Verhältnis kann man natürlich streiten -, das scheint mir ein sinnvoller Ansatz. Denn es geht ja nicht mehr nur um Unterkunft und Bauen, es geht um Personal in der Kita, in der Schule, es geht um Infrastruktur. Das ist eine Herkules-Aufgabe und da brauchen wir eine dauerhafte Lösung.
    Ensminger: Die Integrationspauschale ist ja auch noch nicht vom Tisch. Auch darüber soll weiter verhandelt werden. Es geht unter anderem auch darum, wie mit minderjährigen Flüchtlingen umgegangen werden soll, wer da die Kosten übernimmt. Wenn Sie das so schildern, dann hat man das Gefühl, Sie fühlen sich von den Ländern dort ganz gut vertreten?
    "Auch die Länder sind in der Pflicht"
    Landsberg: Sagen wir mal so: Man muss fairerweise sagen, die Finanzsituation der Länder, jetzt mal von Bayern und Baden-Württemberg abgesehen, ist deutlich ungünstiger als die des Bundes. Und wenn man sieht, dass natürlich die Flüchtlingspolitik ja in erster Linie eine bundespolitische Frage ist, die auch bundespolitisch gesteuert wird, dann finde ich schon, der Bund ist in der Pflicht. Aber ich sage ganz deutlich: Auch die Länder sind in der Pflicht. Es gibt ja so einen Schlüssel. Es geht um die Frage, wer nimmt in diesem Land eigentlich was ein, und da sagt man als Faustformel, von dem Steueraufkommen kriegen etwa 60 Prozent die Länder, 40 Prozent der Bund. Das würde dafür sprechen, dass man es so aufteilt. Man kann auch fifty-fifty sagen. Für die Kommunen ist entscheidend, dass diese beiden Ebenen sich einigen und dass wir dauerhaft hier entsprechende Mittel bekommen.
    Ensminger: … und Sie dann entsprechend die auch weitergeleitet bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem Treffen noch darauf hingewiesen, dass der Bund ja schon einiges zahlt, was die Länder gar nicht in ihrer Rechnung aufschlüsseln, nämlich die 670 Euro pro Flüchtling und Monat während des Asylverfahrens selbst, die vom Bund durchgeführten Integrationskurse, 600 Stunden, die Beteiligung an Wohnungsbauprogrammen, und auch die außenpolitischen Aspekte nicht zu vergessen wie Fluchtursachenbekämpfung und Sicherung der Außengrenzen. Muss das nicht tatsächlich auch irgendwie ausgewogen werden?
    "Kosten sind von Land zu Land sehr unterschiedlich"
    Landsberg: Das sehe ich ganz genauso. Wir brauchen eine Gesamtrechnung. Wenn der Bund jetzt immer schneller arbeitet, weil er zum Beispiel Tausende von Stellen beim Bundesamt für Migration geschaffen hat, dann kostet ihn das Geld, nämlich fürs Personal. Andererseits sind die Leute viel schneller anerkannt und er zahlt nicht mehr die bekannten 670 Euro pro Person. Alles hängt mit allem zusammen und daran ist ja auch letztlich die Einigung gescheitert. Bund und Länder haben sich noch nicht mal darauf verständigt, wie hoch sind denn die Kosten und welche Kosten regele ich denn überhaupt, und da hat der Bund auch schon ein bisschen recht. Was da an zusätzlichen Stellen geschaffen worden ist bei der Polizei, bei der Hilfe für Abschiebungen, auch bei der Hilfe für unbegleitete Minderjährige, das sind sicherlich Kosten, die in der Gesamtrechnung eine Rolle spielen müssen.
    Ensminger: Aber die Kosten sind ja auch alle längst bekannt. Wäre Ihre Erwartung nicht gewesen, dass, wenn das alles auf dem Tisch ist, man endlich auch eine Einigung findet heute?
    Landsberg: Das hätte ich mir sehr gewünscht. Aber ich weiß natürlich, dass auch die Länder untereinander über die Höhe der Kosten gestritten haben. Die sind übrigens auch von Land zu Land sehr unterschiedlich. Aber der Druck wird jetzt weiter steigen und eigentlich bin ich zuversichtlich, dass es am Ende eine Lösung gibt. Wir alle wissen, das Problem lösen wir nur mit Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam, alleine gegeneinander niemals, und das ist schlecht für das Land insgesamt.
    Ensminger: Alle sollen an einem Strang ziehen, sagt der Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg hier bei uns im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.