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Vertrag von London
Vor 70 Jahren wurde Transjordanien unabhängig

Das haschemitische Königreich Jordanien zählt heute zu den stabilsten Staaten im Nahen Osten. Es ist ein Produkt der Kolonialgeschichte, denn das damalige Emirat Transjordanien gehörte zur Konkursmasse des Osmanischen Reiches, die Briten und Franzosen am Ende des Ersten Weltkrieges untereinander aufgeteilt hatten. Am 22. März 1946 wurde Transjordanien im Vertrag von London in die Unabhängigkeit entlassen.

Von Matthias Bertsch | 22.03.2016
    Amman in Jordanien
    Amman, Hauptstadt von Jordanien (picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache)
    "Seine Majestät, der König, erkennt Transjordanien als vollkommen unabhängigen Staat und seine Hoheit, den Emir, als rechtmäßigen Herrscher desselben an."
    Mit diesen Worten begann der erste Artikel des anglo-transjordanischen Vertrags, der am 22. März 1946 in London unterzeichnet wurde. Im Zentrum des Vertrages, so der Jordanien-Experte vom GIGA-Institut für Nahoststudien in Hamburg André Bank, standen drei Punkte:
    "Zum einen ging es darum, das Emirat Transjordanien in die Unabhängigkeit zu entlassen, in die formelle Unabhängigkeit, und im Mai 1946 ist es ja dann auch zum haschemitischen Königreich geworden, zum zweiten ging es aber auch darum, dass eben Großbritannien zusichert, weiterhin grundlegende Zahlungen an Jordanien zu leisten, und zum dritten aber gleichzeitig hier eben auch eine gewisse Vorherrschaft oder Dominanz in der Arab Legion, also in der von Briten geführten jordanischen Armee zu behalten."
    Nach dem Untergang des Osmanischen Reiches war Transjordanien 1920 Teil des britischen Völkerbundmandates für Palästina geworden, doch bereits zwei Jahre später setzte die britische Regierung - auf Empfehlung des damaligen Kolonialministers Winston Churchill - die Teilung des Landes in Palästina westlich des Jordan und Transjordanien östlich des Jordan durch. Zum Emir oder Befehlshaber des neu gegründeten Emirats Transjordanien wurde der aus einer haschemitischen Herrscherfamilie stammende Abdallah I., der bereits im Ersten Weltkrieg aufseiten Großbritanniens gegen die Achsenmächte gekämpft hatte.
    "Die Haschemiten sind ja eigentlich eine Dynastie, die aus dem Hedschas kommt, also aus dem westlichen Teil von heute Saudi-Arabien, wo die heiligen Stätten des Islams, Mekka und Medina liegen. In der sogenannten großen arabischen Revolte, also im arabischen Aufstand, zusammen mit Großbritannien, Stichwort Lawrence von Arabien, gegen die Osmanen im Ersten Weltkrieg, haben sie eine wichtige Rolle gespielt, und sie sollten eben im Nachgang des Ersten Weltkrieges hier honoriert werden."
    Ende britschen Kolonialmacht
    Nachdem sich Abdallah I. auch im Zweiten Weltkrieg als loyaler Verbündeter Großbritanniens erwiesen hatte - und die britische Regierung einsehen musste, dass ihre Zeit als Kolonialmacht zu Ende ging - wurde er durch die Entlassung des Emirats in die Eigenstaatlichkeit zum König der haschemitischen Monarchie, die sich bald nicht mehr "Trans-" sondern nur noch "Jordanien" nannte.
    Als Machtbasis diente dem neuen König vor allem die Arab Legion, in der nicht nur die Briten, sondern auch die nomadischen Stämme des Landes eine wichtige Rolle spielten. In den 50er-Jahren, unter Abdallahs Nachfolger und Enkel König Hussein, wurden die britischen Offiziere zwar aus der Armee entlassen, doch die militärische und finanzielle Unterstützung durch Großbritannien und die USA sind bis heute wichtige Garanten für die Stabilität Jordaniens. Während nationalistische und religiöse Bewegungen in vielen Staaten des Nahen Ostens immer wieder zu Revolutionen oder Aufständen gegen korrupte Eliten geführt haben, ist Jordanien von solchen Umwälzungen bisher weitgehend verschont geblieben. Das könnte auch an der konservativen Politik des haschemitischen Königshauses liegen:
    "Weil man eben auch von Seite der Monarchie keine sehr großen Entwicklungsversprechen geleistet hat und auch keine sehr großen Freiheitsversprechen, wie das eben andere der ideologischen Projekte im Nahen Osten immer wieder getan haben, die dann gescheitert sind, und wenn man jetzt eine sehr gewagte These für den Arabischen Frühling vor fünf Jahren etablieren will, im Grunde ist das ein Aufstand gewesen gegen diese gescheiterten ideologischen Projekte in den republikanischen Staaten der Region."
    Folgenlose Proteste während des Arabischen Frühlings in Jordanien
    Während in Tunesien, Ägypten und Libyen autoritäre Herrscher zu Fall gebracht wurden, beschränkte sich der Arabische Frühling in Jordanien auf wenige und verhältnismäßig folgenlose Proteste. Sie richteten sich vor allem gegen die Wirtschaftspolitik des Landes und nicht gegen den König selbst, obwohl dieser und nicht das Parlament die wichtigen Entscheidungen trifft. Dennoch wird die haschemitische Monarchie – seit 17 Jahren regiert Abdallah II., der Urenkel Abdallahs I., – auch von der Opposition kaum infrage gestellt. Das allerdings könnte weniger an der Politik in Jordanien liegen, als an den Zuständen im Rest der arabischen Welt.
    "Wenn man jetzt in die jüngste Geschichte schaut, dann ist es der Monarchie immer wieder gelungen, mit Verweis auf die Konflikte in den Nachbarstaaten, im Syrienkrieg, im Irak, früher im Libanon, auch die Konflikte Israel - Palästina, sich als Insel der Stabilität oder als Oase der Stabilität zu zeigen, und davon hat ironischerweise Jordanien immer profitiert, dass es in einzelnen der Nachbarstaaten noch schlechter war."