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Vertrauen ist gut - Vertrauensarbeitszeit ist besser

Mitarbeiter, die kommen und gehen, wann sie wollen: Genau das macht das Unternehmen MundiPharma in Limburg an der Lahn seit drei Jahren und nennt dieses Modell "Vertrauensarbeitszeit". Das Pilotprojekt wurde nun in eine unbefristete Betriebsvereinbarung umgewandelt.

Von Sabine Brütting | 29.02.2012
    Waltraud Wilke-Kehl arbeitet als statistische Programmiererin beim Pharma-Unternehmen Mundi-Pharma. Wie viel sie arbeitet und vor allem wann, kann sie selbst bestimmen. Möglich macht das die Vertrauensarbeitszeit in ihrem Unternehmen. Dem neuen Modell stand Wilke-Kehl von Anfang an offen gegenüber:

    "Ich war davon sehr begeistert, denn im alten Gleitzeitmodell, das existiert hat, als ich angefangen habe, gab's das Problem, dass es jeden Monat nach 16 Überstunden einen Cut gab. Das heißt, hab ich 25 Überstunden gemacht, weil in dem Monat der Arbeitsload so groß war, dann wurde das gekappt, wenn es mir nicht möglich war, die Zeit vorher zu nehmen."

    Personalchef Martin Schöne bestätigt, dass das frühere Gleitzeitmodell oft zu unflexibel war. Deshalb startete das Unternehmen vor drei Jahren ein Pilotprojekt zur Vertrauensarbeitszeit. Lästiges Zeitabsitzen gehört damit ebenso der Vergangenheit an wie Verhandlungen mit dem Chef auf Basis der geleisteten Arbeitsstunden:

    "Wir wollen den Blick wenden von Anwesenheitszeiten und Kontoständen hin zu Arbeitsinhalten: Wo steht meine Arbeit, wo steht mein Projekt, gibt es dort Verbesserungsmöglichkeiten, über die wir reden können und wenn ich die Dokumentation nicht als Grundlage habe, bin ich gezwungen über die Inhalte zu sprechen und das ist eine erhebliche inhaltliche und qualitative Verbesserung der Zusammenarbeit."

    Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit flexibel gestalten können. Trotzdem muss im Arbeitsvertrag nach wie vor eine Wochenarbeitszeit vereinbart werden, betont Thomas Winzer, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei GleissLutz in Frankfurt:

    "In Ihrem Arbeitsvertrag steht beispielsweise, Sie arbeiten 40 Stunden pro Woche. Diese 40 Stunden pro Woche müssen dann in einem bestimmten Durchschnitt erreicht werden. Sie können dann beispielsweise in einer Woche mehr arbeiten, und wenn Sie dann sagen, in der nächsten Woche liegt nicht so viel Arbeit an oder ich hab die Dinge schon vorher erledigt, können Sie einfach weniger arbeiten, sodass Sie im Durchschnitt einfach auf diese 40 Stunden kommen. Insoweit vertraut der Arbeitgeber darauf, dass der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung auch erbringt und nicht sagt, ich arbeite durchschnittlich nur noch 20 Stunden."

    Die Vertrauensarbeitszeit stärkt also nicht nur das Vertrauen in die Mitarbeiter, sondern auch die Eigenverantwortung. Bei MundiPharma wurde die Einführung des neuen Arbeitszeitmodells mit vielen Infoveranstaltungen und Mitarbeiterbefragungen durch den Betriebsrat begleitet. Laut Betriebsrätin Kerstin Goertz ist die Zustimmung unter den Mitarbeitern hoch:

    "Der Prozentsatz der zufriedenen Mitarbeiter, die mit dem Modell Vertrauensarbeitszeit gesagt haben, ich kann sehr gut damit leben, das ist etwas, was mit gefällt und was ich beibehalten möchte, der hat sich im Verlauf zu der ersten Befragung sehr weit positiv nach oben gezogen und das war dann für den Betriebsrat auch ein Grund zu sagen, das Gros der Kolleginnen und Kollegen hat gesagt, jawoll, wir wollen das haben und der Betriebsrat hat dem dann auch zugestimmt."

    Waltraud Wilke-Kehl kann sich jedenfalls nicht mehr vorstellen, in einem anderen System zu arbeiten. Die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit möchte sie jedenfalls nicht missen:

    "Es kommt irgendein Handwerker heim, der hat gesagt, er kommt zwischen acht und vier, das kann ja immer sein, Urlaub will ich nicht machen und dann setzt man sich halt zu Hause mit dem Laptop hin und arbeitet ganz normal, die anderen Mitarbeiter wissen auch, dass man dann zu Hause erreichbar ist und das ist ganz entspannt. Man muss sich keine Gedanken machen, da kommt jetzt irgendein Handwerker und ich hab niemanden, den ich in meine Wohnung setzen kann. Das ist also wirklich sehr entspannt."