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Veste Heldburg
Thüringen bekommt weltweit erstes Burgenmuseum

Mehr als 25.000 Burgen gibt es in Mitteleuropa. Wie wohnte man darin? Welche historische Bedeutung kam ihnen zu? Und wie entwickelte sich die Bauform? All diese Fragen möchte das neue Burgenmuseum auf der Veste Heldburg in Thüringen beantworten.

Von Henry Bernhard | 10.09.2016
    Die Heldburg in Thüringen, Sitz des Deutschen Burgenmuseums
    Die Heldburg in Thüringen, Sitz des Deutschen Burgenmuseums (picture alliance / dpa / Arifoto Ug)
    Als die Musik in der ehemaligen Schlosskirche der Veste Heldburg zur Eröffnung aufspielte, polterten nebenan in den Ausstellungsräumen, durch Glastüren gut sichtbar, noch die Handwerker. Ein erster Hinweis darauf, dass es sich beim Deutschen Burgenmuseum um ein work, ein "museum in progress" handelt.
    Für die Stadt Bad Colberg-Heldburg, für die Region im südlichsten, schon fränkisch geprägten Zipfel Thüringens an der Grenze zu Bayern, ist das Museum gleichzeitig der Endpunkt eines Prozesses und der Beginn einer neuen Zeit.
    Die Burg, in der DDR als Kinderheim genutzt, brannte 1982 aus und stand als traurige Ruine im streng bewachten, fast unzugänglichen Grenzgebiet. Mit der Wiedervereinigung begann die Wiedererweckung der Totgeglaubten: Über 16 Millionen Euro von Land, Bund und privaten Sponsoren wurden in den vergangenen Jahren investiert.
    Der Linke Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff brachte es vor den versammelten Bürgermeistern, Landräten und Museumsleuten auf den Punkt: "Eine Idee wird materielle Gewalt, wenn sie die Kassen ergreift."
    Die im Mittelalter begründete Veste Heldburg erstrahlt nun wieder weit ins Thüringer und ins fränkische Land. Und beherbergt eben seit heute das Deutsche Burgenmuseum. Die Idee für dieses Museum, das sich eben nicht mit der Veste Heldburg, sondern mit der Burg als mittelalterliche Bauform als solche beschäftigt, hat den Kurator der Ausstellung, den Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Ulrich Großmann, schon lange umgetrieben:
    "Wie entstehen Burgen, wie werden sie erweitert, wie werden sie verändert, was geschieht eigentlich mit ihnen im Laufe der Generationen? Und nicht: Wie hat sich jetzt die eine Burg entwickelt?
    Natürlich ist die Heldburg für uns auch ein wichtiges Ausstellungsstück. Aber wir zeigen nicht, wie sich die Heldburg entwickelt hat, sondern wir zeigen, wie sich Burgen generell entwickelt haben, egal, ob sie im norddeutschen Flachland oder im Alpenraum liegen."
    Die Tischler Udo Sachse und Uwe Kliche befestigen in Heldburg in Thüringen die Unterkonstruktion an einer Vitrine im Burgenmuseum.
    Die Tischler Udo Sachse und Uwe Kliche befestigen in Heldburg in Thüringen die Unterkonstruktion an einer Vitrine im Burgenmuseum. (picture alliance / dpa / Arifoto Ug)
    Museumsidee ist weltweit einmalig
    Eine Museumsidee, die bislang einmalig auf der Welt ist. Nun könnte man meinen, dass es in vielen der 25.000 Burgen und Burgruinen im deutschsprachigen Raum Ausstellungen mit Ritterrüstungen, Hellebarden, Schwertern, historischen Möbeln und archäologischen Funden gibt. Außerdem hat ja jeder so seine Vorstellung, wie es auf einer Burg zuging. Gerade darin sieht Großmann auch ein Problem:
    "Millionen von Besuchern schauen sich jährlich Burgen an, echte Burgen und darüber hinaus auch Burgen in Romanen und Kinderbüchern. Viele sitzen vor Kinoleinwänden und Bildschirmen und freuen sich über die Filme und Computerspiele, die ihnen präsentiert werden, ohne zu bemerken, wie ihnen oft absurde Klischees vorgesetzt werden. So heißt es, die Burgen waren kalt, die Ritter schmutzig, man warf beim Essen die Knochen hinter sich … - als hätte ein Rumpsteak einen Knochen!
    Kinder durften nur Wein und Bier trinken, weil das Wasser zu schlecht war … - was müssten sie, lieber Herr Schuchardt, für eine Todesrate auf der Wartburg haben, und sie servieren heute noch das Bier aus der historischen Fernleitung – ähh, das Wasser aus der historischen Fernleitung."
    "Mythos ist eine faszinierende Welt"
    Stress und Durst des Kurators Großmann brachten dann doch noch die Burgmauern zum Erzittern durch Lachen – und nicht etwa durch Belagerungen, die entgegen dem Klischee historisch höchst selten stattgefunden haben.
    Helmut-Eberhard Paulus, Direktor der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und damit Hausherr der Veste Heldburg, hofft ebenso, dass das Burgenmuseum Klischees ausräumen kann:
    "Das Problem ist, dass die meisten Menschen auf die Burg kommen, weil sie von romantischen Ideen angehaucht sind, weil der Mythos natürlich auch eine andere Welt ist, die sie fasziniert, als die jetzige und weil sie ein stückweit in eine ferne Filmwelt oder auch Vorstelllungswelt geschickt worden sind. Jetzt kommen sie hierher und jetzt wird der Versuch unternommen, sozusagen diese heile Welt, als die sie erscheint, mit der Wirklichkeit zu konfrontieren. Und das ist immer eine Herausforderung."
    Der erste Rundgang durch das Burgenmuseum zeigt nun zunächst einmal Objekte, die man kennt: Rüstungen, Schwerter, Sporen und Reitgeschirre, ein historisches Bett, Darstellungen von Turnieren, Gläser und Teller. 250 Objekte insgesamt, Leihgaben aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, alles Originale.
    Man muss schon genau hinschauen, um den besonderen, nicht-romantisierenden Ansatz des Burgenmuseums zu erkennen, etwa in die Erklärungen, die heute zu einem großen Teil noch nicht angebracht waren und die zudem nur auf Deutsch zu lesen sind. Doch eben beim genauen Blick zum Beispiel auf Teller aus Baumrinden geht doch wirklich viel Ritter-Gloria verloren, wenn man erkennt, dass nur der Fürst vom silbernen Teller ass und auch jeder sein eigenes Besteck, seinen eigenen Trinkbecher mitbringen musste.
    Im Detail zeigt sich die Differenz zu anderen Burgen-Ausstellungen, die ausstellen, was man eben im Depot vorfindet. Wenn das Deutsche Burgenmuseum fertig ist und das wird aufs erste noch ein paar Wochen dauern, bis ins letzte Detail noch ein paar Jahre, wird man sehen können, ob es seinem Entzauberungsanspruch gerecht wird. Auch eine Sonderausstellung ist schon geplant – wenn wundert’s im nächsten, im Reformationsjahr: "Eine feste Burg ist unser Gott. Luther und die Burgen".
    Anja Grebe, die Kuratorin der neuen Dauerausstellung "Mythos Burg" im Deutschen Burgenmuseum
    Anja Grebe, die Kuratorin der neuen Dauerausstellung "Mythos Burg" im Deutschen Burgenmuseum (picture alliance / dpa / arifoto UG)