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Via Appia in Rom
Paradies für Bausünder

Wer an die Via Appia in Rom denkt, denkt in erster Linie mit Sicherheit nicht an Sportzentren, Swimmingpools und Neubauten. Aber genau die sind das Problem, denn seit geraumer Zeit entstehen an der ältesten Straße der Welt immer wieder illegal errichtete Gebäude. Die Behörden fühlen sich machtlos.

Von Thomas Migge | 28.10.2017
    Ein Blick auf Rom mit dem Kolosseum
    Ein Blick auf Rom mit dem Kolosseum (picture-alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch)
    Stolze Eltern und sportliche Kinder, die zeigen, was sie können. Immer Ende Oktober, beim jährlichen Gymnastikschauturnen im Sportklub La Torre, geht es hoch her. Nach den Turnvorführungen wird gefeiert. Vor einer einmaligen und selbst für Rom traumhaften Kulisse: nämlich zwischen den grandiosen Ruinen von gleich zwei antiken Aquädukten.
    Aber das Sportzentrum La Torre ist seit den 1980er-Jahren illegal ist. Erhebt es sich doch mitten im archäologischen Park der Via Appia. Dieser Park erstreckt sich rechts und links der ältesten Straße der Welt auf rund zehn Kilometern Länge. Dass das Sportzentrum trotz zahlreicher Klagen, Prozesse und Verurteilungen immer noch existiert, beweise, so Rita Paris, für die Via Appia zuständige Archäologin des Kulturministeriums, dass es der italienischen Gesetzgebung nicht gelinge, hier entschieden durchzugreifen:
    "Schon 1953 klagte der Kunstschützer Antonio Cederna über all die illegal errichteten Gebäude an der Via Appia. Schon damals wurden diese Bausünden als 'katastrophal' für die archäologische Integrität des Parks bewertet."
    Nichts hat sich geändert
    Nichts hat sich seitdem geändert. Im Gegenteil, klagt Rita Paris:
    "Schauen Sie sich diese Luftaufnahme von 2006 an. Hunderte von Neubauten, alle illegal. Seit 2006 hat sich die Situation noch verschlimmert."
    Auch das Sportzentrum La Torre hat im vergangenen Jahr zwei weitere Anbauten errichtet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt erneut, und es werden wieder wohl viele Jahre vergehen, bis es zu einem Prozess in erster Instanz kommen wird. Bis dahin werden sich die Eigentümer ihrer lukrativen illegalen Einnahmequelle erfreuen.
    Mehr als 6.000 neue Fälle
    Allein in den vergangenen zehn Jahren haben Rita Paris und ihre Kollegen mehr als 6.000 neue Fälle baulichen Missbrauchs im archäologischen Park entdeckt: von kleinen Anbauten über ganze Swimmingpools bis hin zu komplett neuen Gebäuden. Im Fall der antiken Straße liegen bei der Baubehörde der Stadt Rom rund 8.000 noch nicht bearbeitete Genehmigungsanfragen für die Legalisierung von unrechtmäßig errichteten Baumaßnahmen vor.
    In der Regel gibt es auf diese Anfragen erst nach vielen Jahren eine abschlägige Antwort. Doch der Antragsteller kann Einspruch einlegen und somit Zeit gewinnen – und von seinem widerrechtlich errichteten Eigentum profitieren. Gegen die vielen Genehmigungsanfragen, die unrechtmäßige Häuslebauer an der Via Appia nutzen, könne die Stadtverwaltung nur wenig tun, meint Carla Margherita vom Stadtbauamt:
    "Für uns ist das staatliche Gesetz, das die Genehmigungsanfragen für illegale Bauten erst möglich machte, ein enormes Problem. Deshalb sind uns die Hände gebunden und wir kommen mit der Bearbeitung der vielen Anfragen gar nicht mehr hinterher."
    Die Regierung müsse, fordert Margherita, das vor Jahren verabschiedete Gesetz revidieren. Erst dann könne man durchgreifen. Doch die Regierung sieht das anders: die Stadt Rom müsse schneller bei der Bearbeitung der Genehmigungsanträge vorgehen.
    Die einen schieben den anderen den schwarzen Peter zu – und das Kulturministerium, verantwortlich für den archäologischen Park der Via Appia, kann von sich aus nicht viel mehr tun, als die Missstände zu beklagen.
    Freiwillige Taskforce soll Bausünder stoppen
    Doch hat sich Rita Paris etwas einfallen lassen. Sie arbeitet an der Schaffung einer privaten Taskforce aus freiwilligen Helfern verschiedener Bürgerinitiativen zum Schutz von Kulturgütern. Diese Taskforce soll vor Ort, an der Via Appia, neuen Bausünden nachspüren und diese unverzüglich den Behörden melden, die Medien informieren und Stimmung gegen die Frevler des archäologischen Parks machen. Vielleicht, so hofft die Archäologin, wird sich die Situation dann ändern, wenn die Namen der Bausünder öffentlich gemacht werden – denn genau das darf sie als Staatsbeamtin nicht tun.