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Videogame "Pyre"
Elfmeter in Mittelerde

"Pyre" heißt ein neues Videospiel, das zwei Genres kollidieren lässt: Sport und Fantasy. Hier sind die Sportler unter anderem ein Dämon, ein antropomorpher Hund und ein Kobold, allesamt verbannt in ein fantastisches Schattenreich.

Von Kai Löffler | 26.07.2017
    "Pyre": Comic-Märchen und Sportspiel in einem
    "Pyre": Comic-Märchen und Sportspiel in einem (Supergiant Games / www.igdb.com/games/pyre/presskit)
    Pyre beginnt wie ein Märchen: Drei Reisende finden in der Wüste einen Fremden, der im Sterben liegt und pflegen ihn gesund. Gemeinsam treten sie eine Reise an. Die Gruppe wurde in eine mystische Unterwelt verbannt und sucht nun einen Ausweg aus dem Exil.
    Eine vierte Wand, wie es sie in den meisten Erzählformen gibt, existiert in Pyre nicht. Spieler und Spielfigur, genannt der "Leser", verschmelzen bei Pyre zu einer Person. Leser, weil nur er die mystischen Texte lesen kann, die den Weg zur Erlösung aufzeigen. Der Protagonist ist nie selbst zu sehen; stattdessen lenkt er - beziehungsweise der Spieler - durch seine Entscheidungen die Geschicke der anderen Figuren, und wird immer wieder von einer kosmischen Stimme direkt angesprochen.
    "A glorious performance, I admit. More than I expected from the likes of you."
    Skurriler Fußball
    Hinter Pyre steht der kalifornische Entwickler Supergiant Games, der zuletzt die Spiele Bastion und Transistor herausgebracht hat, die vor allem durch kreative Spielmechaniken in ungewöhnlichen Welten aufgefallen sind. Auch in Pyre reist man durch eine skurrile Welt, die die Epik eines J.R.R. Tolkien mit dem absurden Humor eines Jim Henson verbindet.
    Die Stationen der Reise sind Schauplätze des sogenannten Rituals, eines Mannschaftswettbewerbs, in dem man versucht, mit einer Kugel das magische Feuer der gegnerischen Mannschaft zu ersticken. Jede Figur hat besondere Fähigkeiten - springen, teleportieren oder eine Aura, die Gegner beim Kontakt vom Spielfeld verbannt. Und obwohl diese Fähigkeiten in einem Rollenspiel-typischen "Skill Tree" verbessert werden können, erinnert der taktische Wettkampf vor allem an Fußball.
    Gesamtkunstwerk mit Manga und Bleiglasfenster
    Diese abwegige Kombination von Spielprinzipien geht unerwartet leicht von der Hand, und das liegt sicher auch an der Präsentation. Mit einer Fusion aus Manga, Comic, 64-bit Adventure und Bleiglasfenster erschafft die Grafikerin Jen Zee eine ebenso farbenfrohe wie stimmige Welt. Den atmosphärischen Soundtrack dazu hat, wie in Supergiants letzten zwei Spielen, Komponist und Sänger Darren Korb geschrieben.
    Kein anderes Medium kann das: Pyre verbindet ein taktisch anspruchsvolles Sportspiel, eine packende Erzählung, Rollenspiel- und Comic-Elemente zu einem nahtlosen interaktiven Gesamtkunstwerk. Nicht nur macht das großen Spaß, Entscheidungen haben auch echtes Gewicht, beeinflussen die Geschichte und ziehen oft tragische Konsequenzen nach sich. Und die Handlung ist - völlig anders als der "Karrieremodus" der meisten Sportspiele - keine bloße Entschuldigung, um von einem Match zum nächsten zu kommen.
    "Now plunge into the Pyre with the orb and be purified!"
    Erstes Rollen-Sportspiel
    Das Sportspiel ist gewöhnlich die Antithese zum Fantasy-Rollenspiel; nicht zuletzt wegen der grundverschiedenen Zielgruppen - Rollenspiele werden oft von Frauen gespielt, Sportspiele so gut wie nie. Umso erstaunlicher, dass sich diese Welten bei Pyre so mühelos vermischen. Und das ist die wohl größte Leistung von Supergiant Games, denn statt eines Sportspiels mit Geschichte oder eines Rollenspiels mit Minigame ist in dieser Kombination etwas völlig Neues entstanden, Fifa und Final Fantasy in einem.