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Videotheken
Filme für Freaks

Früher hatte ihn jeder im Portemonnaie: einen Ausweis für eine Videothek. Aber wer leiht sich heute noch Filme aus, wo man die meisten Filme doch ganz einfach im Internet anschauen kann. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Videotheken schließen mussten.

Von Simone Schlosser | 08.05.2014
    Kundin schaut sich in einer Videothek eine Kassette an.
    Immer mehr Videotheken müssen schließen. (dpa / Hubert Link)
    Videotheken-Sterben ist mittlerweile zu einem festen Begriff geworden. Besonders die kleinen Programmvideotheken haben es schwer. In Köln hat sich die Traumathek bisher tapfer gegen den Kundenrückgang gewehrt. In diesem Jahr feiert sie ihren 20. Geburtstag.
    "Ich hätte gerne Tale of two Sisters. - Tale of two Sisters? Ja... - Red Dawn und Showgirls. - Red Dawn, Die rote Flut? - Ja, von... - Milius. - Ja. - So, und der dritte war? - Showgirls von Paul Terhoeven. - Ja. Dann bräuchte ich das Kärtchen... Dann zum Abstempeln: 1,2,3. Bleiben noch fünf. Und eine Unterschrift."
    Die Traumathek liegt ein bisschen versteckt in einer ruhigen Seitenstraße in Köln. Der alte Nadeldrucker gehört genauso zu ihrem unverwechselbaren Charme wie die selbstgebauten Holzregale und die altmodische Couchgarnitur. Seit zwanzig Jahren steht die Programmvideothek für ein außergewöhnliches Filmangebot: In dem kleinen Ladenlokal gibt es nur ein schmales Regal mit Neuheiten. Dafür lange Reihen mit Klassikern. Sortiert nach Regisseur oder Herkunftsland. Eine Fundgrube für Filmliebhaber.
    Ein breites Filmarchiv
    "Ein schönes Beispiel, jetzt gerade eben hat sich einer ausgeliehen Tale of two Sisters. Das ist zum Beispiel ein Horrorfilm aus Südkorea. Eben ein Film, der jetzt nicht unter klassischen Mainstream fallen würde. Das ist schön, das ist eben einer der Filme, die so einen Laden ausmachen. Eine Art von Kino, wo es Spaß macht, die Leute auch ran zu führen." Florian Prasser war schon lange Stammkunde bevor er selber angefangen hat, hier zu arbeiten. Die Traumathek hat nicht nur ein breites Filmarchiv, sondern sie ist auch eine der wenigen Videotheken, die tatsächlich noch Videokassetten verleiht. Prasser: "Wir haben noch einen Bestand von an die 5.000 Stück. Teilweise Filme, die wir jetzt mittlerweile auch auf DVD haben. Teilweise sind es aber auch Filme, die noch gar nicht auf DVD erschienen sind und die man gar nicht anders kriegt." Aber wer leiht sich das noch aus? "Freaks. Freaks, wie ich. Also es ist eher selten. Aber es gibt noch Kunden. Eine handvoll zehn, fünfzehn Kunden, die sich regelmäßig Videokassetten ausleihen", antwortet Prasser.
    Den Videorecorder gibt es bei Bedarf direkt dazu. Ein Relikt aus alten Zeiten, in denen es noch kein Internet gab, und die Filme nur auf Videokassette verfügbar waren. Für Inhaberin Karin Hüttenhofer waren das die goldenen Zeiten: "Dann haben die Leute wirklich drauf gewartet, dass wir die Filme dann halt auch im Laden hatten. Und sie sind voller Begeisterung reingekommen: Wow, ein John Woo-Film mit einem VHS aus Asien. Das war toll. Da war einfach eine ganz andere Vorfreude im Spiel und Begeisterung."
    Konkurrenz Internet
    Doch mit der Einführung der DVD hat die Traumathek ihre Nische der Originalversionen verloren. Außerdem kann man sich über das Internet mittlerweile jeden Film selber besorgen. Meistens sogar für wenig Geld. Hüttenhofer: "Es hat sich halt, denke ich auch, im Konsumverhalten sehr viel verändert. Damals war halt die Idee der Traumathek auch noch, dass man nicht besitzen muss, dass man nicht kaufen muss, dass man eher auch den ökologischen Weg geht. Eine DVD wird ja dann von vielen Leuten benutzt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Bewusstsein nicht mehr da ist."
    Hinzu kommen die anderen Möglichkeiten des Internets: Erst die illegalen Download Plattformen. Neuerdings die Video-on-demand-Anbieter. Noch vor fünf Jahren hat Karin Hüttenhöfer doppelt so viele Filme verliehen. Jetzt sind es nur noch 1.000 Filme im Monat. Wenn es gut läuft. Mit diesem Rückgang haben auch andere Videotheken zu kämpfen. Deutschlandweit hat sich die Zahl in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Von einem Videotheken-Sterben möchte Jörg Weinrich vom Berufsverband der Videotheken in Deutschland aber nicht sprechen: "Einzelne Videotheken sterben, aber nicht alle, deshalb halte ich diesen Begriff für völlig überzogen. Wir haben einen zurückgehenden Markt. Das wird vermutlich auch noch ein bisschen so weiter gehen. Aber wir haben auch viele Videotheken, die ein vernünftig funktionierendes Geschäft haben, eine breite Kundenbasis, und die davon gut existieren können."
    Videotheken erweitern ihr Sortiment
    Aber nur vom Verleihgeschäft können die wenigsten leben. Die meisten Videotheken haben mittlerweile auch Verkaufsartikel in ihr Sortiment aufgenommen. Auch in der Traumathek gibt es Filmplakate, Soundtracks und Bücher. Außerdem versuchen sie es neuerdings mit einem Café. Karin Hüttenhofer: "Da bin ich eigentlich recht zuversichtlich, weil ich denke, das ist ganz schön, das Soziale hier mit dem Filmleihen zu verbinden. Das ist schon so, die Leute kommen hier rein, sprechen über Filme, treffen sich zufällig, haben sich schon lange nicht mehr gesehen. Ey, du bist auch hier! Ich denke schon, dass die sich auch dann an einen Tisch setzen und gerne einen Kaffee trinken."
    "Hallo. - Hallo, eine Frage: Habt ihr den Film Easy to Wed da? - Sagt mir nichts - Eine Falle für die Braut. - Easy to Wed - Habt ihr denn da? - Nee, also den gibt es auch gar nicht auf DVD - Dann soll ich mitbringen E.T. Der Außerirdische - Das ist schon einfacher... E.T. haben wir da."
    Für Karin Hüttenhöfer ist die Videothek ein kultureller Raum, den es zu schützen gilt. Hoffentlich gelingt ihr das. Ansonsten könnte es der Traumathek bald schon gehen wie ihrem Nadeldrucker. Der kommt nämlich von hier direkt ins Museum.