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Viehzucht und Nahrungsmittelsicherheit in Afrika jenseits industrieller Tierproduktion

Von den 30 bis 40 Millionen kleinbäuerlichen, teilweise nicht sesshaften Viehzüchtern und -hütern in der Welt, leben allein 20 bis 25 Millionen in Afrika. Im Sudan, in Äthiopien, Somalia, Kenia oder Eritrea. Sie züchten Schafe- und Ziegen, halten Kamele, Esel und Kleinvieh. In den heißen Ländern machen sie immerhin 10 bis 25 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Sie sind extrem anpassungsfähig und verfügen über eine tausend Jahre alte Tradition. Dennoch leben zwei Drittel von ihnen unter der Armutsgrenze.

von Ursula Mense | 06.09.2001
    Von den 30 bis 40 Millionen kleinbäuerlichen, teilweise nicht sesshaften Viehzüchtern und -hütern in der Welt, leben allein 20 bis 25 Millionen in Afrika. Im Sudan, in Äthiopien, Somalia, Kenia oder Eritrea. Sie züchten Schafe- und Ziegen, halten Kamele, Esel und Kleinvieh. In den heißen Ländern machen sie immerhin 10 bis 25 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Sie sind extrem anpassungsfähig und verfügen über eine tausend Jahre alte Tradition. Dennoch leben zwei Drittel von ihnen unter der Armutsgrenze.

    Sie haben kaum Rückhalt bei ihren nationalen Regierungen und gelten Vielen als rückständig. Denn verglichen mit anderen Bevölkerungsgruppen haben die kleinbäuerlichen nicht seßhaften Tierhalter in den Ländern des Südens kaum Fortschritte gemacht, obwohl sie im Umgang mit der Natur und ihren Herden über wertvolles tradiertes Wissen verfügen. Es gibt so gut wie keine Kommunikation zwischen den Landbauern und den Regierungen. Wichtige Positionen im Staat besetzen sie ohnehin nicht. Und das, obwohl sie in beträchtlichem Maße das nationale Einkommen steigern. Denn sie produzieren Milch, Fleisch, Leder, Wolle und andere Produkte. Außerdem ist ihre Art der Landnutzung nachhaltig. Es sei eindeutig, sagt Hellen Amuguni von "Tierärzte ohne Grenzen", dass die Landbauern die trockenen Gegenden nutzten, ohne sie zu schädigen.

    Da sie von ihren Herden abhängen ist ihr Hauptanliegen, die Tiere gesund zu halten. Seit Jahrhunderten trotzen die nomadischen Viehzüchter den Dürrezeiten, die immer wieder ein großes Problem sind. Aber inzwischen sehen sie sich zunehmend auch anderen Existenz raubenden Schwierigkeiten ausgesetzt. Die wirtschaftliche Lage in der Welt und die veränderte Entwicklungspolitik bereiten auch dieser Bevölkerungsgruppe eine Menge Probleme. Aber das ist nur ein Aspekt, sagt Helen Amuguni

    Ein anderes betrifft die eingeschränkte Mobilität aufgrund der immer zahlreicher werdenen Übergriffe durch die so genannten Landräuber, die sich großer Landstriche bemächtigen, genau da, wo die Schäfer ihre Herden weiden. Ein anderes Problem ist der Druck durch den eigenen Bevölkerungszuwachs. Denn sie haben jetzt weniger Land zur Verfügung. (...) Außerdem: die Bürgerkriege, in die fast alle der Länder verwickelt sind und ihre eigenen Konflikte. Viele der nomadischen Viehzüchter leben in Grenzgebieten, - Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan, die alle Nachbarstaaten sind- und sie berauben sich gegenseitig. Heute haben sie vielleicht noch ihre Tiere, morgen schon nicht mehr.

    Auf diese Weise haben viele Familien ihren Lebensunterhalt verloren und leben in bitterer Not. Inzwischen sind auch Viele darauf angewiesen, ihre Waren gegen Konsumgüter zu tauschen. Das macht sie abhängig, sagt Amuguni. Sie verkaufen ihre Tiere und halten deshalb gern Ziegen, die sich leichter verkaufen lassen. Zu allem Übel profitieren sie oft nur mässig von diesem Handel. Denn sie verkaufen ihre Herden an Zwischenhändler, die ihnen höchstens die Hälfte von dem geben, was ihre Tiere wert sind. Hier sei staatliche Lenkung nötig, glaubt Helen Amuguni

    Wir haben keine strikte Marktpolitik, von der die ländlichen Viehhalter profitieren könnten. Sie werden bei der Produktion einfach nicht berücksichtigt. Niemand denkt daran, vielleicht ein System zu etablieren, mit dem ihre Produktion angekurbelt werden könnte oder wodurch sie wenigstens ihre Herden gewinnbringender verkaufen könnten.

    Die ländlichen Tierzüchter müßten in der Lage bleiben, gesunde Herden zu halten. Nur das garantiere ihnen Produktivität und Unabhängigkeit. Dazu aber seien staatliche Programme erforderlich, auch, um die Lebenssituation der Landbauern insgesamt zu verbessern. Eine größere Tier-Produktion stimuliere den Handel und beides könne helfen, sowohl die Konflikte zu reduzieren als auch die Wirtschaft und die Versorgungslage zu stabilisieren.