Job-Revolution in den USA

Chancen und Missbrauch in der IT-Branche

Uber in New York City
Ein Fahrer arbeitet in New York City für den privaten Dienstleister UBER. © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Karmann
Von Marcus Pindur · 15.03.2016
Apps und mobile Gärte krempeln die Arbeitswelt in den USA immer mehr um. Durch IT-Unternehmen werden Job-Modelle geschaffen, an die vor wenigen Jahren nicht zu denken war. Doch Unternehmen wie der Fahrdienstleister UBER zeigen, dass es auch negative Seiten gibt.
Tim Bonnemann lebt seit mehreren Jahren in Kalifornien, in San Jose, also im sogenannten Silicon Valley. Der Kölner ist mit einer Amerikanerin verheiratet, hat zwei kleine Söhne und hat einige Jahre bei einer namhaften amerikanischen Softwarefirma gearbeitet. Dann gab er den gutbezahlten Arbeitsplatz in der IT-Branche auf, um sein eigenes kleines Start-up Unternehmen zu gründen. Etwa zwei Jahre arbeitete er von zuhause, betreute die Kinder, während seine Frau, ebenfalls in der Softwarebranche, das Familieneinkommen sicherte. Als sich abzeichnete, dass die Unternehmensgründung auf absehbare Zeit nur wenig Gewinn abwerfen würde, sah sich Bonnemann zur Aufstockung des Familieneinkommens nach einem Nebenjob um. Kurzentschlossen heuerte er bei einem Essensauslieferungsservice an.

"Sehr interessant. Viel interessanter, als ich mir das vorgestellt habe. Zunächst mal ist das so, dass das mit dem alten Pizzaservice von früher kaum mehr vergleichbar ist. Es ist im Grunde ein hochentwickelter Logistik-Dienst, der dahinter steckt, bei dem man über iPhone App genau dahin gesteuert wird, wo man als Fahrer abholen und liefern muss."

Flexibilität bei der Arbeitszeit

Keine hochqualifizierte Tätigkeit, aber danach hatte Tim Bonnemann auch nicht gesucht. Der Job habe Spaß gemacht, er habe viele interessante Kunden und Anbieter aus dem Gastronomiebereich kennengelernt, und dem zweifachen Vater kam die Flexibilität bei der Arbeitszeit sehr entgegen.
"Der große Vorteil, den ich bis jetzt gehört habe von Kollegen, also von anderen, die auch in diesem Bereich unterwegs sind, ist die Flexibilität. Dass man eben hier und da mal einfach eine Stunde, zwei Stunden, einen halben Tag oder auch einen ganzen Tag hinzuverdienen kann, eine Möglichkeit, die es früher in der Form so nicht gegeben hat."
Beim Stundenlohn haperte es allerdings. Die ursprüngliche Stellenanzeige hatte einen Verdienst von bis zu 25 Dollar pro Stunde in Aussicht gestellt, doch das erwies sich als zu viel versprochen.
"Und wenn man dann tatsächlich anfängt, stellt man fest, dass es sich doch eher so im Bereich 15 Dollar bewegt. Man kann dann allerdings versuchen, durch geschicktes Timing – welche Schichten man sich aussucht, welche Tageszeiten, welche Wochentage – kann man versuchen, das ein bisschen zu optimieren. Im Großen und Ganzen ist es aber kein hochbezahlter Job."

Das Risiko liegt bei den Freiberuflern

Zumal die freiberuflichen Fahrer auch noch für ihr Fahrzeug, Sprit und Krankenversicherung aufkommen müssen. Für Tim Bonnemann war es nur ein vorübergehender Ausflug in diesen Bereich der Gig Economy. Er wird mittelfristig wieder als gutbezahlter Freiberufler bei einem der großen IT-Unternehmen im Silicon Valley anheuern – ein ganz anderes Berufsumfeld, aber auch ein Teil der sogenannten Gig Economy. Ungefähr zehn Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer sind Freiberufler, Zeitarbeiter, Berater, arbeiten in Werkverträgen und als Selbständige. Die Spannbreite der Tätigkeiten ist groß: Sie reicht vom Pizzaboten über den LKW-Fernfahrer, den selbständigen Handwerker bis hin zum Unternehmensberater und IT-Spezialisten. Verschiedene amerikanische Handwerkerplattformen im Internet wurden bereits verklagt. Die Arbeitnehmer erklärten, sie seien de facto Angestellte, würden aber nicht die gleichen Sozialleistungen erhalten.
Andy Stern, ehemaliger Präsident der amerikanischen Dienstleistungsgewerkschaft, meint, man müsse für die freiberuflichen Arbeitnehmer neue Schutzsysteme aufbauen.

"Meine Hoffnung ist, dass wir ähnlich wie in der Bauwirtschaft einen Weg finden, diesen Arbeitnehmern den Zugang zu Sozialleistungen zu erleichtern."

Das ist bislang in weiten Teilen eine Hoffnung geblieben. Arbeitgeber wie das Taxiunternehmen Uber wollen keine zusätzlichen Kosten übernehmen. Vieles wird in den nächsten Jahren vor Gericht entschieden werden. Einen großen Schritt ist die Politik in den USA aber vorangekommen: Krankenversicherungen können mit der Gesundheitsreform Obamas auch unabhängig von einem Arbeitsverhältnis abgeschlossen und staatlich bezuschusst werden. Die Gig Economy ist zumindest dadurch für viele Arbeitnehmer deutlich erträglicher geworden.
Mehr zum Thema