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Viele Häuser weiter ohne Wintermantel

Nur 0,7 Prozent des Gebäudebestands wird jährlich energetisch auf Vordermann gebracht. Eine Allianz aus Umweltschützern, Mietervertretern und verschiedenen Verbänden will das ändern - und dazu die Instrumentarien entwickeln und sie in die Politik bringen.

Von Michael Castritius | 19.03.2013
    Sie haben eine breite Allianz geschmiedet, um Druck auf die Bundespolitik auszuüben. Eine Allianz, in der neben Umweltschützern, Mietervertretern und Architekten auch Verbände aus der Industrie, Gewerkschaften, Unternehmen und Verbraucherschützer mitarbeiten. Förderprogramme allein, so die Analyse dieser Allianz, reichten bei Weitem nicht aus. Es fehlten Konzepte und Instrumentarien für Eigentümer, Dienstleister und die Baubranche, erläutert Ulf Sieberg, Energieexperte des NABU:

    "Es geht tatsächlich jetzt um das Wie: Wie müssen die neuen Instrumente designt sein, damit der Hauseigentümer die Planungsinvestitionssicherheit bekommt, damit wir einen Markt für Energieeffizienzdienstleistungen schaffen, der Transparenz bei der Bewertung von Gebäuden mit hineinbringt und wir zu einer Steigerung der Sanierungsrate kommen. Die dann allerdings auch mit der notwendigen Sanierungstiefe einhergeht. Denn ein rein quantitatives Ziel sagt natürlich noch überhaupt nichts aus über die Effizienzpotenziale, die ich mit den durchgeführten Maßnahmen tatsächlich erreiche."

    Und schon allein die Rate sei mit 0,7 bis ein Prozent der sanierten Gebäude pro Jahr noch viel zu niedrig. Es fehle an Anreizen und an gesetzlichen Vorgaben.

    "Blockade und Attentismus der Bundesregierung muss in einer nächsten Legislaturperiode überwunden werden. Wir wollen mit unseren Bündnispartnern darüber diskutieren, wie die Instrumente ausgestaltet werden müssen. Zu diesen Instrumenten gehören mehr wirtschaftliche Anreize. Und wir wollen natürlich auch die bedarfsgerechte Entwicklung der Energieversorgung nicht vergessen, also die Quatiers-Sanierungen. Das alles wollen wir mit unseren Bündnispartnern jetzt konkretisieren, um dann Vorschläge Richtung Bundesregierung zu machen. All das, was im Prinzip in den letzten vier Jahren auf der Strecke geblieben ist."

    Und das, obwohl die energetische Gebäudesanierung doch der Schlüssel sei, wenn die Bundesregierung ihre selbst gesteckten, ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen wolle. Schließlich würden in Deutschland 40 Prozent der Endenergien in Gebäuden verbraucht und dadurch entstünden zudem 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen. Reiner Wild, Vorstand des Deutschen Mieterbundes, registriert sogar Rückschritte - und zwar durch die vielen Neubauten.

    "Die Wohnungsmarktentwicklung der Großstädte und auch der Universitätsstädte trägt letztendlich dazu bei, dass die Sanierungsrate sinkt. Das ist nicht Ziel der Mieter, denn wir wissen, dass die Heizkosten, die Energiepreise, weiter steigen werden. In der jetzigen Konstruktion gibt es tatsächlich ein großes Akzeptanzproblem, weil die Kosten, die der Mieter zu tragen hat, in der Regel nicht kompensiert werden können durch die Heizkostenersparnis. In Gebieten mit sehr engen Wohnungsmärkten haben die Gebäudeeigentümer dieses Instrument der energetischen Gebäudesanierung natürlich auch entdeckt, um die Wohnkosten nach oben zu treiben. In vielen Fällen leider auch, um die Wohnung freizubekommen, um dann über Neuverträge noch höhere Mieten zu generieren."

    Diese sozial unerträgliche Kostenverteilung, so der Mieterbund, trage dazu bei, dass das umweltpolitisch gewollte Projekt der energetischen Gebäudesanierung nicht vorankommt. Auch diese Blockaden will die neue Allianz, die noch weitere Kooperationspartner sucht, aufbrechen.