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Viele Hochzeiten und ein Netzausfall

Die allgegenwärtige "digitale Infrastruktur" beeinflusst auch das Leben derjenigen, die nichts mit Computern und Internet zu tun haben. Aber wie können diese Menschen mitgenommen werden, damit die Hochzeit zwischen digitaler und analoger Welt funktioniert? Darüber wurde nun auf der Konferenz re:publica diskutiert.

Von Wolfgang Noelke | 16.04.2011
    Den besten Blick in die Realität gewinnen die Nerds, also diejenigen, die sich hauptsächlich mit der Entwicklung digitaler Welten beschäftigen, wenn sie einmal im Jahr die re:publica besuchen. Zum fünften Mal stellten die Veranstalter den Besuchern ein kostenloses WLAN zur Verfügung. Zum fünften Mal, mit dem Ergebnis:

    "Es funktioniert nicht. Wenn 3000 Menschen mit Internetgeräten zusammenkommen, dann führt das häufig zu Abstürzen. Wenn das WLAN nicht funktioniert, machen alle UMTS und das stürzt dann genauso ab."
    "Naja, man ist ja Kongresserfahren und hat mindestens zwei Mobilfunknetze dabei und weiß, dass es dann auf EDGE runterschaltet, wenn mal UMTS nicht funktioniert.

    "Und zwar war ich gerade beim Pommesladen um die Ecke. Und der hat sich ganz böse beschwert über diese Konferenz, weil er heute Morgen eine Lieferung hätte bekommen sollen. Die hatten viermal versucht, auf seinem Handy anzurufen. Und er hat zehn Stunden später, mitten in der Nacht, das erste Mal eine SMS bekommen, die ihn darüber benachrichtigte, dass er vier Anrufe verpasst hat. Der mag uns nicht!"

    Klassisches Beispiel medienkompetenten Nachholbedarfs. Denn die Telekommunikationsunternehmen, aber auch der Veranstalter könnten den jährlichen Engpass durch bessere Infrastruktur vermeiden. Der Mathematiker und Informatiker Professor Gunter Dueck prognostizierte einen noch bevorstehenden gewaltigen gesellschaftspolitischen Umbruch. Viele Berufsgruppen wären jetzt schon überflüssig, zum Beispiel Berater und Beamte, die mithilfe vorformulierter Textbausteine kommunizieren.

    "Oder verkaufen Sie ein Auto. Das ist noch ätzender. Sie haben so einen Gebrauchtwagen. Früher war das so, da hat der Meister gefragt: Willst du das verkaufen? Echt? Dann hat er es fünf Minuten angeguckt, ob die Türen noch aufgehen, ob der Motor noch funktioniert. Das ist heute anders. Also heute gehen Sie in so ein Büro und dann tippt einer alle 20-stelligen Zahlen aus dem Kfz-Brief in irgend so einem Monitor ab und nach 20 Minuten schwerer Arbeit sagt das Ding: Nein oder Null! Und dann sagt man, 'es ist aber noch was wert, es steht draußen'. Dann sagt er: 'Hier steht Null!' Und dann sagt man: 'Können Sie es sich nicht draußen angucken?' 'Nein...! Das entscheidet der Computer'. Ich hab eine Kolumne drüber geschrieben, die heißt: Flachbildschirmrückseiten-Beratung. Und dann gucken die...die haben beim Eintippen so einen hilflosen Blick, 'kann mir mal einer helfen, jetzt ist es abgestürzt...' Und dann sagen Sie doch, diese Berufe sind wirklich nicht nötig, oder?"

    Weil medienkompetente Menschen alle Antworten im Internet finden. Medienkompetenz gehöre in den Schulunterricht. Statt Smartphones zu verbieten, sollten Lehrer sie im Unterricht einsetzen. Am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung zeigt die ehemalige Lehrerin Lisa Rosa ihren Kollegen die weltweite virtuelle Klassenreise:

    "Ich stell mir so vor: Wenn alle Schüler ein tragbares Gerät mit Internetzugang – das ist die Hauptsache – haben, dann kann man mit denen an alle Lernorte gehen. Lernorte sind zum Beispiel der Betrieb soundso oder ein Atomkraftwerk besichtigen. Und alle haben ein Handy dabei und sie können alles aufschreiben, was sie im Netz gesehen haben, sie können fotografieren, sie können Videos machen, sie können gleichzeitig Informationen aus dem Netz holen zu dem Lerngegenstand an dem Ort, wo sie gerade lernen. Die Welt ist sozusagen immer heranholbar und dann kommen sie mittags oder nachmittags wieder zurück in den Klassenraum und dann wertet man aus. Dann sagt man. Was haben wir für Material gesammelt, heute? Jetzt gucken wir uns mal an, was man damit machen kann."

    Erst für diese Generation wären digitale Medien in der analogen Welt selbstverständlich.