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Vielfältiger Speiseplan
Kegelrobben jagen Seehunde und Schweinswale

Die Kegelrobben und Seehunde auf den Sanddünen Helgolands liegen die meiste Zeit friedlich nebeneinander. An einzelnen Tagen attackieren die Robben die Seehunde allerdings auch oder greifen Schweinswale im Meer an. Nun haben Wissenschaftler entdeckt, woran das liegt.

Von Jochen Steiner | 18.09.2015
    Kämpfende Kegelrobben im Wasser bei Helgoland in Schleswig-Holstein.
    Kämpfende Kegelrobben im Wasser bei Helgoland: Der Speiseplan der Tiere ist vielfältiger als bisher gedacht. (picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann)
    Die Kegelrobbe ist das größte frei lebende Raubtier in Deutschland. Sie frisst vor allem Fisch, manchmal erbeutet sie auch eine Ente.
    "Dann haben wir im Juli 2013 einen Bericht von einem Seehundjäger auf Helgoland bekommen, wo er sehr detailliert, auch mit Fotos beschrieb, dass er eine Kegelrobbe dabei beobachtet hat, wie diese einen Seehund gerissen und getötet hat und danach zu einem Großteil verspeist hat."
    Der Biologe Abbo van Neer ist häufig auf Helgoland, um dort im Auftrag der Tierärztlichen Hochschule Hannover Seehunde und Kegelrobben zu beobachten und zu untersuchen.
    "Erst mal waren wir erstaunt und wussten gar nicht so recht, wie wir das jetzt einsortieren sollen. Dann haben wir uns überlegt, okay, es ist vielleicht ein krasser Einzelfall, haben dann aber sehr schnell aus Helgoland weitere Berichte auch von anderen Leuten bekommen."
    Die Augenzeugen-Berichte häuften sich, die Forscher sahen weitere Fotos. Doch mit eigenen Augen konnten sie die Jagd einer Kegelrobbe auf einen Seehund nicht beobachten. Abbo van Neer und seine Kollegen erhielten aber die Seehund-Kadaver, die sie dann untersucht haben. Dabei konnten sie ein bestimmtes Muster der Wunden bei den Seehund-Kadavern beschreiben.
    "Es fehlen große Teile des Muskelgewebes, aber auch des sogenannten Blubbers, also der Fettschicht der Tiere. Und was uns sehr aufgefallen ist, ist, dass die Wundränder wie geschnitten aussehen. Es ist ein ganz gerader Rand, der so halbkreisförmig um den Körper geht häufig, und haben das aber oft so eingeschätzt, dass das wohl ein Mensch gewesen sein muss, denn wer sollte sonst einen Seehund "zerschneiden". Dass das Kegelrobben durch das Reißen des Gewebes schaffen, da hatten wir bis dahin noch keine Vermutung und das hat sich dann erst durch die Beobachtungen ergeben."
    Wieder mehr Kegelrobben in der Nordsee
    Und mittlerweile können die Forscher sagen, dass ab und an auch ein Schweinswal auf dem Speiseplan der Kegelrobben steht. Etliche Schweinswal-Kadaver, die auf Helgoland gefunden wurden, wiesen das typische Wund-Muster auf.
    Warum Kegelrobben auch Seehunde und Schweinswale jagen, dazu gibt es mehrere Vermutungen. Es liege nicht daran, so van Neer, dass die Kegelrobben weniger Fisch fangen und auf andere Beute ausweichen müssten.
    "Eine weitere Erklärung, die ich für am wahrscheinlichsten halte ist, dass es sich gar nicht um ein neues Verhalten handelt, sondern dass es ein Verhalten ist, das seltener vorkommt, und wir jetzt dadurch, dass Kegelrobben mehr werden, auch höhere Chancen haben, dieses Verhalten zu beobachten."
    Durch das Jagdverbot und den Rückgang von Umweltgiften haben sich die Bestände in der Nordsee wieder erholt. Dort können die Kegelrobben nun wieder häufiger beobachtet werden.
    "Die Kegelrobbe ist eines der größten Raubtiere in Europa, und man sollte entsprechend Respekt vor den Tieren haben, das gilt an Land oder im Wasser. Bisher sind keine schweren Übergriffe auf Menschen bekannt, weltweit nicht bekannt."