Andrea Pancurs Album "Weihnukka"

Lieder für eine bessere Welt

06:59 Minuten
Die Sängerin Andrea Pancur während eines Auftritts.
Auf ihrem neuen Album "Weihnukka" singt Andrea Pancur jiddisch, aber auch in bayerischer Mundart. © imago / Viadata
Von Grit Friedrich · 23.12.2019
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Auf ihrem Album "Weihnukka" hat die Musikerin Andrea Pancur Lieder zusammengestellt, die sowohl zu den christlichen als auch zu den jüdischen Feiertagen passen. Für Menschen, denen das Wunder wichtiger ist als die Abgrenzung.
Andrea Pancur hat slowenische Wurzeln, ist aufgewachsen in Bayern und gilt als Institution in der jiddischsprachigen Musik. Auf ihrem Album "Weihnukka" singt sie ein traditionelles Chanukkalied: "Drey Dreydl".
"Das ist mein Lieblingsweihnachtslied. Ich sing das Lied, seit ich Kind bin. Ich mag das Lied. Ich finde die Bilder schön. Dieses Bild von einem unschuldigen Kind, das in einer ganz dramatischen Lage ist, für die es nichts kann, und dass man dieses Kind so ansingt und sagt, segne mich und dann wird auch mein Schlaf gut werden: Das hat einen Zauber, der auch jenseits der Religion wirkt, finde ich."
Ihre leidenschaftlich ausgelebte Liebe zum Eklektizismus prägt auch das neue Album, obwohl sie nur drei Musiker an ihrer Seite hat: den Akkordeonisten Ilya Shneyveys, mit ihm hatte sie vor Jahren das Genre Alpen-Klezmer erfunden, den Berliner Musiker Christian Dawid und Johann Bengen aus Bayern. Dass die CD dennoch so opulent klingt, hat einen einfachen Grund.
"Das kam daher, dass ich die letzten Male immer viele Kollegen im Studio hatte und es dieses Mal etwas ausdünnen wollte und mir gedacht habe, mit was haben denn die beiden Vergnügen und wie kriegen wir es hin, dass wir einen relativ dicken Sound haben, obwohl wir nur zu viert sind. Das war eine Entscheidung von mir, gegen die sich keiner gewehrt hat. Ich hab gesagt, wir nehmen so viel auf wie geht, Instrumente die ihr möchtet, und wir nehmen einfach Spur nach Spur auf."

Punkgitarre und Partisanenmarsch

Das Album "Weihnukka" bringt vieles zusammen, was beim ersten Hören erstaunt: Man hört Posaunenchor und Punkgitarre, Saxophonsoli, mehrstimmigen Gesang – und einen Partisanenmarsch. Denn Chanukka ist ein uraltes jüdisches Fest, das einen erfolgreichen Aufstand feiert.
Dieser Marsch begleitete im Januar 1942 aufständische Männer und Frauen im jüdischen Ghetto von Vilnius bei ihrem Kampf gegen die faschistischen Besatzer. Der jiddische Text entstand zur Melodie des Einheitsfrontliedes von Hanns Eisler. Der kämpferische "Partizaner Marsh" steht neben weitaus elegischeren Liedern auf der CD. Es gibt eine winterliche Hirten-Doyna, und ein experimentell klingendes Lied über die tödliche Härte des Winters. "Der Vinter" wurde vor vielen Jahren arrangiert von der Akkordeonistin Franka Lampe für das Programm "Dimitri Schostakowitsch, Lieder aus jüdischer Volkspoesie".
Andrea Pancur und ihre Musiker verbeugen sich gleich zwei Mal vor dieser großen Klezmermusikerin aus Deutschland, auch mit einem neu geschriebenen Lied. Denn Franka Lampe, ist vor knapp drei Jahren, kurz nach Weihnachten, viel zu jung verstorben.
Das Album Weihnukka pendelt zwischen Nächstenliebe und Widerstand, zwischen warmen weichen Klängen und dissonanten Tönen. Einige Lieder transportieren einen starken rebellischen Geist, denn ein weiteres kuschliges Winter-, Weihnachts- oder Chanukkaalbum hätte niemand gebraucht. Andrea Pancur ging einen anderen Weg, einen, der neu auf bekannte Melodien schaut, aber auch Entdeckungen bereithält, wie "Di Tsukunft" – ein hoffnungsvolles Lied von Morris Winchefsky.
"Es ist ein Lied aus der jüdischen Arbeiterbewegung und es besingt eine bessere Zukunft, eine bessere Welt – und da treffen sich für mich beide Feste. Weihnachten ist das große Versprechen von Friede auf Erden und allen Menschen Wohlgefallen. Und Chanukka ist quasi die Selbstermächtigung, sich eines Besatzers, der einen quält, zu entledigen und dadurch wieder ein freieres Leben zu führen."

Andrea Pancur: "Weihnukka", Label Galileo MC, GCM 008, LC 12661

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