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Vier fette Jahre

Die Krankenkassen ziehen eine positive Bilanz nach vier Jahren Schwarz-Gelb. Die gesetzlichen haben große Überschüsse in den Kassen, die privaten freuen sich über mehr Mitglieder. Doch nach der Wahl könnte alles anders werden.

Von Nikolaus Nützel | 12.08.2013
    "Also das hier ist die Wahlleistungsstation, im Prinzip sind es die gleichen Assistenten, dieselben Mitarbeiter, die die Patienten auf der Allgemeinstation betreuen, der Unterschied ist so ein bisschen in der Zimmer-Ausstattung, ich möchte mal sagen, hier sind sie dann im Viersternebereich und auf dem allgemeinen Bereich im Dreisternebereich, das ist glaube ich der Hauptunterschied."

    Karsten Pohle ist Chefarzt im Nürnberger Martha-Maria-Krankenhaus. In seiner Klinik gebe es keine Zwei-Klassenmedizin, sagt er – aber er kennt die Diskussion darüber. Das Thema beschäftigt auch die Parteien im Bundestagswahlkampf. Die privaten wie auch die gesetzlichen Versicherer als Branche verfolgen die Debatte aufmerksam. Es geht dabei vor allem ums Geld. Die gesetzlichen Kassen stehen hier besser da als noch vor zwei oder drei Jahren, findet Helmut Platzer, der Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern.

    "Die aktuelle wirtschaftliche Lage unserer Branche, um das Stichwort aufzugreifen, ist gut."

    Die gute Konjunktur hat die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in letzter Zeit sprudeln lassen. Und die schwarz-gelbe Bundesregierung ist Forderungen, den allgemeinen Beitragssatz zu senken, nicht gefolgt. Unter anderem Wirtschaftsverbände hatten hier eine Entlastung verlangt. Daher summieren sich die Rücklagen auf rund 28 Milliarden Euro. Kassen wie die AOKs, die viele Geringverdiener und Kranke unter ihren Versicherten haben, sehen sich allerdings durch den Finanzausgleich unter den gesetzlichen Kassen benachteiligt – sie fordern daher nach der Wahl einen Umbau, der die Gelder fairer verteilt. Alle gesetzlichen Kassen sind sich dabei in einem einig: die Milliardenreserven sollten nicht leichtfertig ausgegeben werden. Der AOK-Chef Platzer ärgert sich beispielsweise über höhere Zahlungen an Krankenhäuser, die die Bundesregierung beschlossen hat:

    "Also wir rechnen damit, dass die Ausgabensteigerungen im kommenden Jahr in etwa doppelt so hoch sein werden wie die Einnahmensteigerungen, die wir erwarten dürfen. Das ist ein Problem, und das zeigt auch ganz deutlich, wie relativ diese Feststellung der guten wirtschaftlichen Lage für die gesetzlichen Krankenkassen tatsächlich gesehen werden muss."

    Wenn man den Verband der Privaten Krankenversicherer nach der Lage seiner Mitgliedsunternehmen fragt, fällt die Einschätzung noch optimistischer aus als bei den gesetzlichen Kassen.

    "Wirtschaftlich geht es ihnen gut, die Zahl der Versicherten wächst, es kommen jedes Jahr über 200.000 neue Versicherte hinzu."

    Stefan Reker, der Geschäftsführer des PKV-Verbandes, stellt der aktuellen Bundesregierung ein gutes Zeugnis aus:

    "Aus unserer Sicht ist es eigentlich eine gute Legislaturperiode gewesen, weil die Regierung die bürgerlichen Wahlfreiheiten wieder vergrößert hat."

    Als noch die SPD das Bundesgesundheitsministerium führte, hat sie es für gut verdienende Angestellte erschwert, von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung zu wechseln. Die FDP hat das bei ihrer Übernahme des Gesundheitsressorts rückgängig gemacht. Vertreter der Oppositionsparteien und auch der gesetzlichen Kassen sehen darin ein Zeichen dafür, dass die aktuelle Regierung den Privatversicherern unter die Arme greift, wo sie kann. Ohne solche politische Unterstützung würden sich etliche Versicherungskonzerne aus dem Geschäft mit der Krankenversicherung lieber zurückziehen, so heißt es aus Kreisen der gesetzlichen Anbieter. Der Geschäftsführer des PKV-Verbands Stefan Reker weist aber brüsk zurück, dass es bei den Mitgliedsfirmen solche Überlegungen gebe.

    "Die Gerüchte sind wirklich komplett falsch, im Gegenteil, sie sind fest entschlossen, für den Erhalt der Vollversicherung zu kämpfen, beispielsweise in der politischen Diskussion über eine Bürgerversicherung."

    Denn auch wenn die privaten Krankenversicherer beteuern, dass es ihnen gut gehe, so sind sie doch damit konfrontiert, dass SPD, Grüne und Linke sie nach der Wahl am liebsten abschaffen wollen. Das derzeit zweigleisige System soll nach ihren Plänen durch eine sogenannte Bürgerversicherung abgelöst werden.

    Viele von denen, die im Gesundheitssystem arbeiten, wünschen sich bei den Debatten über die Zukunft der Krankenversicherung dabei das gleiche, was sich der Chefarzt des Nürnberger Martha-Maria-Krankenhauses, Karsten Pohle, wünscht: Es dürfe nicht aus dem Blick geraten, dass es am Ende um die Behandlung kranker Menschen geht, und nicht nur um Geld. Pohle räumt aber ein, dass das auch von Ärzten immer wieder vergessen wird.

    "Wenn wir als Mediziner nur noch das Thema Geld in jede Diskussion hineinführen, verlassen wir das, weswegen wir Ärzte geworden sind und verlassen unseren Auftrag."