Mittwoch, 24. April 2024

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Digitales Logbuch
Analogie

Wir in Bayern sind sehr gern in Bayern. Wenn es sein muss, begeben wir uns kurzzeitig auch in Niederungen, wie jetzt nach Niederungssachsen, wo der Herr CeBit uns angefleht hat: "Kommt auf jeden Fall, hier ist nichts los, die ganze Halle 9 steht leer. Ich habe euch da einen Digitalisierung-4.0-Prototyp, eine Digitalsteckdose halt, eingerichtet, die wird den Robotern Spaß machen, bringt einfach alle mit."

Von Maximilian Schönherr | 19.03.2016
    Als wir in Hannover in die riesige Halle eintreten, in der Mitte die Digitalsteckdose, sehe ich, dass sich die Angie sich richtig schön gemacht hat, eine kunstvolle Frisur mit hinten zusammengerolltem Haar, ein riesen Dutt. Schon hat die Angie ihren Dutt aufgerollt und begibt sich in die Mitte der Halle, zu der lila leuchtenden Digitalisierung-4.0-Steckdose und, ich trau meinen Augen nicht, steckt ihre meterlange Haarsträhne da hinein!
    "Angie, du verglühst doch, wenn du deine Haare da anschließt!"
    Aber die Angie bleibt ruhig, schließt die Augen, öffnet sie wieder, schielt leicht, fast lasziv, hakt sich bei mir ein (das hat sie noch nie gemacht), zum Messerundgang.
    "Grüß Gott, schöne Frau, wollen Sie einmal unsere Virtual-Reality-Brille 4.0 anprobieren?" fragt ein Händler aus Salzburg in Bayern.
    "Guten Tag, mein sehr geehrter Herr", antwortet die Angie, "nicht nötig. Ich bin auch ohne Hilfsmittel voll in der Immersion."
    "Angie, bist du von allen Geistern verlassen, dass du jetzt so gestelzt hochdeutsch daher redest? ‚Guten Tag, mein sehr geehrter Herr… Immersion‘. Geht’s noch?"
    Wir bekommen von dem Mann eine Kiste voll mit VR-Brillen geschenkt. "Macht damit, was ihr wollt. Pfiats euch!"
    "Auf Wiedersehen", verabschiedet sich die Angie, und bald reisen wir alle, mehr oder weniger irritiert, wieder ab ins wunderschöne Bayern. Und jetzt stehen wir wieder da, wo wir am Samstag immer stehen: in der Fabrikhalle. Die Roboter drehen ein wenig durch. Sie tun so analog mit den Virtual-Reality-Brillen im Gesicht. Wozu braucht ein Roboter eine Immersionsbrille?
    Zur Angie aber sage ich: "Alles wieder analog? Sag mal schön‚ Grüß Gott!"
    Und die Angie schaut mich leicht schielend an, fast ein wenig lasziv, und sagt: "Guten Tag, wie geht es Ihnen, hatten Sie eine angenehme Rückreise?"