Tom Hird: "Ozeanopädie"

Von Riesenrochen, Haien und Menschen

Cover: "Ozeanopädie" von Tom Hird
Der Biologe Tom Hird taucht im Wortsinn tief in das Meer ein. © Verlag Terra Mater / picture alliance / dps
Von Günther Wessel · 23.11.2018
Eine Enzyklopädie über die Weltmeere und ihre Bewohner bietet das Buch "Ozeanopädie". Der britische Journalist Tom Hird liefert unterhaltsam und witzig auch skurrile Fakten. Am Ende wird der Meeresbiologe jedoch sehr ernst.
291 Einträge zählt das Buch, gegliedert in mehrere Großkapitel, die sich mit Küstengebieten, Riffen, dem offenen Meer, der Tiefsee, den Eismeeren und schließlich der bedrohten Meereswelt beschäftigen. Dennoch hat es etwas von einem Sammelsurium, auch weil der Autor sich nicht immer strikt an seine Gliederung hält. Denn natürlich ergeben sich Überschneidungen – Riffe und das offene Meer lassen sich zwar methodisch, nicht aber in der Realität trennen. Und schnell merkt der Leser, wo Hirds Vorlieben und Stärken liegen. Was er über die Gezeiten oder über Meeresströmungen schreibt, ist eher dünn, substanzieller sind die Artikel über die Tierwelt.

Mantarochen mit Flügeln bis zu sieben Meter

Tom Hird taucht im Wortsinn tief in das Meer ein – er schreibt über faszinierende Mantarochen, deren Flügelspannweite bis zu sieben Meter betragen kann, über schnelle Thunfische, über Quallen und Meeresschildkröten. Und über wissenschaftliche Details der Flossen und Schuppen: Brustflossen, die dazu dienen, schnell wenden zu können, Schwanzflossen für den Vortrieb, Rücken- und Afterflossen zur Stabilisierung. Schuppen wachsen nicht auf der Außenhaut, sondern entstehen in der Epidermis und können deshalb nach- und mitwachsen.
Die große Liebe Hirds sind aber Haie. Und da vor allem der Weiße Hai, ein perfekter Jäger, der von seinen Opfern schwer zu entdecken ist. Denn seine Farbgebung, der weiße Bauch, der dunkle Rücken, macht ihn fast unsichtbar – von unten, mit dem Blick auf die helle Wasseroberfläche, und von oben, mit Blick auf die dunklere Tiefsee. Dazu kommen seine Größe und seine Geschwindigkeit, sein Geruchssinn und andere Sinnesorgane, mit denen er auch winzige Druckwellen von Flossenschlägen wahrnehmen kann. Der Weiße Hai braucht kein anderes Lebewesen im Meer zu fürchten – nur den Menschen!

Die Meere sterben langsam

Und so schließt dieses Buch mit einem eindringlichen Kapitel über die Bedrohung der Meere: Überfischung und Verseuchung, Plastikmüll, der riesige schwimmende Müllinseln bildet und sich auch in der Nahrungsmittelkette der Meeresbewohner ansammelt. Nicht zuletzt der Klimawandel. Der Temperaturanstieg führt zu schmelzenden Polkappen, zur Veränderung von Meeresströmungen, zum Anstieg von Kohlendioxid im Wasser und damit zur Übersäuerung der Meere, weshalb Fische und Korallen kein lebensnotwendiges Kalzium mehr aufnehmen können – die Meere sterben langsam.
So wird Tom Hirds oft sehr unterhaltsame und lehrreiche, gut lesbare Enzyklopädie am Ende sehr ernst. Es ist auch deshalb ein höchst lesenswertes Buch mit einem kleinen Schönheitsfehler: Es fehlt ein Register, was für eine Enzyklopädie zwingend nötig ist.

Tom Hird: "Ozeanopädie. 291 unglaubliche Geschichten vom Meer"
Aus dem Englischen von Nadine Lipp
Terra Mater Books, Salzburg und München 2018
352 Seiten, 24 Euro

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