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Vier Jahre nach dem Sommermärchen

Bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war Jürgen Klinsmann noch verantwortlich für die Nationalmannschaft, wurde zum Initiator des Sommermärchens. Jetzt vier Jahre danach hat er eine neue Rolle: Als Fernsehexperte für drei Sender in Deutschland, Großbritannien und den USA. Doch er denkt bereits an die Zeit danach.

Von Jürgen Kalwa | 29.05.2010
    Auf dem riesigen Gelände des amerikanischen Medienunternehmens ESPN in der kleinen Stadt Bristol auf halber Strecke zwischen New York und Boston wandern prominente Besucher oft von einem Gebäude zum andern. Sie werden herumgereicht. Von den Fernsehstudios zu den Radiokabinen zum Interview mit Online-Journalisten.

    Am Dienstag war der ehemalige Trainer der deutschen Nationalmannschaft zum ersten Mal auf dem Campus unterwegs. Das Programm drängte. Doch dann traf er zwischen Tür und Angel einen alten Bekannten. Großes Hallo, Schulterklopfen. Small Talk. Soviel Zeit muss sein:

    ""How are you? Good to see you. You're getting younger and younger.”"

    Du wirst immer jünger, schmeichelte Jürgen Klinsmann dem Brasilianer Pelé und erzählte ihm noch rasch, dass er bei der Weltmeisterschaft in Südafrika eine Menge zu tun haben wird. Nicht nur der Fernsehsender RTL hat ihn verpflichtet, um über die Spiele zu fachsimpeln. Auch der britische BBC hat ihn unter Vertrag. Aber sein Hauptpensum wird er den Zuschauern in seiner zweiten Heimat servieren. Bei jenem Vier-Buchstaben-Konglomerat namens ESPN, dem größten Sportsender der Welt. Der wird alle Begegnungen live übertragen. Darunter eine ganze Reihe sogar in 3D.

    Das hört sich nach einem enormen Engagement an, dass sich der Fußballlehrer im Ruhestand da aufgebürdet hat. Aber Klinsmann ist Tempo gewöhnt:

    ""Das ist alles kein Problem. Das ist alles machbar. Ich freue mich unheimlich auf diese WM. Ich glaube, das wird eine faszinierende WM, zum ersten Mal auf afrikanischem Boden. Das wird sehr emotional sein. Ich bin froh, dass ich dabei sein darf.”"

    Das alles besprechen wir an diesem Tag - notgedrungen - im Gehen. In den knapp bemessenen Minuten auf dem Weg zum nächsten Termin in einem anderen Gebäude. Aber Klinsmann handhabt solche Situationen sehr entspannt. Wozu auch die Antwort auf die Frage nach den jüngsten Erfolgen von Bayern München gehört. Deren Kapitän van Bommel hatte in den Tagen davor noch einmal kurz nachgetreten: Klinsmanns Zeit sei ein "verlorenes Jahr” für den Club gewesen:

    ""Darüber möchte ich keinen Kommentar mehr abgeben. Wir haben uns getrennt und sind verschiedene Wege gegangen. Natürlich verfolge ich den Weg des Clubs. Die Distanz ist natürlich größer geworden. Und zu dem 'Was-wäre-gewesen-wenn?': Das ist zu hypothetisch. Das macht keinen Sinn. Für mich war es nur wichtig nach diesem Erlebnis in München die Familie wieder nach Hause zu bringen und alles zu regulieren und ganz normal auszubalancieren.”"

    So ähnlich hatte er das zuvor bereits amerikanischen Journalisten auf Englisch in einer Pressekonferenz erklärt und dabei auch seine Prognose für das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft abgegeben. Auch ohne den verletzten Kapitän Ballack sei alles andere als das Erreichen des Halbfinales eine Enttäuschung.

    Was er selbst nach der WM machen wird, weiß er noch nicht. Aber er sieht sich nicht unter Zugzwang:

    ""Meine persönliche Situation ist relativ einfach, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, die WM zu beobachten - mehr auf der Medienseite - und sicherlich dann nach der WM mal schauen werde, ob neue Möglichkeiten bestehen. Ob das eine Nationalmannschaft ist oder eine Vereinsmannschaft.”"

    Auf die Bedingungen kommt es an, sagte er den amerikanischen Medienvertretern. Die richtigen Leute und der richtige Ort. Andernfalls arbeitet er weiter für SoccerSolutions. Die Firma berät andere Unternehmen in Fußballfragen aller Art.