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"Vignette einführen, dafür Kfz-Steuer abschaffen"

Der europäische Durchgangsverkehr in Deutschland lässt den Verkehrsminister und die CSU wieder von der PKW-Maut träumen. Offene Türen rennen sie dabei beim Chef der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg ein. Hans-Ulrich Rülke sagt klar "Ja" zur Maut - will aber eine Nullsummen-Gegenfinanzierung.

Das Gespräch führte Gerd Breker | 29.05.2012
    Gerd Breker: Das Thema ist eigentlich ein Klassiker für ein Theater in der Sommerpause, doch der CSU ist es zu ernst damit. Schließlich stellt sie nicht nur den Verkehrsminister, sondern die CSU braucht neben dem Betreuungsgeld ein weiteres bundespolitisches Profilierungsthema. Eine PKW-Maut liegt also auf dem schwarz-gelben Koalitionstisch.
    Die CSU will die PKW-Maut und die FDP ist dagegen, so haben wir es eben gehört und so steht es in fast jeder Agenturmeldung zu diesem Thema. Die FDP ist dagegen? – Nein, nicht die gesamte FDP. In Baden-Württemberg gibt es mehr als nur ein einzelnes Dorf, das die Mautpläne Ramsauers unterstützt. Die Südwest-FDP ist für eine PKW-Vignette. – Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, mit Hans-Ulrich Rülke. Guten Tag, Herr Rülke.

    Hans-Ulrich Rülke: Ich grüße Sie!

    Breker: Sie finden Ramsauers Mautpläne, anders als die Bundes-FDP, gut. Wie begründen Sie das?

    Rülke: Ja, ich begründe das so, dass wir ja insbesondere in Baden-Württemberg als Transitland feststellen, dass massenhaft - nach Erhebungen des Statistischen Landesamtes ein Viertel bis ein Fünftel der Autofahrer -, aus dem Ausland kommen, kostenlos über die baden-württembergischen Autobahnen brettern, dafür nichts zu bezahlen haben, während die deutschen, und somit auch die baden-württembergischen Autofahrer, überall in Europa Maut zu entrichten haben.

    Breker: Hat Ihr Fraktionsvorsitzender im Bund, Rainer Brüderle, das nicht verstanden?

    Rülke: Ich denke, er hat es schon verstanden. Ich habe auch keine Differenz zu Rainer Brüderle. Rainer Brüderle sagt, unter bestimmten Voraussetzungen könnte er sich eine Maut vorstellen, wenn beispielsweise die CSU im Gegenzug auf das Betreuungsgeld verzichtet. Das ist etwas, was ich durchaus akzeptieren könnte. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass man im Gegenzug die Kfz-Steuer abschafft und auf diese Art und Weise dafür sorgt, dass unter dem Strich zumindest für die deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer keine Zusatzbelastung entsteht.

    Breker: Das Betreuungsgeld und die PKW-Maut verbinden, das klingt seltsam. Erklären Sie mir das.

    Rülke: Nein, ich verbinde das nicht. Ich sage nur, unter dem Strich darf es keine zusätzlichen Belastungen geben, und ob man jetzt im Gegenzug auf das Betreuungsgeld verzichtet, oder die Kfz-Steuer abschafft, das ist Verhandlungssache. Ich persönlich könnte mir beides vorstellen.

    Breker: Sie sagen, dass Sie diese Vignette wollen. Hat das etwas damit zu tun, dass Sie eben halt eine Grenze zu Österreich und zur Schweiz haben und von daher, wenn Sie gen Süden fahren, eigentlich immer eine Vignette kaufen müssen? Ist das eine persönliche Erfahrung, die auch Sie machen?

    Rülke: Das ist nicht nur eine persönliche Erfahrung von mir, sondern das ist eine persönliche Erfahrung, die in Baden-Württemberg weit verbreitet ist. Das gilt im Übrigen nicht nur für Autofahrerinnen und Autofahrer aus Österreich oder der Schweiz. Mit Sicherheit würden Sie beispielsweise in Baden-Württemberg auch großen Beifall dafür bekommen, wenn Sie sagen würden, holländische Wohnmobile zahlen das Doppelte.

    Breker: Wie kann man denn festlegen, dass das eingenommene Geld dann auch tatsächlich für Verkehrsprojekte ausgegeben wird, wenn schon so etwas geschieht wie ein Tauschgeschäft, Betreuungsgeld gegen PKW-Maut?

    Rülke: Das ist eine politische Vereinbarung, das können Sie natürlich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht festschreiben. Aber es ist natürlich klar, dass diejenigen politischen Kräfte, die sich auf so etwas verständigen, dann auch die Möglichkeit hätten festzulegen, dass die aus einer Vignette beispielsweise erfolgten Einnahmen dann auch der Infrastruktur zugutekommen.

    Breker: Nun haben wir ja ein elektronisches System eingeführt für die LKW-Maut, was so hochtechnisch sein soll. Warum kann man das nicht nutzen, um eine PKW-Maut einzuführen?

    Rülke: Davon halte ich relativ wenig, weil sich daraus auch datenschutzrechtliche Probleme ergeben. Da kann dann sozusagen ein Bewegungsprofil von Autofahrern erstellt werden. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist dafür nach dem Prinzip, big Winfried is watching you. Davon halten wir überhaupt nichts. Das einzige Argument, das dafür spricht, ist, dass die Vielfahrer stärker belastet werden als die Wenigfahrer. Aber ich denke mal, dass wir durch etwa die Mineralölsteuer oder auch die Ökosteuer schon einen hinreichenden ökologischen Lenkungseffekt über den Spritpreis haben.

    Breker: Also noch mal zusammengefasst, Herr Rülke: Sie sind für die Einführung einer PKW-Vignette, wenn es für die deutschen Autofahrer eine Kompensation gibt, entweder über die Kfz-Steuer, oder über was?

    Rülke: Nun, mein Vorschlag ist ganz, ganz konkret, dass man in der Tat den deutschen Autofahrer im Gegenzug zur Vignette dadurch entlastet, dass man die Kfz-Steuer abschafft. Wenn man in Berlin über andere Kompensationsmöglichkeiten verhandeln möchte, dann kann man das gerne tun, da habe ich kein Problem mit. Aber mein konkreter Vorschlag, und der Vorschlag der Südwest-FDP ist der, Vignette einführen, dafür Kfz-Steuer abschaffen, und auf diese Art und Weise dann eben auch die ausländischen Autofahrerinnen und Autofahrer zur Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland heranziehen.

    Breker: Und für diesen Vorschlag werden Sie bei der Bundes-FDP jetzt ordentlich Werbung machen?

    Rülke: So ist es, darauf können Sie sich verlassen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Fraktionschef der FDP im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Herr Rülke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Rülke: Ich danke Ihnen sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.