Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Villengrundstücke in bester geschützter Lage

Im Schatten des israelischen Abzuges aus dem Gaza Streifen, jenseits aller Schlagzeilen um den Machtkampf zwischen Hamas und Al Fatah wird allen abwesenden Fernsehkameras zum Trotz gerade dieser Tage auf Hochtouren in der Westbank Politik gemacht. Mit Bulldozern und Betonmischmaschinen, mit Kränen und mit Gartengrün und mit Anzeigen im Immobilienteil der Tageszeitungen Israels. Nie war das traute Eigenheim mit Panoramablick und Sicherheit so günstig zu erwerben. Und damit verändert sich das Bild der Siedler, die hierzulande immer noch als orthodox, gewaltbereit und staatsfern angesehen werden.

Von Jochanan Shelliem | 12.08.2005
    Auch wenn der Gaza-Streifen dieser Tage von Journalisten aus aller Herren Länder überschwemmt wird, wenn einheimische Nähereien Palästina-Flaggen in Tag und Nachtarbeit anfertigen und nächste Woche alles in einem Rausch rot, grün, weiß-schwarzer Tücher ertrinken wird, auch wenn jüdische Abzugsgegner zu Tausenden in Gaza aufmarschieren wollen und der erste orthodoxe Amokläufer im Norden des Landes vier arabische Staatsbürger Israels erschossen hat, im Schatten des Show Down werden die Bedingungen für den Alltag danach in der Westbank in den Boden gerammt, verschalt und betoniert und asphaltiert. Die Immobilienpreise schießen derzeit in ungeahnte Höhen und die seriöse israelische Tageszeitung Ha'aretz schwärmt in ihrem Wirtschaftsteil von Immobiliengeschäften, bei denen sich im krisengeschüttelten Israel 15 bis 20 Prozent Profit in pro Jahr erzielen ließen. Die Rede ist von Har Adar. In dieser Siedlung, die in den Achtzigern gegründet worden ist und in denen sich keiner - mit Billigung der Eliten um den Verlauf der Grünen Linie, also die offizielle Staatsgrenze von Israel, gekümmert hat, dort leben keine armen radikalen Siedler in Orange. In den Villen am Hang der Berge von Jerusalem oberhalb von Biddu, unweit der Hauptschlagader der Nation nach Tel Aviv haben sich Medienfachleute angesiedelt, Leute von der Sicherheit und ihre besser verdienenden Freunde. Um den Verlauf der Staatsgrenze gekümmert hat sich hier keiner, großzügig schnitt der betonierte Grenzverlauf gut sieben Kilometer Land benachbarter palästinensischer Dörfer von der Westbank ab. Und die Mauer riegelt heute den Zugang Unerwünschter ab. "The green line doesn't affect the market" erklärt die Titelzeile im Ha'aretz Wirtschaftsteil, frei übersetzt: "Dem Markt ist die Staatsgrenze ziemlich egal". Und so ist der Wert der Villen von Har Adar im vergangen Jahr allein um 20 Prozent gestiegen. Da ist noch Luft drin und der Blick wird frei auf eine neue Lobby von Ariel Scharon. Gadi Algazi.

    " Man möchte aus der Ferne die Komplexität der israelischen Gesellschaft nicht sehen. Es wäre ganz leicht, ein bürgerliches gemäßigtes Lager zu sehen, mit Scharon im Moment und auf der anderen Seite die bösen radikalen Siedler. Es wird übersehen, wie tief Scharon verbunden ist mit den radikalen Siedlern.. wie sehr er der großen Kolonialpolitik langfristig dient, wenn er die große.. das echte Problem.. große Teile des Mittelstandes in Israel.. nicht bereit für einen echten Frieden mit den Palästinenser die Privilegien und die Kolonialpolitik aufzugeben. "
    Für die Palästinenser bedeutet die auf Anordnung Ariel Scharons im Schatten des Gaza Abzuges zügig weitergebaute Mauer, den langfristigen Verlust weiteren Ackerlands. Denn alles was drei Jahre nicht bebaut wird, fällt nach osmanischen Gesetz unabhängig von jeder Begründung an den Staat. Für israelische Wohnungssuchende ist der fortschreitenden Mauerbau ein Immobiliensegen, nie ist ein geschützter Platz an der Sonne derart günstig gewesen und wird es wohl auch lang nicht wieder sein. Damit verändert sich auch das Profil der Siedler, die Scharon unterstützen und diese neue Allianz trägt den Premier und seine Kolonialisierung der Westbank voran.